„Das ist ein Wunder!“

Ihre Kinder kennen keinen Strom in der Wohnung. Die Hausaufgaben haben sie auf einem der beiden Stühle erledigt, zu fünft in einem Zimmer. Jetzt haben sie ein ganzes Haus. Ende gut, alles gut? – Ein Interview mit Frau Danielian 1
In den Drei-Zimmer-Wohnung in diesen Blöcken wohnen oft zwei Familien gleichzeitig – unter prekärsten Bedingungen.
In der Stadt Gumairi im Norden des Landes wohnen immer noch viele Familien in solchen Baracken. Ihre Häuser wurden beim großen Erdbeben vom Dezember 1988 zerstört.
Nach sieben Jahren in einem kleinen Zimmer bewohnt Familie Danielian nun ein eigenes Haus.

), die am 27. August ins Dorf der Hoffnung in Jerewan, Armenien, eingezogen ist.

Der Tag heute muss für Sie ein ganz besonderer Tag sein.
Natürlich.
Sie haben lange auf dieses Haus gewartet ...
Ja.
Wie viele Kinder haben Sie?
4 Kinder.
Sie haben zuvor in der Stadt gewohnt?
Ja, ja.
Unter welchen Umständen haben Sie dort gewohnt?
Ich musste zusammen mit meinen 4 Kindern bei einer Verwandten meines Mannes leben. Wir hatten gemeinsam ein Zimmer, 15 Quadratmeter. Mein Mann ist im Gefängnis. Aber wir hatten auch vorher keine gute Beziehung gehabt.

Dort in unserem Zimmer hatten wir kein Wasser, keine Toilette. Alles lief in diesen 15 Quadratmetern ab, sieben Jahre lang. Die Kinder wissen nicht, was es heisst, zuhause Strom und Licht haben.

Ich werde in der Schweiz von dieser Eröffnungsfeier berichten. Möchten Sie ein Wort richten an die Leute, die hier dahinterstehen?
Selbstverständlich. Wie kann ich das alles nur ausdrücken, was ich diesen Leuten sagen möchte? Danke, danke und noch einmal danke. Das ist ein Wunder, ein Märchen, ein Traum. Ich kann es noch gar nicht zu glauben.

Aber ich weiss nicht recht, ob ich das sagen darf oder nicht: Das ist ein schönes Haus, das wir jetzt bekommen haben. Aber das ist auch alles, was wir haben: nur ein paar Kleider und nicht einmal ein Bett. Dort in der anderen Wohnung hatten wir zwei Stühle und ein Bett. Auf diesen Stühlen hat man gesessen und die Hausaufgaben drauf gemacht. Aber nicht einmal das durften wir mitnehmen. Ich habe mich an verschiedene Leute und Organisationen, auch ans Rathaus gewandt. Aber es gibt keine Hilfe. Am 1. September kommen die Kinder in die Schule. Ich weiss nicht weiter. Wir haben das, was man sieht: was wir anhaben und 2-3 Taschen mit Kleidern. 2)

Können Sie sich die anderen Sachen nun im Diaconia-Zentrum in der Stadt holen?
Man konnte das dort noch nicht befriedigend beantworten. Die Frage sei zweimal erörtert worden, aber noch ohne Ergebnis. Der Leiter dort weiss um diese Sache. Er ist auch in dem anderen Zimmer gewesen, bei meinen Verwandten. Die Auskünfte stimmen.

Ich bin Asthmatikerin. Wir leben von 18.000 Dram monatlich. 15.000 Dram (40 Franken) vom Staat und 3000 als Invalidenrente. Ich hab das mit der ältesten Tochter durchgerechnet. Gas, Strom, Wasser muss bezahlt werden, und die Kinder müssen mit dem Bus zur Schule fahren. Das macht monatlich 16.000 Dram aus. Da bleiben nur 2000 übrig. (Ergänzung der Übersetzerin Nara: Davon hat man nicht einmal ein Stück Brot täglich. 2000 Dram, das sind 20 Stück Brot.) Davon kaufe ich auch meine Medikamente. Ich krieg ja 3000 Dram als Rente. 2)

Diese Berechnung mit den 18.000 bzw. 16.000, die gilt jetzt für dieses Haus?
Ja, 16.000 haben wir zusammengezählt. Denn die beiden müssen noch zur Schule, hin und zurück. O.k., was man hier hat, das ist ein Wunder. Aber man steht jetzt drinnen und irgendwie denkt man, wie wird man jetzt leben? Im Prinzip kann ich keine schwere Arbeit machen. Aber wenn ich eine Arbeit finde, dann krieg ich diese Kompensation, diese 15.000, nicht mehr. Die Kinder sind auch nicht besonders gesund. Der Junge ist krank. Er musste im Krankenhaus sein und ist erst entlassen worden, hatte Magenprobleme. Die Kälte in der anderen Wohnung hat dazu beigetragen, dass die Kinder nicht besonders gesund sind.2)

1) Der Name der Familie wurde geändert.

2) Anmerkung:
Ich habe einen Mitarbeiter von Diaconia auf diese Schilderung angesprochen: „Ja, solche Härten kommen immer wieder vor. Und wir greifen den Leuten dann auch unter die Arme, wenn’s geht. Zur Zeit ist ein Möbelwagen unterwegs, der den Familien das Nötigste bringt, Stühle aus Schweizer Schulen und anderes. Auch die Ausgaben für den Schulunterricht müssen sie nicht selber bezahlen. Das wusste diese Frau jetzt nur noch nicht alles. Baruyr* wird da weiterschauen.“ (Baruyr Jambazian ist Leiter von Diaconia Internationale Hilfe in Armenien.)

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Das „Dorf der Hoffnung“ – ein Wunder auf Raten

Datum: 25.09.2004
Quelle: Livenet.ch

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