Popcorn zu Holocaust-Filmen

Walid 1977 vor dem Felsendom.

Als Kind warf er Steine gegen die jüdischen Beter an der Klagemauer, dann wurde er Terrorist und später in Chicago Fundraiser für die PLO. Heute bezeichnet er sich als Zionisten. In unserem mehrteiligen Exklusiv-Interview schildert Walid Shoebat sein Leben inmitten des Nahost-Konflikts.

Daniel Gerber: Walid Shoebat, wie sind sie aufgewachsen?
Walid Shoebat: Mein Grossvater hatte Land in Beit Sahur, in der Nähe von Bethlehem. Er war ein guter Freund von Haj Amin-Husseini, dem Grossmufti von Jerusalem, dem Kollaborateur von Adolf Hitler. Ihr gemeinsames Ziel war, die jüdische Gesellschaft in moslemischen Ländern zu zerstören. Als ich sechs war, gab es einen Krieg, den aber Israel gewann.

Ich wuchs in einer islamischen Familie auf, mein Vater war Moslem. Er war Mukhtar, dass heisst, er amtete als moslemischer Ortsvorsteher von Beit Sahur. Meine Mutter war Amerikanerin, er hatte sie an der Humboldt-Universität kennegelernt. Sie entschied sich, nach Israel - damals war dieser Teil noch Jordanien - zu kommen. Er zwang sie, zum Islam zu konvertieren. Weil sie mehrfach versucht hatte zu fliehen, nahm er ihr den Pass weg. Sie durfte nicht mehr nach Hause. Insgeheim blieb sie aber Christin.

Sie wuchsen in den palästinensischen Gebieten auf?
Das hiess damals Jordanien. Palästina gab es nie. Die Römer nannten das Gebiet so, um den Eindruck der jüdischen Präsenz zu zerstören. Damals, als wir dort lebten, hiess das Gebiet unter König Hussein "Jordanien", und wir nannten uns Jordanier. Nach dem Sechs-Tage-Krieg gab es dann eine Palästinensische Urkunde, die aber Samaria und Galiläa nicht mit einschloss. Es waren Teile Jordaniens. Dann änderte Arafat die Urkunde und sagte, das seien ebenfalls Teil von Palästina.

Dabei stammt er selbst eigentlich aus Ägypten ...
Das ist richtig, Arafat ist Ägypter. Er ist kein Palästinenser, er ist geboren worden als Al-Qudwa al-Husaini. Das Geschlecht Al-Qudwa al Husaini ist aus Ägypten.

Aber in der Schule haben Sie so etwas kaum gelernt, und Toleranz war wohl auch nicht gerade ein Schulfach?
Ja. Es war das gleiche Prinzip wie in Nazi-Deutschland: ein Fabrizieren der Geschichte. So wie die Deutschen an eine arische Abstammung glauben sollten. Wir lernten, dass wir die ursprünglichen Philister seien und die wahren Kanaaniter. Mit diesem Argument gibt es aber ein Problem: Die Kanaaniter waren ein hamitisches Volk, die Araber und die Palästinenser nennen sich Araber. Und diese sind semitisch. Wie können also Arafat und die Schulmedien und die ganze Propaganda immer von den Kanaanitern berichten? Nun, sie wollen eine Brücke schlagen zwischen uns und dem Land, die älter ist als Israel. Nur sind wir einfach keine hamitische Rasse. Wir sind Semiten, Araber.

Als Schuljunge sollen Sie Popcorn-essend Holocaustfilme angeschaut haben?
Ja, das war bei uns zuhause. Das israelische Fernsehen zeigte diese Dokumentationen damals mehrere Tage lang. Es gab damals nur zwei Fernsehsender: einen jordanischen und einen israelischen. Wir hatten also keine Chance, um dieses Thema herumzukommen. Die Holocaustfilme amüsierten mich. Ich glaubte nämlich nicht, dass es diese Verbrechen wirklich gegeben habe. Wir hatten schliesslich in der Schule gelernt, das alles sei bloss jüdische Propaganda, etwas nachträglich Konstruiertes und keine Wahrheit. Mit der Popcorn-Tüte in der Hand schaute ich mir also diese Sachen an. Wir fanden das lustig: "Wie konnten die nur so viele kahlrasierte Darsteller finden?" Wir gingen nicht davon aus, dass diese Körper real wären. Wir dachten nur, wer diese Filme gemacht hat, der muss ein Genie sein.

Das ist der 1. Teil der Serie: "Ein Bombenleger wird Zionist". Lesen Sie morgen Teil 2: Schulfach Antisemitismus

Datum: 31.03.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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