Religiosität im Mittleren Osten nach dem Irakkrieg

Islam

In einem Kommentar der konservativen iranischen Zeitung Resalat über die Auswirkungen des Krieges im Irak kritisiert der Autor Mahmud Farshidi Versuche, der islamischen Welt das westliche Demokratiemodell aufzuzwingen: Gegen die Demokratie spreche bereits die Tatsache, dass sich die kriegführenden Staaten auf diese berufen hätten. Ausserdem, so hofft Farshidi, werde der Krieg gegen den Irak die Bevölkerung in der Region zur Rückkehr zum Islam bewegen:

„Historiker gehen davon aus, dass Gewaltanwendung und Militarismus Zeichen des Verfalls einer Regierung und einer Zivilisation sind, die in ihrer Verzweiflung keine andere Option [als den Griff zur Gewalt] sehen. Im Rahmen eines solchen historischen Prinzips lässt sich auch der militärische Angriff der Führer der Demokratie gegen die irakische Bevölkerung betrachten. Denn wie die Ausführungen der amerikanischen Politiker während des Krieges bezeugen, ist dieser Angriff kein Einzelbeispiel für die Unvernunft des amerikanischen Präsidenten. Dieser Angriff wurde nach einem zehn Jahre alten Plan geführt und man kann davon ausgehen, dass die Eroberung islamischer Staaten sich nicht auf den Irak beschränken wird. Die Eroberung Afghanistans, die Drohungen gegen Syrien, die Hinweise amerikanischer Stellen bezüglich der Dauer des Krieges gegen den so genannten Terrorismus sowie die Aussagen Bushs zu Beginn der neuen Kreuzzüge bestätigen, dass es einen langfristigen Plan der Bannerträger der Demokratie zur Eroberung der islamischen Staaten gibt.

Die unterschiedlichen Positionen zwischen einigen Demokratien wie Frankreich, Deutschland oder Russland auf der einen und den USA auf der anderen Seite sind mehr auf Interessenswidersprüche als auf demokratische Prinzipien zurückzuführen. Vielmehr legt die Tatsache, dass die demokratischen Meinungsführer [der westlichen Welt] auch nicht gegen die militärische Aggression gegen den Irak argumentieren, nahe, dass diese eine Folge der Demokratie selbst ist.

Schliesslich beruht die Weltwirtschaftsordnung auf der Eroberung des Kapitals der armen durch die reichen Länder. Aber die Bemühungen, die armen Staaten zu einseitigen Geschäftsbeziehungen zu zwingen, werden täglich schwieriger. Seit dem Erwachen der Weltbevölkerung - insbesondere in der islamischen Welt - sind die Menschen immer weniger bereit, ihr nationales Kapital für den Energiebedarf von Autos der in der Weltordnung über ihnen rangierenden Staaten zur Verfügung zu stellen. Nachdem es die Hegemonialkräfte lange Zeit geschafft haben, der Dritten Welt unter dem Deckmantel von Demokratie und mit Parolen über Freiheit, Menschenrechte, Wahlen oder Frauenemanzipation das Kapital zu rauben, erkennt die Weltbevölkerung nun die versteckten Ziele dieser Herolde der Demokratie.

Herrschaft nach eigenen Glaubensvorstellungen

Die Weltbevölkerung will die Herrschaft des Volkes nach eigenen Glaubensvorstellungen und gemäss der eigenen Kultur errichten. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass die liberale Demokratie die grösste Hoffnung der Menschheit, nämlich „Gerechtigkeit“, nicht nur nicht verwirklicht, sondern längst einen entgegengesetzten Weg eingeschlagen hat: Die Botschaft der liberalen Demokratie ist die Vertiefung der Kluft zwischen der Klasse der Armen und den Reichen.

So verzweifelte die Menschheit an den Göttern der liberalen Demokratie und sucht nun nach einem Weg zu einer gerechten Volksherrschaft in der eigenen Gesellschaft. Gedemütigt von den Herrschern der Welt, richten sie ihren Blick gen Himmel und auf sich selbst. Tagtäglich fühlen sich die Menschen so mehr zur Religion hingezogen, sie lernen gewissenhafte Persönlichkeiten [religiöse Führer] schätzen und deren Basis in der Gesellschaft wächst. Auch die Tatsache, dass die falschen religiösen Rezepte der Taliban und von al-Qaida von den Anführern der herrschenden Mächte geschrieben worden sind, lässt die Menschen wellenartig zu ihren [richtigen] religiösen Ansichten zurückfinden und belegt zudem die Angst der Herrschenden vor dem Anwachsen dieser Bewegung.

Die Demokratie hat so letztlich dazu geführt, dass der Name eines jeden, der sich nicht zum Mekka des Weissen Hauses wendet, in die schwarze Liste der Terroristen aufgenommen wird. Die Herrschenden glauben, die nach Gerechtigkeit strebenden Bewegungen mit Repression, Mord und Verbrechen unterdrücken und ihre Unterstützer zur Verzweiflung treiben zu können - aber je mehr sie den Druck erhöhen, umso stärker wächst die religiöse Bewegung.

Angriff der USA hat Religiosität in der Region gestärkt

Nach dem iranischen war es das libanesische Volk, welches als erstes erkannte, dass nur die Religion Identität und Unabhängigkeit des Landes schützen könne. Um Ruhe und Sicherheit zu finden, musste die Hisbollah das Volk vor Israel schützen. Der Erfolg der Libanesen hat den Palästinensern den Weg des Friedens vor Augen geführt: In der Intifada hat die religiöse Bewegung inzwischen die Handlungsmöglichkeiten der Israelis so eingeengt, dass Israel Amerika um Schutz bittet. Und die Welt ist Zeuge, dass sich derzeit auch die unterdrückte irakische Bevölkerung der Religion zuwendet, um sich von den Aggressoren zu befreien. Die irakische Bevölkerung sucht die Verteidigung ihrer Identität, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Existenz im Islam.

Der Angriff der USA gegen ein islamisches Land hat die Religiosität in der gesamten Region gestärkt. Selbst nicht-religiöse Regierungen täuschen nun Religiosität und Harmonie mit der Bevölkerung vor. Die Anführer der Demokratie haben den islamischen Ländern mit ihrer Gewaltherrschaft die Sackgasse der Demokratie deutlich vor Augen geführt - eine Sackgasse, die dazu führen wird, dass sich die islamischen Völker an den positiven Erfahrungen, die sie mit der religiösen Volksherrschaft gemacht haben, orientieren werden.“

Sunnitische Islamisten zum Irakkrieg und zur Rolle der Schiiten

Al Nida´a, eine Al-Qaida nahe stehende Website, veröffentlichte vor kurzem eine Reihe von Artikeln über den Irakkrieg. Der elfte Teil dieser unter der Rubrik eines ´Islamischen Studien- und Forschungszentrums´ erscheinenden Serie dreht sich um Gefahren, die sunnitischen Islamisten in der Region zukünftig verstärkt drohen würden. Der Text beschreibt eine Reihe dieser Gefahren. Insbesondere betont er die heraufziehende Bedrohung des Islam und des sunnitischen Islamismus durch die Schiiten - eine Bedrohung, die grösser sei als jene, die „von Juden und Christen“ ausginge. Im Folgenden fassen wir die zentralen Argumente zusammen.

Die Bedrohung durch die Kreuzfahrer

Im Irak wird sich die Bedrohung durch die „Kreuzfahrer“ - der Text erinnert an die „Rolle“ der Kirche von den Kreuzzügen bis zu den Kriegen in Afghanistan und Bosnien - nach Meinung der Autoren hauptsächlich in den zu erwartenden missionarischen Unternehmungen erweisen, die die Autoren zusätzlich zu militärischen Unternehmungen erwarten, die der „Ausrottung des Islam“ dienen.

Die Bedrohung für den Islam durch die Muslime selbst

„Die wahren Gläubigen „, die sunnitischen Islamisten, sehen sich, so heisst es, sowohl mit allgemeinem Hass (in den Gesellschaften der Region) als auch mit institutionalisiertem Hass konfrontiert. Dieser ginge von den Regierungen und den diesen unterstellten religiösen Gelehrten der islamischen Länder aus: „Deren Hass“, so heisst es, „ist kein Stück geringer als der der Juden und Christen. Und manchmal ist er hundertmal schlimmer...“

Die säkulare Bedrohung

„Keinen Zweifel“ bestehe zudem darüber, „dass der amerikanische Säkularismus, der mit Gewalt in die Region übertragen werden wird, eine der grössten Bedrohungen für die Hegemonie des Islam und die Dominanz der Scharia [islamisches Gesetz] darstellt [...] Die islamische Welt wird sich von einer Diktatur in eine Demokratie verwandeln, die eine Verwilderung aller Lebensbereiche mit sich bringt.“ Demokratie bedeute dabei, dass Menschen anstelle Gottes regieren würden.

Die Bedrohung durch den Rationalismus

Hierzu heisst es, dass der britische Imperialismus diesen „tödlichen Samen“ ausgelegt hätte und nun „im Namen des Islam“ behauptet würde, dass „der Islam den Unglauben nicht bekämpfe und vielmehr befohlen habe, sich dem Ungläubigen anzunähern und mit ihm zusammen zu leben. [...] Diese Denkschule, die von Muhammad ‚Abdu [Anfang 20. Jahrhunderts] etabliert wurde und behauptet, die Logik geniesse Vorrang gegenüber der Schrift [dem Koran], könnte der erste Schritt zur Säkularisierung der Region sein, weil sie eine Mischung aus Säkularismus und Islam darstellt.“

Die Schia

Für die Verfasser des Textes vom ´Islamischen Studien- und Forschungszentrum´ ist „die Gefahr, die für die Region von der Schia ausgeht, keineswegs geringer als die seitens der Juden und Christen.“ Denn: „Im Laufe der islamischen Geschichte half die Schia den Christen und Polytheisten bei ihren Kämpfen gegen die muslimischen Länder.“ Der äusserlich demonstrierte antijüdische und antichristliche Hass der Schia sei lediglich Propaganda, um die iranische Revolution in andere Länder zu exportieren. Dazu, so will es der Artikel wissen, habe die iranische Schia einen Fünf-Stufen-Plan entwickelt, wobei jede Stufe auf zehn Jahre veranschlagt sei.

Im Irak hätte man erneut gesehen wie sich die Geistlichen der Schia beeilt haben, die Tore für die Kreuzfahrer zu öffnen und mit ihnen kooperiert haben, um den Irak zu kontrollieren: „Zwar veröffentlichten sie anfänglich eine Fatwa über die Notwendigkeit gegen den Feind zu kämpfen, der die muslimischen Länder angreift. [Aber] diese Fatwa war für den örtlichen Gebrauch bestimmt und wurde nicht auf dem Schlachtfeld umgesetzt. Auch die im Iran stationierte ,Badr Brigade’ der Schia marschierte nicht in Irak ein und feuerte nicht eine Kugel, die der Fatwa entsprochen hätte.“

Im Gegenteil: „Als die Schia erkannte, dass sich die Waagschale zugunsten der Kreuzfahrer neigte, beeilten sie sich, ihnen die Tore zu öffnen und mit ihnen zu kooperieren, um die meisten der südlichen Städte zu kontrollieren. Sie wiederholten damit die Rolle eines ihrer Vorfahren, Ibn Al-‚Alqami, der [1259] den Mongolen die Tore Bagdads geöffnet hatte. Die Amerikanern können nicht anders als diesen Geistlichen der Schia dafür zu danken, dass sie ihnen halfen in die Städte einzumarschieren und sie zu kontrollieren. [...] Weiterhin unterstützt also die irakische Schia die Feinde, die Kreuzfahrer und verriet die Sunniten, so dass diese gefangen genommen oder getötet werden konnten.“

Neben solchen Angriffen auf die Schiiten tritt der Artikel auch der Tatsache entgegen, dass diese die Bevölkerungsmehrheit im Irak stellen. „Wenn [also] die Schia eine Regierung fordert, die die Mehrheit repräsentieren soll, dann müsste diese Regierung sunnitisch sein, weil nämlich die Sunniten die Mehrheit im Irak ausmachen - 68% aller Araber und Nicht-Araber.“ Da aber kein einziges sunnitisches Land die Rechte der irakischen Sunniten unterstütze, sei der einzige Weg, wie die diese ihre legitimen Rechte zurückgewinnen könnten, „ein Aufruf zum Djihad gegen die Feinde der Nation und des Glaubens.“

„Nicht jeder, der behauptet Muslim zu sein, ist auch wirklich einer“

Zusammenfassend hebt Al-Nida´a noch einmal hervor, dass „die Bedrohung dieser [der irakischen] Nation durch die Schia ähnlich gross [ist] wie die von den Juden und Christen ausgehende. [...] Die Schia stellt eine Gefahr nicht nur für den Irak, sondern für die gesamte Region dar, wenn sie ihren Einfluss im Irak ausdehnt oder eine Art Autonomie im südlichen Irak erhält. [...]. Schliesslich gibt es eine beträchtliche Anzahl [von Schiiten] in Saudi Arabien, Kuwait und Bahrain. Wenn sich diese organisieren und ihre Bemühungen von Ländern wie Iran, Syrien und Libanon unterstützt würden, bedeutete dies, dass sie in ihrem 50-Jahres Plan weit fortgeschritten sind.“

„Die Muslime sollten vorsichtig sein, denn die Schia zögert nicht, mit den Kreuzfahrern und den jüdischen Feinden der Sunna zu kooperieren. [...] Wer sich in der Geschichte auskennt, weiss, dass die Schia den Feinden zur Seite stand, als diese der Nation [hier: islamische Gemeinschaft]in den Rücken fiel. Es genügt zu wissen, dass es die Schia war, welche die Heiligkeit des Hauses Allahs beschmutzte und zwanzig Jahren lang den schwarzen Stein [Ka’ ba] entwendet hatte, bis er an seinen Platz zurückkehrte. Wer den Glauben der Schia kennt, kann die Tiefe ihrer Boshaftigkeit und ihres Hasses kaum fassen. Nehmt Euch in Acht, ihr Muslime.“

Der Artikel warnt davor, sich der Schia auch nur anzunähern. Dies sei gefährlicher als eine Annäherung an die Juden, deren Feindselikeit im Unterschied zu jener der Schiiten allseits bekannt sei. „Nicht jeder, der behauptet Muslim zu sein, ist auch wirklich einer - dann nämlich wenn sein Handeln voll und ganz im Widerspruch zum Islam steht.“

Die Ansichten der hier zitierten Autoren geben nicht die Meinung von Livenet.ch und Jesus.ch wieder. Sie dienen nur zur Information aktueller Entwicklungen.

Quelle: The Middle East Media Research Institute (MEMRI)

Datum: 13.05.2003

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service