Durch Krisen zur Einfachheit

Die Geschichte hinter der schnellstwachsenden Gemeinde der USA

John Van Pay leitet die «Gateway Fellowship» in San Antonio, Texas – die Gemeinde, die im letzten Jahr um sagenhafte 187 Prozent von gut 800 auf über 2300 Menschen gewachsen ist. Die Geschichte begann mit einer Krise – und heute macht die Kirche so ziemlich alles anders, als es üblich ist.
John van Pay mit seiner Frau Stephanie
John van Pay bei einer Taufe

Als Studentenpastor in New Hampshire war John van Pay auf Erfolg getrimmt. Er hielt Programme und Veranstaltungen am Laufen, um als Gemeinde zu wachsen. Daneben gründete er eine Gemeinde auf dem Lande und leitete eine weitere im Stadtzentrum. Bis eines Tages seine Frau Stephanie mit ihren drei kleinen Kindern vor ihm stand, bereit, nach Houston zu ihren Eltern zurückzuziehen. John erinnert sich noch genau an ihre Worte, die sein Leben und seinen Dienst radikal veränderten. «John, du bist ein toller Pastor», sagte sie. «Aber du bist einfach nicht genug zu Hause, um ein guter Vater und Ehemann zu sein. Wir gehen nach Hause zurück.»

Fünf Abende pro Woche daheim

Als John mit sieben weiteren Freunden kurz darauf die Gateway Fellowship in San Antonio (Texas) gründete, setzte er sich eine Zahl als Ziel – aber die hatte mit der Grösse der Gemeinde nichts zu tun. Er versprach, fünf Abende pro Woche daheim zu sein.

Heute – ohne grosse Show, ohne Riesenprogramme und selbst «ohne tolle Predigten» – leitet van Pay die schnellstwachsende Gemeinde in den USA: Die diesjährige Zählung des «Outreach Magazine» zeigt auf, dass seine Gemeinde zwischen Frühjahr 2015 und Frühjahr 2016 von 812 auf 2332 Menschen wuchs, eine Zunahme von 187 Prozent.

Seine Geschichte zeigt, wie ein Mann, der als Redner höchst mittelmässige Noten im College hatte, lernte, die Einfachheit und die Kompliziertheit des höchsten Auftrags zu leben: Gott und andere zu lieben.

«Eine Beziehung nach der anderen»

An einem Wochenende im Jahre 2007 traf John sich mit sieben Freunden im Wohnzimmer. Sie hatten das Ziel, 1200 Beziehungen zu Menschen aufzubauen, bevor sie überhaupt den ersten Gottesdienst feiern wollten. «Wir werden diese Gemeinde bauen, eine Beziehung nach der anderen», nahmen sie sich vor. Konkret hiess das zum Beispiel: Bei McDonalds fuhren sie nicht im Auto durch das Drive-Through, sondern gingen hinein, um die Angestellten kennenzulernen. Das gleiche taten sie bei der Bank und an anderen Orten.

Vor der Eröffnung eine Beerdigung

«Wir schrieben 1200 Namen auf eine grosse Rolle Papier und begannen, für jeden dieser Menschen zu beten. In diesen Gebetszeiten gab Gott uns eine Last für unsere Stadt aufs Herz. Wir nahmen uns vor, uns mit so vielen dieser Leute wie möglich regelmässig zu treffen.»

Noch bevor der erste Gottesdienst stattfand, hatten sie schon eine Beerdigung – einer der Freunde, die John kennengelernt hatte, starb an einem Hirntumor und hatte kurz vorher ganz allein sein Leben Jesus gegeben. Am 10. Februar 2008 war dann der erste Gottesdienst, und 18 Freunde des Verstorbenen gaben ihr Leben Jesus. «Von Anfang an wollten wir den Menschen so nachgehen, wie Jesus uns nachgegangen ist», sagt John heute.

Höchst mittelmässiger Redner

«Ich bin von Natur aus introvertiert», bekennt John. «Ich hatte immer furchtbar Angst, öffentlich zu reden. Für meine erste öffentliche Rede am College erhielt ich ein 'ausreichend'. Danach fragte ich Gott: 'Bist du sicher, dass du mich in den Dienst als Pastor gerufen hast?'» In der Folge lernte er vom stotternden Mose, dass Gott ihn trotzdem berief. «Meine Abhängigkeit von Gott erleichtert es, dass er die Ehre bekommt. Und sein Geist hat mir eine Last und eine Leidenschaft für das Reich Gottes gegeben, aus allen Nationen Jüngern zu machen. Das ist das Entscheidende.»

Jünger machen – aber wie?

«Am Anfang machten wir es wie alle im Westen – wir sammelten Bekehrte, setzten sie in einen Raum und liessen sie Bibelstudienmaterial ausfüllen, mit dem wir ihnen alles erzählen konnten, was wir wussten. Mit der Methode haben wir jämmerlich versagt. Das hat keine Jünger erzeugt», sagt John heute.

Es änderte sich alles, als John eine Reise in den Orient machte und von einem Beduinen-Hirten lernte, wie er sich um die Schafe in seiner Herde kümmerte – persönlich und eins um das andere. «Von dieser Reise kam ich zurück mit einer völlig neuen Sicht. Ich bekam eine Leidenschaft dafür, Jünger zu machen wie Jesus – einen nach dem anderen, und zwar durch persönliche Beziehungen.» Er begann, mit einigen Leitern seiner Gemeinde Zeit zu verbringen, ihnen seine Liebe zu zeigen und viel mit ihnen zu lachen. Nach einem Jahr lud er sie ein, mit den Mitgliedern ihrer Kleingruppe das Gleiche zu tun.

Wenn Menschen schwierig werden

Das ist kein einfacher Weg. «Menschen lieben ist zeitaufwendig» bekennt John. «Es kann schwierig werden – einige beissen zurück, und es gibt Konflikte. Man muss sich sagen: Ich werde Menschen nicht aufgeben! Und im Laufe der Zeit verändern sich Menschen – und veränderte sich die Gemeinde.»   

Und er fährt fort: «Wenn wir zuerst nach dem Reich Gottes trachten und Gott von ganzem Herzen, mit allem Denken und aller Kraft lieben, fliesst die Erfahrung seiner Liebe von unserem Leben aus zu anderen Menschen. Das bedeutet es, Jünger zu machen. Als Ergebnis davon gebe ich meine eigenen Ziele auf, meine Vorlieben – ich verstehe, dass das Reich Gottes wichtiger ist als mein eigenes Reich.»

Beziehungs-Strategie

Nach der Strategie seiner Gemeinde gefragt, fasst John zusammen: «Du wirst eingeladen. Komm in eine kleine Gruppe. Glaube und lass dich taufen. Werde Mitarbeiter. Lass dich schulen – und dann lass dich aussenden.»

In der Gemeinde werden diese Schritte höchst beziehungsmässig ausgelebt und nicht primär mit dem Fokus auf Programme. «Wir laden nie zu einer Gruppenleiter-Schulung ein», sagt John. «Manchmal geht es neun Monate, bis ein neuer Christ selbst eine Gruppe leitet, manchmal drei Jahre. Aber wir sehen unsere Kleingruppenleiter als Gemeindegründer, als Hirten ihrer Gruppe, die für sie sorgen. Sie nehmen ihre Verantwortung ernst, und es ist nachhaltig.»

Gruppen als Träger der Evangelisation

«Jünger machen und evangelisieren sind zwei Seiten derselben Medaille», erklärt John das schnelle Wachstum der Gemeinde. «Die Gruppen werden freigesetzt, sich wieder neu um neue Menschen zu kümmern. Wir laden sie ein, eine Vision für ein Quartier oder eine Menschengruppe zu bekommen. Zum Beispiel hat eine Gruppe einen Auftrag unter Waisenkindern angenommen – heute haben sie bereits 50 Waisenkinder in neue Familien vermittelt.» Andere helfen bei der Drogenarbeit mit oder gehen in Gefängnisse. Statt diese Arbeiten zu koordinieren oder gar zu kontrollieren, gibt die Gemeinde den Gruppen grosse Freiheit in der Art, wie sie ihren Dienst tun.

Schliesslich: «Rick Warren hat mir einmal den Rat gegeben, jeden neuen Anfang zu feiern – die erste Bekehrung, die ersten Windeln, die erste Taufe. Seitdem feiern wir jedes Mal, wenn etwas Neues kommt – ein neuer Mitarbeiter, eine neue Gruppe, ein neues Arbeitsfeld. Wir klatschen, singen ein Lied – und geben Gott so die Ehre für das, was er tut.» 

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Datum: 30.10.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: livenet / outreach magazine

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