Die US-Amerikaner: religiös, mit mehr Fragezeichen

Crystal Cathedral
Happy to be in church: Lobpreis einer Presbyterianerkirche in Virginia
Proklamation vor dem Haus: Die Zehn Gebote als Damm gegen die Gefährdungen der Zeit.
In Charlotte (North Carolina) ist eine Ringstrasse nach Billy Graham benannt.

Gläubig sein gehört zum Leben in den USA, dem Land, in dem die meisten Christen leben. Der Anteil der Protestanten an der 300-Millionen-Bevölkerung ist in fünf Jahrzehnten von zwei Dritteln auf die Hälfte gesunken.

Der führende Meinungsforscher George Gallup Jr. hat zum 50-jährigen Bestehen der renommierten evangelikalen Zeitschrift „Christianity Today“ die Religiosität der US-Amerikaner umrissen. Er stellt fest, dass sich trotz anhaltender Religiosität vieles seit den 1950er Jahren stark gewandelt hat.

Während weiterhin neun von zehn Amerikanern an einen Gott oder an ein höchstes Wesen glauben, sehen nur noch 28 Prozent die Bibel als von Gott wörtlich inspiriert an (1963: 65 Prozent). Und während damals noch vier von fünf Einwohnern von der Religion die Lösung der meisten Probleme erwarteten, sind es heute nur noch drei. 1957 gehörte bloss jeder 25. US-Amerikaner keiner christlichen oder jüdischen Gemeinschaft an, heute jeder fünfte.

Hoher Kirchenbesuch

Erstaunlich ist, dass immer noch über 40 Prozent angeben, sie hätten in den letzten sieben Tagen die Kirche oder Synagoge besucht – diese Zahl ist kaum gesunken, im scharfen Gegensatz zu Europa. In den Dörfern und Kleinstädten des Bible Belt im Südosten der USA geht ‚man’ am Sonntag immer noch zur Kirche. Gleichwohl stellt Gallup einen gravierenden Mangel an Wissen über die Bibel, grundlegende Lehren des Christentums und Kirchentraditionen fest. Dies habe sich nicht geändert, obwohl seit dem Weltkrieg mehr Amerikaner am College studierten.

Oberflächlich und in vielem unsicher

Oberflächlichkeit gehört zur US-Kultur, auch der religiösen: „Viele Leute wissen nicht genau, was sie glauben, oder warum sie glauben.“ Dazu kommt eine zunehmende Offenheit für nicht-christliche Lehren. Man glaube zwar an Gott, aber es fehle an Vertrauen in ihn, befindet der Meinungsforscher. Die Kirche als Institution geniesst nach wie vor ein hohes Prestige, allerdings schaden ihr Skandale. Alle Kirchen der USA sind Freikirchen, vom Staat getrennt. Die Zahl der Kirchenmitglieder ist von 73 Prozent im Jahr 1952 auf 64 Prozent im letzten Jahr gesunken.

Institution Billy Graham

Hoch über allen anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens steht der Evangelist Billy Graham. Er hat seit 1948 48 Mal (!) unter den zehn geachtetsten Personen des Landes figuriert. Jeder sechste Amerikaner hat ihn persönlich gehört und fünf von sechs haben ihn am Fernsehen predigen sehen.

Gallup konstatiert für die letzten 20 Jahre ein deutlich gestiegenes Interesse an geistlichen Dingen (es wird von einer Unzahl von Organisationen befriedigt und gehegt). Das medial Vermittelte genügt den Menschen aber nicht: Mehr Amerikaner geben an, dass ihnen tiefe Beziehungen zu anderen Menschen wichtig sind.

Datum: 30.10.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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