Als der Holländer Jos Strengholt 1988 nach Ägypten zog, um dort als Missionar und Journalist zu arbeiten, hatte er keine Ahnung, dass er die Christen in Ägypten dazu bewegen würde, einen Mediendienst und ein Projekt für Arme aufzubauen.
Nach mehreren
Jahren vor Ort gründete er eine Verlagsgesellschaft, die sich auf christliche
Filmproduktionen spezialisierte. «Dies war eine riesige Herausforderung», sagt
er. «Ich hatte keinerlei Kenntnisse über Fernsehproduktionen. Damals gab es
kein christliches Fernsehen in Ägypten und jeder warnte uns, dass die Regierung
uns sofort einen Riegel vorschieben würde. Doch mit meiner eher holländischen
Herangehensweise dachte ich mir: 'Okay, wenn sie mich aufhalten wollen, dann
müssen sie mir das selbst sagen.' Die Leute beobachteten mich anfangs besorgt,
doch es funktionierte grossartig.»
Das ist
bezeichnend für Strengholts Charakter: Lahme Ausreden werden nicht akzeptiert.
Ein zweites Problem, das auftauchte – man musste Produzenten und Kameramänner
für die Aufnahmen finden –, wurde ebenfalls gelöst. «Etwa zehn Prozent der
Ägypter sind koptisch-orthodox und ich dachte mir, dass es unter ihnen auch
Fachleute fürs Fernsehen geben muss. Das stellte sich als richtig heraus und
die Leute standen Schlange, um für uns zu arbeiten.»
Opern,
Sporthallen und Stadien gemietet
Eine TV-Serie
über Onesimus, einen frühen Apostel der orthodoxen Ostkirche, wurde produziert,
ausserdem einige pastorale Sendungen. Anschliessend folgte eine halb säkulare
Serie über soziale Themen wie die weibliche Beschneidung oder den positiven
Umgang mit geistig behinderten Menschen, die auch im staatlichen Fernsehen von
Ägypten ausgestrahlt werden könnte.
«Einer unserer
Produzenten träumte davon, ein grosses christliches Konzert im Opernhaus von
Kairo zu produzieren, das der Stolz des ägyptischen Staates ist.
Selbstverständlich gefiel mir diese Idee, und – man höre und staune – die Oper
gab uns die Erlaubnis dazu. Ein paar tausend Besucher kamen zu dem Konzert, das
in Auszügen auch im nationalen Fernsehen übertragen wurde. Dies sorgte für
Aufregung in den Kirchen im ganzen Land: Wenn eine christliche
Produktionsgesellschaft die Oper anmieten konnte, können wir dann auch
Sporthallen und Stadien nutzen, die dem Staat gehören? Wie es sich
herausstellte, war das tatsächlich möglich.»
«Als Ausländer
war ich wahrscheinlich ein bisschen zu kühn, weil ich einfach davon ausging,
dass die meisten Dinge möglich sein würden», sagt Strengholt. Bekam er jemals
Schwierigkeiten mit der Regierung? «Oh ja, aber nichts Ernstes. Ein paar Mal
wurde ein Brief unter der Bürotür unserer Firma durchgeschoben, der mich
aufforderte, dem Geheimdienst einen Besuch abzustatten, oftmals zu lausigen
Zeiten. Sie wollten wissen, was ich gerade tue.»
Viermal beim
Geheimdienst
Strengholt wies
sein Team an, fast sämtliche Produktionen in einer Kiste an das Büro des
Geheimdienstes zu liefern. Einer der Beamten befragte ihn wegen der Sendung
gegen die Beschneidung von Frauen. «Ihr versucht, die ägyptische Gesellschaft
zu verändern und den Islam zu untergraben», sagte er. Strengholt erwiderte: «Wirklich?
Die Regierung hat die weibliche Beschneidung offiziell verbannt, nicht wahr?
Dann habe ich die Erlaubnis, dies zu produzieren!» Der andere Beamte erklärte
seinem Kollegen: «Ich denke, er hat Recht.» Strengholt wurde noch drei weitere
Male vorgeladen. «Beim fünften Mal ignorierte ich die Einladung und danach
hörte ich nie wieder von ihnen.»
Priester in
zwei Gemeinden
Nachdem er die
Mediengesellschaft übergeben hatte, bekam Strengholt einen neuen Auftrag: Als
anglikanischer Priester diente er zwei Gemeinden in Heliopolis, einem Bezirk in
Kairo. Er war verantwortlich für eine ägyptische Gemeinde mit 15 Personen, die
auf 50 Mitglieder anwuchs, sowie eine sudanesische Gemeinde mit 200 Mitgliedern,
alles Flüchtlinge, die enorm wuchs und schliesslich 1200 Mitglieder zählte.
Viele von ihnen
benötigten medizinische Hilfe, Nahrungsmittel und Unterkünfte, doch sie konnten
sich das nicht leisten. Dies bewegte Strengholt dazu, eine Wohltätigkeitsorganisation
namens «Nile Valley Foundation» (Niltal-Stiftung) zu gründen, um ihnen zu
helfen. «Wenn eine Person Ressourcen hat, die eine andere Person braucht, fühle
ich mich verpflichtet, für einen Ausgleich zu sorgen», sagt er. «Die Sudanesen
haben eine dunkle Hautfarbe und Ägypter bezeichnen sie deshalb oft als 'Sklaven', wenn sie ihnen auf der Strasse begegnen. Sie sind Ausgestossene in
der Gesellschaft. Deshalb setze ich mich intensiv für sie ein.»
Vor ein paar
Wochen klopften die Eltern eines fünfjährigen sudanesischen Mädchens an seine
Bürotür. Ihr Fuss war so verkrümmt, dass sie nicht gehen konnte. Strengholt: «Es
kostet nur 400 Euro, um ihren Fuss zu operieren, so dass sie gehen lernen kann.»
Und mit einem Grinsen: «Eigentlich sollte es 1'000 Euro kosten, doch hier in
Ägypten handeln wir normalerweise mit dem Arzt.» Ein anderer Flüchtling konnte
nicht laufen, weil eine Kugel in seinem Fuss steckte, die er sich während des
Bürgerkriegs im Sudan zugezogen hatte. «Für 200 Euro konnten wir diese Kugel
entfernen lassen, so dass er wieder gehen konnte. Mit einer relativ einfachen
Operation kann das Leben einer Person wieder auf die richtige Spur gebracht
werden.»