Sie dehnen ihre blutige Spur nach Westen aus: Am letzten
Freitag hat die islamistische Terrorgruppe «Boko Haram» über 300 Jungen aus
einer Schule in Kankara entführt – fast 800 km westlich von ihrem bisherigen
Wirkungsgebiet.
Hunderte Bewaffnete
umzingelten das Internat im nigerianischen Bundesstaat Katsina und eröffneten
das Feuer in einer Region, die noch nie solche Gewalt erlebt hatte. Danach
trieben sie über 300 Jungen in kleinen Gruppen in verschiedene Richtungen tief
in den Urwald. Der Gouverneur des Bundesstaates sprach von 333 entführten
Jungen, während die Schulverwaltung noch 668 Schüler als fehlend meldete.
Boko Haram hat in den letzten zehn Jahren mindestens 36'000 Menschen umgebracht und Millionen vertrieben. Aber
bisher operierte die Terrorgruppe lediglich im Nordosten Nigerias, nahe ihres
Ursprungsgebiets im Tschadbecken.
«Islam
verbreiten»
Ihr Leiter, Abubakar Shekau,
erklärte in einer Audiobotschaft, dass seine Männer die Schule in Kankara
gestürmt hätten, um «westliche Bildung» zu verhindern. «Was wir in Katsina
getan haben, ist, den Islam zu verbreiten und unislamische Praktiken zu
verhindern», erklärte er. Nach Ansicht von Experten will Shekau – selbst unter
den tödlichsten Extremistengruppen weltweit berüchtigt für seine blutrünstigen
Aktionen – die Botschaft aussenden: «Wir entführen eure Kinder nicht nur im
Nordosten, sondern auch im Nordwesten des Landes» – in frappantem Gegensatz zur
Ankündigung von Präsident Muhammadu Buhari, der bereits vor fünf Jahren erklärt
hatte, Boko Haram sei «technisch besiegt». Demnach hatte der Präsident
ursprünglich Banden für die Entführung verantwortlich gemacht, die in der
Region für Lösegeld aktiv sind – bis Shekau am Dienstag die Verantwortung
übernahm.
#BringBackOurBoys
Verzweifelte Eltern verlangten
unter #BringBackOurBoys in sozialen Medien von der Regierung Eingreifen und
Hilfe. Präsident Buhari besuchte offenbar die betroffene Region, seine
Heimatregion, aber nur um seine Kuhherde dort zu besichtigen; er weigerte sich
nach Informationen von «Sahara Reporters» offenbar, die Schule und die Eltern
der Entführten zu besuchen. Die Schulen und Universitäten im Bundesstaat sind
geschlossen.
Die Terrorgruppe verfolgte mit
der Entführung der Jungen die gleiche Strategie wie im April 2014, als sie 276
Mädchen in Chibok entführten, um sie (ab dem Alter von neun Jahren) mit Kämpfern
zu verheiraten und zu islamisieren. Obwohl Dutzende inzwischen fliehen konnten
oder sonstwie frei wurden, verbleiben noch 112 von ihnen in Gefangenschaft.