Zahnarzt Dr. Roland Eisenring und seine Frau Anna-Marie aus
Thun begannen vor 30 Jahren, in ihren Ferien in Zweit- und Drittweltländern
Menschen zu behandeln. Aus diesen privaten Ferien-Einsätzen hat sich bis heute
Ungeahntes entwickelt.
Roland und Anna-Marie Eisenring während einer Behandlung
Im Jahr 1986 reisten
Roland und Anna-Marie Eisenring in ihren Ferien mit einer portablen
Zahnarztpraxis nach Brasilien, wo sie in Slums begannen, Zähne zu behandeln. Diese
Art, ihre Ferien zu verbringen, wurde für das Ehepaar zum Normalfall. In den Jahren darauf ging
es nach Peru, Kasachstan und Indien; sie behandelten Zigeuner in Rumänien, reisten
nach Sibirien und insgesamt achtmal in die Mongolei – alles finanziert aus
eigener Tasche. In der Mongolei unterrichteten sie an der Universität von Ulan
Bator und führten die Zahnprophylaxe ein, die bis dahin im Land unbekannt war.
Sie nahmen Studenten mit – unter anderem in Gefängnisse –, die heute die Arbeit
weiterführen. «Wir haben uns immer von Gott führen lassen, und er hat uns
ungeahnte Türen aufgemacht», erklärt Anna-Marie Eisenring im Gespräch mit
Livenet.
Afrika
2006 begannen sie, nach
Afrika zu reisen. Durch den Koordinator von Mercy Air, Matthias Reuter
(ebenfalls aus der Region Thun), wurden Einsätze in Mosambik möglich. Später kam
Kenia dazu.
Kenia hat sich seitdem
als besonderes Schwerpunkt-Land für ihre Arbeit herausgebildet. Kenia ist 14-mal
grösser als die Schweiz und zählt 46 Millionen Einwohner. Mehr als die Hälfte
der 4,5 Millionen Einwohner der Hauptstadt Nairobi leben in Slums. Die Sendung «Fenster zum Sonntag» vom 5./6. Mai berichtete über die Hilfswerke, die sich
aus den Einsätzen von Roland und Anna-Marie Eisenring in dem ostafrikanischen
Land entwickelt haben.
Im Slum Kawangware in
Nairobi unterstützen sie eine Schule, die mit ihrer Hilfe für Voll- und
Halbwaisen gegründet wurde. Vom Kindergarten bis zur High School werden dort
alle Stufen unterrichtet – insgesamt rund 1'000 Kinder, die inmitten grosser
Armut ihr eigenes Potential entdecken, wertgeschätzt und ausgebildet werden.
Eisenrings Zusammenarbeit mit kenianischen Persönlichkeiten vor Ort entstand
aus Hygiene-Grundkursen, welche Anna-Marie vor zehn Jahren in den Slums
begann.
Visionen vor Ort unterstützen
Roland und Anna-Marie Eisenring mit dem «Fenster zum Sonntag»-Team
«Es ist enorm wichtig,
vertrauenswürdige Leute vor Ort zu haben; sie kennen die Situation und haben
die Vision. Wir unterstützen sie, aber es muss ihr Projekt sein», erklärt Roland
Eisenring die Arbeitsweise. Sie hatten vor sechs Jahren mit Geld aus eigener Tasche
den Kredit aufgebracht, das Land für die Schule zu kaufen. Das Land kostete
umgerechnet 90'000 Franken und die Gebäude 160'000 Franken. «Als wir den
Glaubensschritt gemacht hatten, gingen Türen auf, und das Geld kam immer mehr
zusammen», blicken sie heute zurück.
«Ich hatte einfach den Ruf»
Anna-Marie Eisenring
erklärt, wie sie entscheidet, welche Projekte sie in einer Welt, die vor Not nur
so wimmelt, anpackt und unterstützt: «Ich habe wie einen ganz klaren Ruf von
Gott bekommen, hier nach Kenia zu gehen; wenn ich die Not sehe, kann ich doch
nicht einfach wieder umkehren!» Sie erlebt aber auch: «Manchmal sehe ich etwas
und spüre: Das ist nicht mein Auftrag; dann kann ich es in Ruhe auch sein
lassen.» Ehemann Roland bestätigt: «Das ist ihre grosse Stärke; sie sieht die
Not und erkennt das Potential in einem Menschen, etwas zu verändern. Wir beten
zusammen für eine Situation und erkennen dann, ob und wie wir helfen können.»
Im Gefängnis: Zahnbehandlung und mehr
Eisenrings sind weiter
unterwegs zu einem Gefängnis im Westen von Kenia, wo bereits viele Dutzende von
Gefangenen darauf warten, dass ihre Zähne behandelt werden. Roland Eisenring beschränkt
sich auf Schmerzbehandlung, zieht kariöse Backenzähne und näht Wunden. «Das
Schöne ist, dass diese Behandlung sofort wirkt. Am nächsten Tag ist der Schmerz
weg, und wenn ich ihre lächelnden Gesichter sehe, weiss ich: Das hat sich
gelohnt.»
Eisenrings versuchen, die Menschen nicht nur als Nummern zu sehen,
sondern «jedem einzelnen Gottes Liebe entgegenzubringen». Gefängnisseelsorger Philemon
Rotich besätigt: «Es gibt hier keinen Zahnarzt, der ins Gefängnis kommen würde.
Sie wollen nur Geld verdienen. Und so viele hier haben grosse Zahnschmerzen! Da
ist der Dienst von Eisenrings so ein grosser Segen.» Vor zehn Jahren wurden
Eisenrings offiziell in die Gefängnisse von Kenia eingeladen; seither besuchen
sie diese jährlich.
Philemon Rotich ist von Ehepaar Eisenring motiviert worden, selbst handwerklich
arbeiten zu lernen. Heute leitet er selbst frühere Gefangene an, einfache
Geräte und Gegenstände aus Holz anzufertigen. «Ich kenne schon eine
ganze Reihe aus der Stadt, die jetzt mit dem, was sie hier herzustellen lernten,
ihre Familie ernähren und ihre Kinder zur Schule schicken können», erklärt
Rotich. Auch hier Hilfe zur Selbsthilfe.
In jüngere Hände
Um die wachsende Arbeit
auf mehr Schultern zu verteilen, gründeten Roland und Anna-Marie Eisenring vor
sechs Jahren den Verein «Network Diaspora». «Einen Verein zu gründen, hatten wir
eigentlich nie vor», gibt Roland Eisenring zu, «aber es wurde notwendig, und es
hat sich bestätigt.» Heute geben sie immer mehr Verantwortung für die sechs
Projekte, die «Network Diaspora» unterstützt, in jüngere Hände, wie Anna-Marie
Eisenring erklärt: «Junge Leute wollen Verantwortung übernehmen, und wir sind ja
auch nicht ewig da.» Diaspora bedeutet «hineinsäen» – und genau das tun
Eisenrings seit über 30 Jahren: mit Folgen, die sie sich bei ihrem ersten
Einsatz 1986 in den kühnsten Träumen nicht vorstellen konnten.