Italiens Christen in Aktion

Erstes evangelisches Netzwerk macht sich gegen Menschenhandel stark

«Der Kampf gegen die Ungerechtigkeit der kommerziellen sexuellen Ausbeutung ist nicht nur physisch, sondern auch geistlich!» Davon ist Erika Tello überzeugt – und gründete deswegen das erste evangelische Netzwerk Italiens gegen den Menschenhandel, der im Land boomt. Bereits sind einige Werke und lokale Gemeinden aktiv, doch Tello hofft auf einen starken Wachstum des Netzwerkes.
Mitglieder der «Alleanza Tesori Raggianti»
Erika und Jonatan Tello

Italien gehört zu den Ländern Europas, in denen die Sex-Industrie am stärksten boomt. Seit über 50 Jahren ist Prostitution dort legal und dies wird auch ausgenutzt: Laut einer Studie haben 45 Prozent aller Männer mindestens einmal pro Jahr bezahlten Sex. Dies ist natürlich auch ein starker Anziehungspunkt für den Menschenhandel, etwa 125'000 Menschen werden in Italien sexuell ausgebeutet. EU-weit gibt es hier die höchste Zahl von Opfern des Menschenhandels, die mehrheitlich aus Nigeria und Rumänien kommen in der Hoffnung, hier ein besseres Leben zu finden, aber letztlich in der Sex-Industrie gefangen enden.

«Schätze»: wert, gesucht zu werden

Während es von staatlicher und katholischer Seite her bereits Initiativen gegen den Menschenhandel gibt, waren die evangelischen Kirchen bisher eher passiv. Doch Aktivität unter evangelischen Christen ist unbedingt nötig, findet die US-Amerikanerin Erika Tello, die seit drei Jahren mit ihrer Familie in Italien lebt und arbeitet. «Uns ist bewusst, dass die Opfer unter einem schweren psychischen, emotionalen und physischen Trauma leiden, welches ihre Person und ihr Verhalten stark beeinflusst und behandelt werden muss. Aber wir glauben auch, dass echte Freiheit und Heilung nur dann gefunden wird, wenn die 'Schätze' zu Christus aufschauen und sich seiner rettenden Gnade und seiner Macht anvertrauen.»

So gründete sie mit ihrem Mann die «Alleanza Tesori Raggianti», das «Netzwerk der strahlenden Schätze». Denn «Schätze», so werden in ihrem Netzwerk die Opfer des Menschenhandels genannt: «Ein Schatz ist von Natur aus wertvoll, wunderschön und wert, gesucht zu werden. Wir glauben, dass die Opfer der kommerziellen sexuellen Ausbeutung verborgene Schätze in der dunklen Welt der Sex-Sklaverei sind. Sie wurden in Gottes Ebenbild geschaffen, sind von ihm geliebt und sind es wert, gesucht zu werden!»

Praktische Hilfe und Aufklärung

Die Mitglieder des Netzwerkes arbeiten bisher hauptsächlich daran, in Gemeinden und unter Christen über das häufig unbekannte Problem und Hilfsmöglichkeiten zu informieren. Aber einige gehen bereits auf die Strassen, um Prostituierten Essen und Trinken anzubieten, evangelistisches Material zu verteilen und die «Schätze» wissen zu lassen, dass es Ausstiegsmöglichkeiten gibt und dass sie durchaus Rechte haben. «Dank unseres Netzwerkes konnten einige Werke bereits 'Schätzen' helfen, nach Hause zurückzukehren, wenn dort zuverlässige Unterstützung auf sie wartet, oder sie konnten ihnen helfen, einen Neuanfang in Italien zu starten, indem sie eine Zeit in einem Frauenhaus verbrachten, unterstützt von einer lokalen Gemeinde.»

Bisher ist das Netzwerk noch recht klein. «Die einzelnen Werke innerhalb unseres wachsenden Netzwerkes befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Alle sind noch relativ klein, mit nur einer Handvoll Christen, die sich einbringen, aber einer grossen Menge an Leidenschaft.» Dies liegt wohl auch daran, dass die evangelische Kirche in Italien insgesamt noch recht klein ist.

Gegenseitige Ergänzung

Doch genau hierin liegt die Stärke des Netzwerkes: «Unser Fokus liegt nicht darauf, dass alle das gesamte Übel des Menschenhandels bekämpfen, sondern darauf, ein Netzwerk evangelischer Werke zu bilden, dass gemeinsam viel mehr schafft, als wenn jedes Werk alleine arbeitet.» Es geht darum, sich gegenseitig zu ergänzen, miteinander und füreinander zu arbeiten.

Auch die lokalen evangelischen Gemeinden sollen hier mit involviert werden. Hier erwartet das Kernteam des Netzwerkes, dass die Gemeinden ihre Mitglieder schulen und auf die Strasse schicken, um dort Kontakt zu den Opfern aufzunehmen. Zudem ist die Hoffnung, dass die Gemeinden Orte schaffen, an denen Opfer, die aussteigen möchten, sicher leben und einen Neuanfang machen können. «Wir glauben, dass lokale Gemeinden als christuszentrierte Gemeinschaft eine unheimlich wichtige Rolle für die Opfer des Menschenhandels spielen, welche die Liebe Christi so nötig haben. Diese wird ihnen durch die Kirchen gezeigt, wenn sie als Hände und Füsse von Jesus handeln.»

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Datum: 17.07.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Evangelical Focus

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