Wiederaufbau und Reformen

Koptische Christen heilen ihre Wunden

Während neu Militär und Polizei zum Angriffsziel von islamistischen Extremisten geworden sind, können sich die koptischen Christen an den Wiederaufbau ihrer zerstörten Kirchen machen und Reformen an die Hand nehmen.
Insgesamt wurden 80 koptisch-orthodoxe, aber ebenso evangelische und katholische Gotteshäuser gestürmt, geplündert und niedergebrannt. 48 davon will die ägyptische Armee auf Staatskosten wiederherstellen.

In Ägypten ist zwar kein Ende der Anschläge politislamischer Terroristen abzusehen. Diese haben aber ihre Angriffsziele von christlichen Kirchen auf Militär und Polizei verlagert. Erst Mitte März wurden wieder sechs Soldaten aus dem Hinterhalt erschossen – mitten in Kairo. Die Verantwortung übernahmen wie immer zuletzt die Ansar Beit al-Mukaddess, die «Verteidiger des Heiligen Hauses» – das ist der volle islamische Name für Jerusalem. Wenn sie nun auch ins Niltal und in Ägyptens Grossstädte vorgestossen sind, ist das nur mit Unterstützung der dortigen Muslimbrüder möglich geworden. Seit ihrem Verbot verschleiern diese die Urheberschaft oder zumindest Mitverantwortung bei den anhaltenden Terrorakten.

Doch jetzt können wenigstens die koptischen Christen etwas aufatmen und den Wiederaufbau ihrer 2012/13 zerstörten Kirchen, Klöster und Schulen an die Hand nehmen. Insgesamt wurden 80 koptisch-orthodoxe, aber ebenso evangelische und katholische Gotteshäuser gestürmt, geplündert und niedergebrannt. 48 davon will die ägyptische Armee auf Staatskosten wiederherstellen. In der am stärksten verwüsteten Bischofsstadt Minya am mittleren Nil haben diese Bauarbeiten schon vor Wochen begonnen, so dass Ostern zumindest in Rohbauten und nicht auf der Strasse gefeiert werden kann.

Das Ausmass der übrigen Schäden an koptischen Gebäuden wird auf 65,5 Millionen ägyptische Pfund geschätzt, das sind umgerechnet an die 8,5 Millionen Franken. Dafür hat die Sonntagszeitung «Watani» (Patriot) schon letzten September eine Spendensammlung ins Leben gerufen. Lag das Anfangsergebnis zum Jahreswechsel nur knapp über einem Hundertstel der benötigten Summe, so nehmen die Eingänge seither sprunghaft zu. Zu Ostern wird den betroffenen Kirchgemeinden, aber auch Familien, denen ihr Ernährer ermordet wurde, ein erster Teilbetrag ausbezahlt.

Die beginnende Konsolidierung der ägyptischen Christenheit bleibt aber nicht auf Wiederaufbau und finanzielle Wiedergutmachung beschränkt: Die koptische Orthodoxe Kirche hat sich ein neues Statut gegeben. Darin wird die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht in allen Gremien und auch bei der Patriarchenwahl von 35 auf 20 Jahre herabgesetzt. Soll das zur Verjüngung der Kirche führen, so erhält auch die koptische Diaspora ein Mitbestimmungsrecht in allen Angelegenheiten. Sie macht inzwischen in Europa und Übersee schon ein Viertel aller Kopten aus. Sie ist aufgeschlossener und reformfreudiger als die recht konservative Mutterkirche am Nil, konnte aber bislang kaum mitbestimmen.

Datum: 17.03.2014
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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