Vor den Wahlen in Kenia

Scharia wächst im Massai-Staat

Am 4. März besetzt Kenia in einem Wahlmarathon Präsidium, Parlament und weitere Ämter neu. Wegen wachsendem Druck und mehreren Anschlägen findet sich die Nation erstmals auf dem Weltverfolgungsindex. Vermehrt tagen Scharia-Gerichte. Der wachsende Einfluss des Islam gründet unter anderem auf dem Einfluss der somalischen Al-Shabaab. Vertreiben lassen wollen sich die Christen aber nicht.
Kenia vor den Wahlen

Die Augen der Welt richten sich nach Kenia, wo am 4. März ein Wahlmarathon wartet, unter anderem werden Präsident, Parlamentsmitglieder, Senatoren und Gouverneure gewählt. «Es ist ein wegweisender Moment, denn erstmals wird unter der neuen Verfassung gewählt, dies beinhaltet viele neue Strukturen und Posten», erklärt der Open-Doors-Koordinator der Region, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte.

Wegen den Gewaltausbrüchen bei den letzten Wahlen halten Beobachter den Atem an. Damals, 2007, starben mehr als 1'000 Menschen in den Unruhen.

Scharia auf dem Vormarsch

Politische Instabilität in der Region, dazu der wachsende Einfluss der Al-Shabaab weckt grosse Besorgnis über die künftige, religiöse Atmosphäre im Land. Islamische Familiengerichte tagen nach Scharia-Grundsätzen, dies mittlerweile in allen Bezirken, auch in solchen mit geringer, muslimischer Präsenz. Bereits ist zu befürchten, dass in mindestens zehn der Landkreise mit höherer muslimischer Repräsentation versucht wird, das Scharia-Gesetz zu implementieren und womöglich sich vom Rest des Landes abzuspalten, in dem eine christliche Mehrheit lebt. Im Jahr 2011 setzte die islamische Minderheit bereits eine Verfassungsänderung durch, die unter anderem Scharia Gerichte für zulässig erklärt. Es wird befürchtet, dass dieselben Gruppierungen die offizielle Einführung der Scharia in hauptsächlich von Muslimen bewohnten Landesteilen einfordern könnten; dies würde in diesen Gegenden auch die Abspaltungsbestrebungen vom Rest des Landes verstärken.

2013 findet sich Kenia erstmals auf dem Weltverfolgungsindex. Verschiedene Übergriffe auf Christen und Kirchen sowie erhöhte Unsicherheit in mehreren Gegenden resultieren darin, dass das Land nun Rang 40 auf dem Index belegt. Kenia taucht inzwischen unter den Ländern auf, in denen Christen «moderat verfolgt» werden.

Pastoren gezielt getötet

Zuletzt ist die Feindseligkeit gegenüber Christen gewachsen. So eröffneten Unbekannte am 7. Februar in der Stadt Garissa das Feuer auf zwei Pastoren. Der eine, Abdi Welli Ahmed, eine bekannte christliche Persönlichkeit, war sofort tot, während Ibrahim Makunyi schwer verletzt im Spital eingeliefert wurde. Welli hinterlässt seine Ehefrau und drei Kinder.

Garissa ist die Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes im Osten Kenias, der an Somalia grenzt. In dem muslimisch geprägten Gebiet befindet sich auch eines der grössten Flüchtlingslager der Welt. Bewohnt wird es hauptsächlich von somalischen Flüchtlingen, die vor dem Bürgerkrieg aus ihrem Heimatland geflohen sind. Doch die islamistische Al-Shabaab-Miliz ist auch hier aktiv. Seit dem Vorgehen der kenianischen Armee gegen die Gruppierung im vergangenen Jahr, ist es mehrfach zu gezielten Anschlägen gegen Christen gekommen. So wurden bei einem Attentat auf eine Kirche in Garissa im vergangenen Juli 18 Menschen getötet. Auch Abdi Welli hatte bereits mehrfach Morddrohungen erhalten. Der ehemalige Muslim hatte sich dadurch jedoch nicht von seinem christlichen Dienst abhalten lassen.

Tiefer Hass auf die Christen

Die Lage der Christen Kenias ist schwieriger geworden. Nachdem Unbekannte Ende August den Scheich Aboud Rogo (47) niedergeschossen hatten, wurden Christen zur Zielscheibe von Attacken. Nicht weniger als fünf Kirchen wurden in Mombasa niedergebrannt. Der nationale Kirchenrat NCCK verurteilte die Attacken. Generalsekretär Canon Peter Karanja: «Wir verstehen absolut nicht, wie die Angreifer die abscheulichen Mörder von Aboud Rogo mit den Kirchen und unschuldigen Kenianern in Verbindung bringen.» Dies sei ein Zeichen von tiefem Hass auf die Christenheit.

Der kontroverse Kleriker wurde von der Polizei oft verdächtigt, eine führende Rolle der Al-Shabaab in Kenia einzunehmen, jener Terror-Kraft, die Somalia seit etlichen Jahren in ein heilloses Chaos stürzt. Rogos Predigten wiegelten auf, zum Hass gegen «Ungläubige». Die Al-Shabaab nistet sich in der Grenzregion ein, da dieses Gebiet riesig ist und das kenianische Militär nicht alles kontrollieren kann. Das destabilisiert die Gegend.

Eingangs Juli unterstützte er die Angriffe auf zwei Kirchen, in denen 17 Christen starben. Er rechtfertige die Tat damit, dass die Anwesenheit von Christen in der Region eine tödliche Sache sei, der sich die Muslime entgegenstellen müssten. Als verurteilte, als christliche und muslimische Führer zusammenstanden: «Kirchen in muslimischem Territorium repräsentieren eine widerwärtiges Bremsen der Muslime, gegen das entschiedene Muslime aufstehen müssen. Folglich ist das Töten von 17 Menschen zu wenig.»

Tod in Sonntagsschule

Das Grauen kam am 30. September 2012. Wenige Wochen nach dem Mombasa-Massaker mit 17 Toten traf ein erneuter Terror-Akt die Christenheit Kenias mit voller Wucht. Eine Granate wurde mitten in eine Sonntagsschulklasse gefeuert. Der neunjährige Junge John Ian Maina starb. Neun weitere Kinder wurden verletzt. Der Täter wird verdächtigt, den somalischen Al-Shabaab-Islamisten nahezustehen, die Somalia ins Elend stürzen. Seit mehreren Jahren versuchen Muslime, die Christen einzuschüchtern und das Grundstück an sich zu reissen. Manche schreiben die Tat auch dieser Gruppe zu.

Nicht vertreiben lassen

Vertreiben lassen wollen sich die Christen nicht. Eine Woche nach der Attacke feierten Gläubige einen Gottesdienst im Gebäude, in dem die Einschusslöcher noch in der Wand zu sehen waren und Granatsplitter im Dach steckten. Christen aus verschiedenen anderen Kirchen kamen, um ihr Mitgefühl auszudrücken. Pastor Kaleli: «Euer Erscheinen beschämt den Teufel. Er dachte, er hätte uns mit lähmender Furcht getroffen. Aber nein. Gemeinsam sagen wir, dass wir hier sind. Und Gott sei Dank: Wir sind hier, um zu bleiben.»

Der grösste Teil Kenias ist vorwiegend christlich, ausser im muslimischen Nordosten, nur etwa zehn Prozent der Kenianer zählt sich zum muslimischen Glauben.

Datum: 02.03.2013
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Open Doors

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