Kommentar: Feiern in Grün

Tripolis in grün: Dekoration zur Revolutionsfeier. (Bild: Motohiro Sunouchi)

Der kleine Streit am Rand von Gaddafis 40-Jahr-Jubiläum mag als Symbol dienen: Italiens Kunstfliegerstaffel „Frecce tricolori", für die Revolutionsfeiern engagiert, sollte zu Ehren des Jubilars (und des Islam) beim Überflug nur grünen Rauch ausstossen, nicht auch weissen und roten, wie von der italienischen Flagge und Silvio Berlusconi vorgegeben.

Der selbstherrliche „Führer, Fuchs und Weltverbesserer" (NZZ) inszeniert mit seinen Erdölmilliarden unablässig Spielchen, bei denen alle anderen als Statisten aussehen, vereinnahmt oder gedemütigt werden. Als die Afrikanische Union ihn für ein Jahr zum Vorsitzenden wählte, beanspruchte er den Titel „König der Könige".

Väter und Söhne

Gaddafis exzentrische Sprunghaftigkeit hebt ihn von anderen Potentaten ab, doch ist keine orientalische Herrschaft transparent und wirklich berechenbar (so sehr wir uns das wünschen und in Zeiten der Globalisierung glauben möchten). Die grüne Religion entstand am Schnittpunkt von Beduinen- und Händlerkultur. Gaddafis ‚Jubiläum' gibt Anlass zur Frage, ob sie bald 1400 Jahre später Ansatzpunkte für die nachhaltige Befreiung von Willkürherrschaft bietet.

In der arabischen Welt wird politische Stabilität vorzugsweise durch dynastische Nachfolge gesucht; bemerkenswerterweise taten und tun dies auch die an die Herrschaft gelangten Offiziere in Syrien, Irak, Ägypten und im „Volksmassenstaat" Libyen. Unter ihrer Fuchtel können allein Islamisten agieren. Sie leiten den Durst von Muslimen nach Umwälzung und Freiräumen auf ihre Mühle, was westliche Regierungen dazu verleitet, die Herrscher als das geringere Übel zu stützen.

Geschäftliche Interessen?

Der Jubilar in Tripolis hat Blut an den Händen. Die Abhängigkeit von Libyens Erdöl ist so rasch nicht zu beenden; doch andere geschäftliche Interessen sollten nicht weiter verfolgt werden. Schweizer Unternehmen können ihr Geld anderswo verdienen, wo Korruption sich nicht mit derart menschenverachtendem Gehabe paart. Dann kann sich die Regierung in Bern wieder den eigentlichen Herausforderungen zuwenden.

 

Datum: 03.09.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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