Uganda: Beter führten im Bürgerkrieg die Wende herbei

Kinder warten aufs Essen im Gusco Center in Gulu. Sie wurden bisher von der LRA zum Einsatz mit Waffen gezwungen.
Yoweri Museveni
Joseph Kony
Karte von Uganda.
John Mulinde im Sommer 2006 in Thun.

Dem Sieg über die Rebellen der „Lord’s Resistance Army“ im Norden Ugandas liegt ein geistlicher Durchbruch zugrunde. Dies sagt der bekannte ugandische Gebetsleiter John Mulinde. Im Norden Ugandas, der 20 Jahre von den Rebellen terrorisiert worden war, boomt die Hoffnung.

Man stelle sich vor, die gesamte Bevölkerung des Kantons Zürich – über eine Million Menschen – würde aus ihren Häusern vertrieben und müsste jahrelang fern ihres Wohnorts überleben. Dies ist (unter anderen klimatischen Voraussetzungen) in Uganda geschehen. In den 80er Jahren machte sich die Lord’s Resistance Army (LRA) unter Führung von Joseph Kony im Norden des Landes breit. „Die Rebellen haben aus Knaben Killermaschinen gemacht und Mädchen als Sexsklaven ausgebeutet. Während 20 Jahren haben die Kinder im Norden nicht zur Schule gehen können“, sagt John Mulinde im Gespräch mit Livenet. Frauen wurden vergewaltigt, Dörfer und Städte angegriffen und geplündert, Zivilisten wahllos getötet, viele verstümmelt, die Infrastruktur zerstört. Die Angst vor Attacken veranlasste schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen zur Flucht in die Städte und in Camps, wo sie notdürftig hausten.

Frieden durch Amnestie oder Anklage?

Nun blüht die Hoffnung auf Frieden. Nach 2005, infolge des Friedensschlusses im Südsudan, knickten die lange von Khartum unterstützten LRA-Rebellen ein. Manche Kämpfer desertierten; nach Berichten hält sich ein Rest in der Zentralafrikanischen Republik auf. Die LRA-Kommandeure sind vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt worden; dagegen hofft die ugandische Regierung, ohne Völkermord-Anklagen eher zur erwünschten Versöhnung im Norden des Landes zu kommen. Präsident Museweni hat den Rebellenchefs eine Amnestie angeboten. Die noch nicht abgeschlossenen Friedensverhandlungen nähren die Hoffnung; mehrere 100'000 Vertriebene sollen bereits in ihre verwüsteten Dörfer zurückgekehrt sein. „Niemand will, dass das Leiden weitergeht“, sagt Mulinde. „Aber was ist Gerechtigkeit nach all den Gräueln?“ Die meisten Ugander befürworteten ein Verfahren gegen die führenden Rebellen, doch vor allem wollten sie eines: Frieden.

Joseph Konys Trinität

Vor der LRA hatte in Norduganda die Geistheilerin Alice Lakwena, eine ältere Cousine von Joseph Kony, eine Rebellion angeführt. Ihre „Heiliggeist-Bewegung“, die um 1985 um sich griff, war von okkulten und Zauberpraktiken bestimmt: Lakwena versprach ihren Kämpfern, wenn sie sich mit Öl beschmierten, würden sie unverletzbar. „Und die Leute glaubten dies.“ Bevor die Christen der Bewegung mit Gebet entgegentraten, konnte sie einige Siege gegen die Armee feiern, sagt Mulinde. Wenig später trat Joseph Kony auf. Um seinen Herrschaftsanspruch zu begründen, bildete er eine neue Trinität: Sein Vater galt als Gott Vater, er selbst wollte Messias sein, Alice Lakwena der Heilige Geist. Heute, erzählt John Mulinde, lebt Alice Lakwena als Flüchtling in Kenya. „Ihre Mutter hat ihr Leben Jesus Christus übergeben.“

Christen nicht landesweit geeint

Viele Jahre beteten die Christen in Uganda für ein Ende der Gräuel im Norden des Landes. „Aber lange unternahmen wir nichts, um der Sache auf den Grund zu gehen.“ Dies hat für Mulinde seine Ursache auch darin, dass die Bevölkerung im Süden des Landes, von den britischen Kolonialherren einst bevorzugt, unter Diktator Idi Amin (1971-79) von Soldaten aus dem Norden terrorisiert worden war. Die Christen des Landes kamen nicht geeint vor Gott.

Die Vision des Obersten

Aber im Jahr 2002, erzählt Mulinde, „sprach Gott zu verschiedenen Leitern, dass sie eine Zeit des Gebets mit Fasten ausrufen sollten“. Sie erfuhren, dass ein Oberst der Armee eine Vision gehabt hatte. „Gott sagte ihm, der Krieg könne nur beendet werden, wenn das Gebet Priorität bekomme und auch die Soldaten Gott um seine Hilfe bitten würden.“ Der Staatspräsident Museweni, davon informiert, gab seine Einwilligung. Mitten in der Fastenzeit, welche die Gebetsleiter ausgerufen hatten, reisten drei Gebetsleiter mit einem Team von 40 Betern nach Gulu. Im Stadion der Stadt im Norden, mitten im Bürgerkriegsgebiet, führten sie mit Soldaten ein Wochenend-Gebetsseminar durch, in dem sie auch über die Folgen von Götzendienst lehrten.

Bindende Bündnisse

Mulinde führt die Stärke der LRA unter anderem auf den Segen zurück, den Kony von Ältesten seines Stamms und Kirchenleuten – und daneben von Zauberern – erhalten hatte. Nachdem er seinen Herrschaftsanspruch mit diesen Bündnissen gefestigt hatte, begann er Opferrituale durchzuführen. Auch Menschen wurden geopfert, sagt Mulinde. Die Verpflichtung, die die führenden Männer in der Region Kony gegenüber eingegangen waren, band sie und verhinderte ein Ausscheren.

Das Ja des Präsidenten

Im Gebetsseminar im Stadion legten die christlichen Leiter dar, dass Jesus stärker als diese Bindungen ist und als aufgrund seines eigenen Opfers Erlösung, Befreiung anbietet. Die teilnehmenden Soldaten und Zivilpersonen wurden aufgerufen, sich selbst von der dunklen Macht dieser Bündnisse zu lösen. „Etwa 4000 Personen übergaben ihr Leben dem Herrn Jesus Christus.“ Präsident Museweni, der sich ebenfalls in Gulu aufhielt, liess sich von einem der Pastoren das Ringen zwischen göttlichen und finsteren geistlichen Mächten erläutern. Ihm leuchteten die Darlegungen umso mehr ein, als regelmässig die Armee zurückgeschlagen wurde, wenn sie Orte angriff, an denen Opferungen stattgefunden hatten.

Stätte um Stätte

Der wichtigste Kultort Konys befand sich in Awere Hills. Der Pastor bat den Präsidenten im Gespräch, den Betern eine Eskorte für einen Vorstoss dorthin zu geben. Nur mit einem Sieg über die dort wirkenden finsteren Mächte würde die Wende im Bürgerkrieg möglich. Nach einem Gespräch mit Generälen wurde die „Operation Gideon“ beschlossen. Einige Monate später suchten christliche Teams sämtliche bekannten Opferstätten auf und banden die finsteren Mächte im Namen von Jesus Christus. Laut Mulinde erkannten dabei viele Zauberer und auch die Mütter von Lakwena und Kony die Übermacht von Christus an.

Auch das Wasser wird geheilt

Schliesslich näherten sie sich Awere Hills. „Die Soldaten führten sie hin, aber wagten sich selbst nicht an die Kultstätte – zu viele ihrer Kameraden hatten da den Tod gefunden.“ Die Christen stellten sich auf, beteten für eine Reinigung des Ortes und salbten das Water, das als giftig galt. Einer der Gebetskämpfer empfing ein prophetisches Wort, wonach das Wasser geheilt war. Er sprang sogleich hinein und trank davon. Als weitere ihm folgten, eilten die Soldaten, die die Szene beobachtet hatten, herbei. Sie erkannten Christus als den Herrn an und liessen sich gleich taufen.“ Laut Mulinde gibt es ein Video, das diese Geschehnisse festhält.

Der Bann ist gebrochen

Der Vorstoss der Christen (hinter denen im ganzen Land Tausende von Betern standen) brachte die Wende. Wie ein später verhafteter Brigadeführer Konys bezeugte, rief der LRA-Chef nach der Reinigung von Awere Hills seine Kommandeure zusammen. Er sagte, die Geister seien davongerannt – und kehrten nicht mehr zurück. Von da an, resümiert Mulinde, operierten die LRA-Rebellen ohne Glück. Wenn sie einen Hinterhalt legten, wurden sie aufgegriffen. Später erlaubte die Regierung Sudan der ugandischen Armee, die Rebellen auch auf seinem Staatsgebiet zu jagen. Bei einem solchen Unternehmen wurden 300 entführte Frauen und viele Kinder befreit. Nach dem Friedensschluss zwischen Khartum und der südsudanesischen SPLA konnte diese der ugandischen Armee im Kampf gegen die (zuvor von Khartum unterstützte) LRA beistehen. 2006 flüchtete Kony in die Demokratische Republik Kongo.

Datum: 29.05.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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