Koptische Kirche

Vorerst kein Dialog mit Juden mehr!

Bei seinem Besuch der koptischen Gemeinden in Jordanien hat Papstpatriarch Schenudah III. von Alexandria den Dialog mit dem Judentum aufgekündet. Seine Kirche wolle das Gespräch mit den anderen Christen und dem Islam fortsetzen, mit den Juden könne es jedoch keinen Dialog mehr geben, solange Israel jede Lösung der Jerusalemfrage verweigere.
Schenudah III

Die koptische Kirche ist in der Heiligen Stadt stark präsent, glaubt sich aber von den Israelis zugunsten der Äthiopier benachteiligt. Dabei geht es um Besitzrechte an der Grabeskirche und Klöster in der Altstadt.

Vom Kirchenvater zum Gegenkonzil

Ihre Belastung mit religiösem Antijudaismus reicht bei den Christen Ägyptens bis auf den Kirchenvater Kyrillos von Alexandria zurück. Die in dessen "Osterbriefen" ausgesprochene judenfeindliche Haltung hat in zahlreichen liturgischen Texten, besonders für die Karwoche, ihren Niederschlag gefunden. Regelrechter Antisemitismus flammte aber erst vor etwa hundert Jahren am Suezkanal auf: In die neu aus dem Wüstensand erstandenen Städte zogen sowohl Kopten wie - vor den Pogromen des zaristischen Russlands geflohene - Ostjuden. Dort kam es in Ismailia zu den ersten antijüdischen Ausschreitungen im bis dahin eher toleranten modernen Ägypten, bei denen sich nicht etwa Muslime, sondern koptische Christen hervortaten.

Nach der Gründung Israels fiel es der Kairoer Kirchenführung daher leicht, dem Diktator Nasser ihre "antizionistische" Regimetreue zu beweisen: Als Antwort auf die "Judenerklärung" des II. Vatikanums versammelte 1964 der koptische Papstpatriarch Kyrollos VI. ein "Gegenkonzil", das jede christlich-jüdische Annäherung verdammte. Als die Kopten versuchten, diese Linie auf einer Versammlung aller altorientalischen Kirchen in Addis Abeba auch den Äthiopiern, Syrianern und Armeniern aufzudrängen, erlitten sie jedoch Schiffbruch.

Kardinal König belehrte Schenudah III.

Ganz im antijüdischen Ungeist wirkte aber in Ägypten - zunächst an der Seite seines Patriarchen - der junge Bischof Schenudah: Schliesslich hatte er 1948 als Offizier im Krieg gegen die Israelis gekämpft. Das wandelte sich erst unter dem Einfluss von Kardinal Franz König, der Schenudah 1971 zum ersten Mal nach Österreich einlud. Dort wurde dieser angesichts des herrlichen Barockstifts von Melk durch seinen Ausspruch bekannt: "Zu viele Fenster, zu wenig Mönche". König konnte ihm aber vor allem mehr Verständnis für das Judentum beibringen.

Als Schenudah Ende des gleichen Jahres zum "Papst und Patriarchen von Alexandria und ganz Afrika" gewählt wurde, rückte er langsam von dem antijudaistischen Erbe seiner Kirche ab. Das fand nicht nur in einem Gesinnungswandel, sondern auch durch Ausmerzen der judenfeindlichen Aussagen in der koptischen Liturgie seinen Niederschlag.

Jetzt kehrt der über 80-jährige Schenudah aber zum Antijudaismus seiner Vorgänger zurück. Kirchliche Beobachter in Kairo bringen das mit Vorwürfen der ägyptischen Islamisten - aber auch von Regierungskreisen - in Zusammenhang, die den Kopten eine proisraelische Haltung zu unterstellen versuchen.

Gerade seit dem Kongress der koptischen Diaspora vom September 2004 in Zürich, der auf die Diskriminierung, ja oft offene Verfolgung der ägyptischen Christen unter Präsident Mubarak hingewiesen hat, mehrten sich am Nil in der staatlich gelenkten Presse Kommentare, die jede Forderung nach mehr Religionsfreiheit als indirekten Dienst an Israels Interessen anprangerten. Diesen Attacken versucht nun Patriarch Schenudah III. mit seinem Rückzug vom christlich-jüdischen Dialog den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Datum: 29.06.2005
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Kipa

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