Ägypten

Koptische Christen demonstrieren gegen Zwangsbekehrungen

Nach einer Woche nie dagewesener Demonstrationen, mit denen die ägyptischen Kopten auf ihre Diskriminierung und immer schlimmere Übergriffe radikaler Islamisten aufmerksam gemacht haben, ist jetzt wieder relative Ruhe eingekehrt.
Die Kopten: Christen in Ägypten.

In allen Kirchen riefen die koptischen Priester ihre Gläubigen zu Ruhe und Besonnenheit auf. In den letzten Tagen war es zu schweren, teilweise blutigen Zusammenstössen mit der Polizei gekommen, von der die Christen daran gehindert wurden, bei ihren Kundgebungen kirchlichen Boden zu verlassen und auf die Strassen zu gehen. Demonstrationen in der Öffentlichkeit sind in Ägypten notrechtlich verboten.

Nicht aus der Welt geschafft sind damit die Ursachen dieses vehementen Aufbegehrens der koptischen Christen, die mit etwa 12 Millionen Gläubigen ein Fünftel der ägyptischen Bevölkerung bilden. Einerseits ging es um den Fall der Frau eines angesehenen Priesters im Nildelta, die seit Wochen verschwunden war und nun in einem muslimischen Haushalt in Kairo aufgespürt werden konnte.

Das Verschwinden der Pfarrersfrau

Die 47jährige Konstantina Wafaa galt als vorbildliche Gattin von Abuna Josef, dem Pfarrer des Dorfes Abul Matamir südöstlich von Alexandria. Die gelernte Apothekerin erarbeitete seit Jahren die gemeinsame Lebenshaltung und die medizinische Betreuung ihres Mannes, der unter immer schwerer Zuckerkrankheit litt und schliesslich an beiden Beinen amputiert werden musste. Plötzlich verschwand sie. Zuletzt wurde sie bei ihrem Arbeitgeber gesehen, einem islamischen Apotheker in der benachbarten Stadt Damanhur. Erst jetzt zeigten sich Spuren in Kairo, wo Konstantina als Nebenfrau eines anderen Muslims auftauchte.

Pfarrer Josef sprach darauf von Entführung, Zwangsislamisierung und Zwangsverheiratung seiner Frau. Als er sich an die Polizei wandte, erklärte ihm diese, seine Frau habe ihn freiwillig verlassen, ebenso freiwillig den Islam angenommen und sei als dritte gleichzeitige Frau ihrem neuen Mann nach Kairo gefolgt. Das war sogar für die sonst so geduldigen und schicksalsergebenen Kopten zuviel: Sie demonstrierten tagelang, bis Konstantina Ende letzter Woche ihre neue Bleibe verliess und in einem koptischen Kloster Zuflucht nehmen durfte.

Patriarch Schenudah III, geistliches Oberhaupt der koptischen Christen, traf mit ihr zusammen, wollte aber aus Gründen verständlicher Diskretion keine Angaben darüber machen, was wirklich vorgefallen war. Ägyptens islamistische Medien und auch ein Teil der Regierungspresse bezweifelten darauf sofort, dass die Frau wirklich entführt und zu allem weiteren gezwungen worden sei. Es handle sich in Wahrheit um eine Liebesgeschichte zwischen Konstantina und einem attraktiven Muslim.

Spitze des Eisbergs

Wie dem auch sei: Bei diesem besonders stark und breit bekannt gewordenen Fall handelt es sich nur um die Spitze eines Eisbergs: Der Raub von Mädchen und Frauen, ihre gewaltsame Islamisierung und Verheiratung ist gerade in Oberägypten an der Tagesordnung, seit dort die Islamistenbewegung „Takfir wa al-Hedschra“, zu Deutsch „Sühne und Weltflucht“, schon 1974 damit systematisch begonnnen hatte.

Parallel dazu wird zunehmend auf die gesamte koptische Bevölkerung - die am oberen Nil noch um die 60 Prozent beträgt - Druck ausgeübt, sich zum Islam zu bekehren. Neuestens auch von offizieller Seite. Wie der Metropolit von Assiut, Michail Mitjas al-Makari, anklagt, bietet der regionale Parteichef des ägyptischen Regierungspartei NDP, Muhammad Abdel Mohsen, arbeitslosen oder sonst in Not befindlichen Christen eine Beschäftigung, Geld oder einen Platz im Altersheim, wenn sie zum Islam übertreten. Diese Praxis ist die zweite Ursache für die noch nie so massive Unrast unter den koptischen Christen in Ägypten.

Die angesehene Wochenzeitung “Middle East Times”, die kürzlich von den Ereignissen und ihren Hintergründen berichten wollte, konnte schliesslich nur mit dem Hinweis erscheinen, dass der geplante Artikel der Zensur zum Opfer gefallen ist. Nach den Bedingungen des Ausnahmezustands, der in Ägypten seit 23 Jahren ununterbrochen herrscht, kann der staatliche Zensor eingreifen, wenn es um Berichterstattung von Diskriminierung und Verfolgung der koptischen Christen geht.

Zum Dossier: Ägypten

Datum: 16.12.2004
Quelle: KIPA

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