„Wo war euer Gott?“ Fragen und Hoffnungen im Südsudan

„Der Westen muss uns helfen. Aber nicht lange“: Rachel Nyadak
Sudan - innere Not und Fragen
Was bringt der Draht zum Westen dem Südsudan? Rachel Nyadak an der Synode von mission 21 in Basel
Hände

Die Aussicht auf Frieden im Südsudan beflügelt Rachel Nyadak. Sie sucht Frauen aufzurichten, zu sammeln und im christlichen Glauben zu stärken. Im Bürgerkrieg hat sie ihren Mann verloren; die fünf Kinder leben in Kenia.

Rachel hat in den letzten Jahren Frauenarbeit unter extremen Bedingungen betrieben. „Es kann sein, dass Sie an einen Ort hinfliegen (Strassen gibt es nicht), und die Leute sind nicht da. Denn sie sind gestern oder heute Morgen wegen Kämpfen weggerannt. Oder es kommt vor, dass der Pilot in der Luft angewiesen wird umzukehren, weil der Landeort unsicher ist. Manchmal habe ich eine Nacht an einem Ort verbracht, und am Morgen musste ich mit den Einheimischen davonlaufen.Während zwei Wochen weiss dann niemand, wo Sie sind.“

Rachel, Delegierte ihrer südsudanesischen presbyterianischen Kirche an der Synode von mission 21 in Basel, hat mehrfach Bomber der sudanesischen Luftwaffe über die Dörfer in ihrem Gebiet fliegen sehen. Milizen von arabischen Muslimen aus der Nachbarschaft haben die alteingesessene Nuer-Bevölkerung über viele Jahre zu vertreiben versucht; die Regierung in Khartum sah dem Treiben zu Sie unterstützte die Milizen insgeheim – und tut es weiterhin, wie Nyadak betont.

Die Jagd auf Bodenschätze

Die blutigen Attacken auf wehrlose Menschen halten an, trotz den Friedensverhandlungen. Laut Rachel Nyadak wurden Anfang Juni bei einem Milizen-Angriff auf Akobo, wo sie herkommt, 225 Personen grundlos umgebracht und 70 verletzt. Ein sechs Monate altes Baby wurde an der Hand so schwer verletzt, dass man sie amputieren musste. Seine ganze Familie, Vater, Mutter und Geschwister, kamen ums Leben. „Und es ist doch ein Kind des Landes, des Südsudans. Was sollen wir tun?“

Der Norden des Sudan, des grössten Landes Afrikas, weist im Unterschied zum Süden wenig Bodenschätze auf. Die Araber haben in den letzten 200 Jahren einen grossen Teil des Staatsgebiets islamisiert – „im Süden waren die Missionare bereits da“. In der Folge wurden laut Rachel Nyadak einheimische islamisierte Völker gegen die Südsudanesen aufgebracht. „Besonders in den Provinzen Upper Nile, wo verschiedene Völker friedlich miteinander lebten, und Abyei, wo die Dinka leben, haben wir grosse Ölvorkommen.“

Warum greift euer Gott nicht ein?

Empfinden die Menschen im Südsudan nach soviel Leiden manchmal, dass Gott sie vergessen hat? „Nun, sehen Sie, das Leiden ist der Grund, warum einige Muslime geworden sind. Sie haben die Hoffnung verloren. ‚Dieser Gott gehört den Weissen; er ist nur für sie da’, sagen sie. ‚Er hört uns, die Schwarzen, nicht’.“ Die Nuer hatten einen traditionellen Seher namens Mundeng, den sie hoch verehrten. Er sagte früh im letzten Jahrhundert voraus, dass die dritte Generation schwer leiden werde. „Und das sind wir.“

Bis heute fragen Nuer, warum die Weissen ihnen in der Not nicht zu Hilfe gekommen sind: „Sie haben euch doch ihren Gott gebracht. Sie müssten kommen und euch helfen – warum stehen sie euch jetzt nicht bei?“ Rachel Nyadak hat darauf bis heute keine Antwort, die diese Wunde heilen kann.

Der Wiederaufbau des Südsudan kann nur mit ausländischer Hilfe gelingen, sagt die Frauenarbeiterin mit den zierlichen Händen. Der Westen muss mithelfen beim Bau von Schulen, Spitälern und Strassen. „Wir brauchen viel Hilfe. Aber nicht für lange. Vielleicht ein Jahr oder eineinhalb. Denn wenn wir unser Öl selbst verkaufen können, werden wir dafür das Nötige kaufen können. Wir werden unser eigenes Geld haben und für unsere Zwecke verwenden.“

Datum: 19.07.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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