Sommerhitze und Regen in Darfur

Der Not der Vertriebenen wehren

Es ist heiss, sehr heiss in den Weiten Darfurs im Westen Sudans, wo eine Million Menschen vertrieben worden sind. In den letzten Wochen stieg das Thermometer oft über 45 Grad. Nun setzt die Regenzeit ein. Unzählige Flüchtlinge leben unter freiem Himmel. Tausende von Kindern sind schwer unterernährt und haben den drohenden Krankheiten nichts entgegenzusetzen. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hat nach ihrem Besuch in Norddarfur die humanitäre Lage als „äusserst bedenklich“ bezeichnet.
3
1
2

Die Hilfswerke kommen nicht nach mit der Beschaffung und Verteilung von sauberem Wasser, Zeltblachen, Nahrung und Medikamenten. Die Zeit drängt: Der Regen wird manche Verbindungen unpassierbar machen. Im Verbund mit Tear Fund England hilft Tear Fund Schweiz im angrenzenden Tschad und in Darfur. Der Schwerpunkt liegt im Graben von Brunnen, im Bau von Latrinen und in der medizinischen Hilfe.

Anfang 2003 erhoben sich in Darfur zwei Bewegungen der einheimischen schwarzafrikanischen Stämme Fur, Zaghawa und Maasalit gegen die sudanesische Zentralregierung. Sie forderten mehr Gelder für die Entwicklung ihres Gebiets, das die Grösse Frankreichs hat, und Schutz vor räuberischen Überfällen durch arabische Milizen. Doch die islamistische Regierung in Khartum, die laufend mehr Petrodollars einsackt, rüstete diese Janjawid-Banden mit Waffen aus und gab ihnen freie Hand.

Wenn die Welt wegschaut…

Die Welt schaute weg. Offenbar wollte die Staatengemeinschaft die Friedensgespräche für den Südsudan nicht mit harscher Kritik an Khartum gefährden. Während das Ausland sich den Friedensschalmeien hingab, wurden Hunderte von Dörfern in der entlegenen Region von meist berittenen Banden überfallen. Die Regierung tat die Grausamkeiten als gewöhnliche Stammeskonflikte ab.

Die Janjawid raubten die Häuser aus, vergewaltigten Frauen und töteten jene, die sich wehrten. Die sudanesische Armee terrorisierte die wehrlosen Menschen mit Hubschrauberangriffen. Nach dem im Zentralsudan verfolgten Muster scheint das Ziel klar: den Lebenswillen der einheimischen Schwarzafrikaner zu brechen und sie zu vertreiben, um den Weg zu bereiten für eine ungehinderte Ausbeutung der Bodenschätze, die hier wie im Südsudan vermutet werden.

Ohne einen Löffel geflüchtet

Erst im Frühjahr hat die Weltöffentlichkeit die Tragödie in Darfur zur Kenntnis genommen – zu spät. Vermutlich über eine Million Menschen sind vertrieben worden aus ihren Hütten, von ihren Feldern. Dorfälteste sagten einem Reporter, sie seien in Panik geflüchtet vor den Angreifern – „ohne einen Löffel mitzunehmen“. Sie können jetzt, in der Regenzeit, nicht ansäen. Dies bedeutet Hunger und Not fürs ganze nächste Jahr; sie sind fürs Überleben auf Hilfe von aussen angewiesen.

Am 8. April liess sich Khartum zu einer Waffenstillstandsvereinbarung herbei. Doch wurden auch danach viele Angriffe von arabischen Banden berichtet. Keine Regierung hat in den letzten Jahrzehnten Hilfswerke derart behindert wie die sudanesische. Der frühere UN-Hilfskoordinator Makesh Kabila, der so urteilt, hat Darfur als „humanitäre und Menschenrechtskatastrophe ohne gleichen“ bezeichnet. Ende Mai wurden indes die Zugangsbeschränkungen zu Darfur gelockert, doch beharrte Khartum weiterhin darauf, dass einheimische Hilfswerke die Verteilung der Güter durchführen. Viele Vertriebene bleiben in den Weiten der Steppe unauffindbar; dort sind sie auch weiteren Attacken der Banden ausgesetzt.

Über die Grenze geflüchtet

Über 150'000 Vertriebene haben sich ins Nachbarland Tschad geflüchtet. Jeden Tag kommen weitere Gruppen an. In den letzten Wochen wurde mit dem Bau weiterer Lager begonnen. Doch bisher bleiben viele in der Umgebung. Zum ersten Mal hat es die UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR) mit Herden zu tun – die Vertriebenen haben sie mitgenommen. An vielen Orten finden sich fast nur Frauen und Kinder: Die Männer sind entweder bei den Herden, auf Nahrungssuche oder bei den Widerstandsbewegungen. Die Menschen wollen nicht zurückkehren, solange ihre Sicherheit nicht gewährleistet ist.

Am dringendsten: sauberes Wasser!

Die grösste Not ist der Mangel an sauberem Wasser für Menschen und Tiere. In vielen Lagern ist der Anteil der unterernährten Babies erschreckend hoch. Tear Fund konzentriert sich auf ihre Versorgung. Die Helfer der einheimischen Partnerorganisation, der Evangelischen Allianz in Tschad, haben im Lager Breidjing fünf Brunnen gegraben, 150 Latrinen erstellt und über 1200 Zelte aufgebaut.

Mit 7500 Franken kann ein Brunnen gegraben, mit 3000 Franken eine medizinische Station zur Grundversorgung betrieben werden. Das Lager Breidjing soll 20'000 Flüchtlinge aufnehmen können.

Datum: 30.06.2004
Autor: Peter Schmid

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service