Sudan

Wir machen uns zu Komplizen

Die Weltöffentlichkeit macht sich vollends unglaubwürdig. Gegen den Irakkrieg gingen Zehntausende auf die Strasse. Aber kein einziger für die 200'000 Sklaven im Sudan, für die zwei Millionen Toten und für die Million Vertriebener. Niemand protestiert gegen das Regime, das an alldem schuld ist!
Vom italienischen Original sollen schon 2.500.000 Stück verkauft worden sein. Für den Sudan bleiben sie jedoch eingerollt.
Gott will Frieden
UNO

40'000 Menschen hatten allein in Bern demonstriert. Gegen den Krieg, gegen die drohende US-Besatzung des Irak. Aber die Entrüstung der Massen hat offenbar nicht lange angehalten. Denn im Sudan tobt ein Vernichtungskrieg gegen eine ethnische Minderheit – samt Versklavungen, samt «ethnischer Säuberungen». Über zwei Millionen Opfer hat er bislang gefordert, ein Vielfaches der Toten des Irakkriegs. Die Friedensaktivisten scheint’s nicht zu interessieren.

Nebenschauplatz Irak

Auch in Kongo-Kinshasa wurden rund zwei Millionen Menschen Opfer des Krieges. Der kongolesische Baptistenprediger Jean Mutombo Ndalamba bat um internationalen Druck und Grosskundgebungen. Dies würde der Kirche den Rücken stärken, wenn sie zum freiwilligen Niederlegen der Waffen aufruft. Doch nichts geschah. Und wie es im Sudan aussieht, darüber berichten wir auf dieser Internetseite ausführlich. Verglichen mit dem Kongo oder dem Sudan ist der Irak ein Nebenschauplatz.

Friedensbewegte uninformiert?

Warum gibt es bei diesen Völkermorden keine Massenproteste? Kaum einer weiss, worum es bei den vielen Konflikten in Afrika geht. Das Interesse fehlt, der Protest bleibt aus.

Mit den Schlusskundgebungen ist für die Masse der Demonstranten die «Show vorbei». Der Protest der Zehntausenden von Friedensbewegten deklassiert sich zum Event-Tourismus. Mit den wirklich grossen Konflikten beschäftigt man sich nicht.

Wann, wenn nicht jetzt?

Der Sudan gilt als kritischer Test für die UNO-Menschenrechtskommission. Tausende von Zivilisten seien in diesem «Menschenrechts-Desaster» (O-Ton «Human Right Watch») bereits getötet worden. Über eine Millionen Menschen wurde vertrieben. Die Beweise liegen vor. Es dreht sich um massivste Verbrechen gegen die Menschlichkeit! Wann, wenn nicht jetzt, macht es Sinn, gegen den Krieg auf die Strasse zu gehen? Denn selbst die UNO spricht inzwischen von «ethnischer Säuberung». Die sudanesische Regierung und die arabischen Milizen arbeiten Hand in Hand. Sie erhalten sogar Luftunterstützung aus Khartum.

Sterben «wie die Fliegen»

In der UNO ist sie vertreten, und sie hat die Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Und dieselbe offizielle Regierung fördert seit über 20 Jahren – in Darfur seit über einem Jahr – gezielt das Abbrennen von Dörfern sowie das Vergewaltigen von Frauen und Mädchen. Allein in der Region Darfur wurden Tausende Zivilisten getötet und über eine Million Menschen vertrieben. Rund ein Fünftel der Bewohner lebt Flüchtlingslagern. Dort spielen sich entsetzliche Massaker- und Vergewaltigungsszenen ab. Viele überlebten die Flucht nicht, sagt zum Beispiel der katholische Bischof Cesare Mazzolari. «Die Flüchtlinge sterben wie die Fliegen!»

Hilfe – zum eigenen Wegschauen?

Zusätzliche Hilfe im Wert von zehn Millionen Euro für den Sudan und den Tschad, wo über 100'000 Sudanesen hingeflüchtet sind, hat die EU angekündigt. Seit Jahrzehnten füttert die internationale Gemeinschaft den Süden durch. Dabei handelt es sich um ein Gebiet, das selber Nahrungsmittel exportieren könnte, würden die Ernten nicht durch die Milizen aus dem Norden systematisch zerstört. Doch statt die Wunde zu behandeln, wird einfach zum Pflästerchen der Hilfsmittel gegriffen.

Im Sudan drohe ein Völkermord, schlug UNO-Generalsekretär Kofi Annan bereits vor Wochen Alarm. James Morris, Direktor des Welternährungsprogramms der UNO, äussert sich in dieselbe Richtung: «Dies ist eine der schlimmsten Krisen in der Welt, weil so viele Menschen auf gemeinste Art und Weise aus ihren Häusern getrieben wurden.»

Nicht die Bohne ... !

200'000 schwarzafrikanische Sudanesen sind im arabisch-moslemischen Norden versklavt. Als Bush gegen Saddam zog, wedelte unsere Gesellschaft mit «Pace»-Flaggen und zeigte «Uncle Sam» den Stinkfinger. Aber einer der grössten Völkermorde der Weltgeschichte hingegen interessiert all die Friedensbewegten nun offenbar nicht die Bohne. Wir, die wir uns für eine humanitäre und zivilisierte Gesellschaft halten, wir schweigen. Und wir machen uns damit zu Komplizen der Sklaventreiber.

In der tiefsten christlichen Versenkung getaucht

Dieses «Wir», das schliesst jeden mit ein. Nicht nur die in der Versenkung verschwundenen «Friedensaktivisten». Auch die Christen. Wo bleibt deren Aufschrei? Es sind sogar Glaubensbrüder, die dort im Südsudan und teilweise auch in Darfur gemeuchelt werden. Wir verurteilen die UNO, die zusieht. Zu recht! Wir verurteilen unsere Politiker, die General Al-Bashir empfangen, ihm aber nicht gehörig die Leviten lesen. Wir tun auch dies zu recht. Und dabei bleiben wir stehen und tauchen ab in die christliche Versenkung! Wir landen also noch weiter unten, denn wir kritisieren, handeln selber aber noch weniger. Wir verschanzen uns womöglich hinter dem 13. Kapitel des Römerbriefs im Neuen Testament. Dort steht, dass man seiner «Obrigkeit untertan sein» soll. Regierungen kritisieren, sie mit Aktionen angreifen, das ist nicht unsere Stärke. Römer 13 als biblische Rechtfertigung für die eigene Trägheit? Der «Obrigkeit untertan sein» ... Aber wem ist diese Obrigkeit selber «untertan»? Vielleicht Wahnvorstellungen von «ethnisch gesäuberten» Landstrichen?

Der rote Teppich der Passivität

Christen, die zusammenstehen, um auf das Leiden ihrer Geschwister wie auch der anderen Notleidenen im Sudan, in Nordkorea, in Nigeria, in Indonesien, im Libanon und vielen anderen Ländern aufmerksam machen – die Breitenwirkung wäre da.

Oder sollte Kaiser Nero Recht behalten? «Die Christen können sterben, aber sie können nicht siegen.» Man mag ihn des Spotts bezichtigen. Aber er könnte auch durch einen Anschauungsunterricht in der Realität zu diesem Schluss gekommen sein.

Statt mutig mit Gott im Rücken vorwärts zu gehen, rollt man dem Teufel den roten Teppich der Passivität aus. Schuld an den schlimmen Verhältnissen sei ja zuallerletzt man selber. Das sind doch die passiven Friedensaktivisten, die Medien, die Politiker, die böse Welt und so weiter ...

Gott spricht in der Bibel vom Wachbleiben und nicht vom sanften Entschlafen.

P.S.
Es gibt im deutschsprachigen Raum viele christliche Hilfswerke, bei denen man sich entsprechend engagieren kann. Seien dies HMK, Offene Grenzen, Frontiers, CSI oder viele, viele weitere. Aber eine Bewegung der Strasse fehlt.

Lesen sie auch die Serie dazu:
1. Teil Ich war 15 Jahre lang eine Sklavin
2. Teil Meine Klinik begann unter einem Baum
3. Teil Ein Arzt im Bombenhagel
4. Teil Noch keine Skorpione
5. Teil Die Milizen geben auf
6. Teil Gefangen, verkauft, unterdrückt
7. Teil Um diese Zeit kommen manchmal die Bomber
8. Teil Hühner schreien zwischen den echten "Music Stars"
9. Teil So wurde aus der Kornkammer ein Armenhaus
10. Teil Vier Kinder vom angetrauten Vergewaltiger
11. Teil Eine entvölkerte Schweiz, mitten im Sudan
12. Teil Die Sternstunde
13. Teil Der älteste Sohn der Familie vergewaltigte mich
14. Teil Nicht ohne meine Kinder
15. Teil Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik
16. Teil So wurde die UNO zum Regime-Komplizen
17. Teil Wir haben die Hand Khartums geführt
18. Teil Die USA und das gigantische Missverständnis
20. Teil Wie viele sterben noch in Darfur?
21. Teil Nothilfe Sudan
22. Teil Gegen die Hungerkatastrophe im Sudan ankämpfen
23. Teil Weihnachten im Hungergebiet
24. Teil Diesesmal kein Tränengas zu Weihnachten
25. Teil "Wir werden eure Männer und Söhne töten" - wie lange schaut die Welt den Gräueln in Darfur zu?

Webseite: www.csi-int.org

Datum: 19.06.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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