Südsudan

«Wir haben die Hand Khartums geführt!»

Die massiven Sklavenjagden im Südsudan haben aufgehört – auch dank der Arbeit eines christlichen Hilfswerks aus der Schweiz. Doch diese Sternstunde wird durch einen neuen Krieg getrübt.
Freigelassen: Frauen und Kinder
Jubel: Die Lastwagen am Treffpunkt

Das christliche Hilfswerk «Christian Solidarity International» (CSI) aus der Schweiz erlebt im Sudan zur Zeit eine Sternstunde wie auch einen neuen Tiefschlag. Einerseits lässt die Regierung nämlich freiwillig Sklaven frei – die es offiziell noch immer nicht gibt –, und andererseits betreibt das brutale Regime eine "ethnische Säuberung" im Westen des Landes.

CSI-Mitarbeiter Gunnar Wiebalck: «Die Situation in Darfur muss man als völlig neuen Konfliktherd ansehen. Sie hat auch nichts mit den gegenwärtigen Friedensverhandlungen in Kenia zu tun, die dort zwischen der Regierung in Khartum und der Befreiungsbewegung SPLA aus dem Süden stattfinden.»

Wieder neue Sklaven?

Der Darfurkonflikt hat eine eigene Dynamik entwickelt und könnte diese Friedensverhandlungen zur Makulatur verkommen lassen. Wiebalck: «Offenbar entführen dort genau dieselben Janjawid-Milizen, die auch im Süden aktiv waren, wieder viele Frauen und Kinder. Und wir vermuten, dass es auch diesmal wieder zu Versklavungen kommt, denn davon leben diese Milizen. Sie schleppen Frauen und Kinder in den Norden und verkaufen sie dann weiter oder benutzen sie selbst. Aber wir haben dafür noch keine Beweise, denn wir waren selber noch nicht in Darfur.»

Bei CSI hofft man, bald auch diese Dimension des Völkermords durch die sudanesische Regierung ausleuchten zu können: «Wir interessieren uns sehr für die Menschenrechte im Sudan, und wir wollen schauen, dass wir auch die Hintergründe im Darfur-Konflikt näher untersuchen können.»

Die Eiterbeule platzt

Viele Jahre hindurch hatte die sudanesische Regierung abgestritten, etwas mit Sklaverei zu tun zu haben. Aber dann musste sie doch eingestehen, dass es zumindest zu Entführungen von Frauen und Kindern gekommen ist. Gunnar Wiebalck: «Man vermeidet ganz bewusst das Wort 'Sklaverei', denn dabei würde es sich ja um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln. Und die internationale Staatengemeinschaft wäre dann wohl zu Massnahmen gegen eine Regierung gezwungen, die sich eines solchen Verbrechens schuldig macht.» Was im Falle des Sudan seit rund zwei Jahrzehnten der Fall ist!

Die sudanesische Regierung versucht also verzweifelt, vom Begriff «Sklaverei» abzulenken, hat aber dann doch vor einigen Jahren ein Komitee gegründet, das die Entführung von Frauen und Kindern beenden soll. «Dieses Komitee wurde daraufhin von UNICEF und der Europäischen Union mit Millionenbeträgen unterstützt. Es beschäftigt Dutzende von Mitarbeitern und ist zu einer eigenständigen Abteilung der sudanesischen Regierung angewachsen.»

«Wir haben Khartum die Hand geführt!»

Das Komitee habe aber laut Gunnar Wiebalck in den letzten Jahren keinerlei Ergebnisse vorweisen können, «bis wir nun im April Zeugen wurden, dass auf Betreiben des Komitees tatsächlich über 500 Sklaven freigelassen wurden. Das war wirklich eine Sternstunde unserer Arbeit, denn hinter dieser ganzen Entwicklung stand CSI. Nie und nimmer hätte die Regierung sonst auch nur einen einzigen Sklaven wieder freigelassen.» Und sie schon gar nicht in die Heimat zurückgeführt.

Hier aber handelte es sich um einen Konvoi von sieben Lastwagen mit arabischen Fahrern. Vorneweg klimatisierte «Land Cruiser», besetzt mit Arabern, Mitgliedern dieses Komitees, und angesteckt eine grosse weisse Fahne, die friedliche Absichten signalisieren soll. «Dahinter fuhren dann die Lastwagen, vollgepfercht mit Frauen, Kindern und jungen Männern, die alle im Lauf der Jahre arabisiert und islamisiert wurden. Die Frauen trugen Schleier, die Kinder sprachen nur arabisch. Die Kinder hatten arabische Namen und waren oft von arabischen Vätern gezeugt worden. Dieser ganze dramatische Konvoi war ein Ergebnis unserer Arbeit. Mit unserer Arbeit haben wir Khartum die Hand geführt. Darum bezeichne ich das als unsere Sternstunde.»

Bilder: Gunnar Wiebalck, CSI

Lesen sie auch die Serie dazu:
1. Teil Ich war 15 Jahre lang eine Sklavin
2. Teil Meine Klinik begann unter einem Baum
3. Teil Ein Arzt im Bombenhagel
4. Teil Noch keine Skorpione
5. Teil Die Milizen geben auf
6. Teil Gefangen, verkauft, unterdrückt
7. Teil Um diese Zeit kommen manchmal die Bomber
8. Teil Hühner schreien zwischen den echten "Music Stars"
9. Teil So wurde aus der Kornkammer ein Armenhaus
10. Teil Vier Kinder vom angetrauten Vergewaltiger
11. Teil Eine entvölkerte Schweiz, mitten im Sudan
12. Teil Die Sternstunde
13. Teil Der älteste Sohn der Familie vergewaltigte mich
14. Teil Nicht ohne meine Kinder
15. Teil Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik
16. Teil So wurde die UNO zum Regime-Komplizen
18. Teil Die USA und das gigantische Missverständnis
19. Teil Wir machen uns zu Komplizen
20. Teil Wie viele sterben noch in Darfur?
21. Teil Nothilfe Sudan
22. Teil Gegen die Hungerkatastrophe im Sudan ankämpfen
23. Teil Weihnachten im Hungergebiet
24. Teil Diesesmal kein Tränengas zu Weihnachten
25. Teil "Wir werden eure Männer und Söhne töten" - wie lange schaut die Welt den Gräueln in Darfur zu?

Webseite: www.csi-int.org

Datum: 17.06.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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