Dr. Luka

«Meine Klinik begann unter einem Baum»

Vor weniger als zehn Jahren hatten moslemische Regierungstruppen an jener Stelle Christen versklavt oder umgebracht. An gleicher Stelle baut Dr. Luka ein Krankenhaus auf.
Zunächst war die „Klinik“ unter einem Baum
Hilfsmittel gibt es kaum. Hier wird noch be-„Hand“-elt
Der Bau der „Klinik“ wurde von Dr. Luka (rechts) persönlich überwacht

Mit ganzem Namen heisst dieser Arzt Luka Deng. Doch hier in dieser Ortschaft im Gebiet von Aweil Ost nennen ihn alle «Dr. Luka». Aus Sicherheitsgründen bat Deng, den Namen des Ortes zu verschweigen. Zu oft schon warfen Bomber des brutalen Regimes ihre tödliche Fracht in dieser Region ab. Deshalb lebt Dr. Luka alleine hier, seine Familie blieb in London und damit in Sicherheit. Aufgewachsen im Südsudan, absolvierte er ein Medizinstudium in Kairo und liess sich später in England nieder.

Heute ist er der einzige Arzt im Umkreis von 25 Kilometern. Wir sprachen mit dem «Lebensretter der Savanne» im heissen Schatten seines Hauses; vor Beginn der Regenzeit kletterte das Thermometer im Südsudan auf bis zu 54 Grad.

Daniel Gerber: Dr. Luka, Sie haben zuerst in Kairo studiert und sind dann nach London gezogen. Jetzt leiten Sie hier eine Klinik...
Dr. Luka: Es begann im Jahr 2001 durch einen Kontakt mit CSI, also «Christian Solidarity International». Ich lebte in London, war dann aber bei jeder ihrer Reisen hierher dabei. Die Leute nahmen jeweils Medikamente mit; qualifizierte Doktoren hätten sie an die Bewohner weiterverteilen sollen. Es gab aber keinen Arzt, und so wurde ich gefragt, ob ich nicht eine kleine Krankenstation eröffnen könnte. Egal wo, unter einem Baum, auf einer Veranda oder in einem Haus – einfach damit wir sichergehen konnten, dass die Medizin zu den richtigen Menschen kommt.

Das war der erste Schritt: Die Klinik begann unter einem Baum, keine 200 Meter von hier weg. Ich sass auf einer einfachen Bank hinter einem schmalen Tisch. Und wenn ich dort sass, war die Klinik offen.

Alles fing also unter einem Baum an ...
Ja. Später bat ich CSI um ein Zelt. Sie brachten mir eines sowie einen Behandlungstisch für kleinere Operationen. So konnte ich während dem Tag die Medizin im Zelt haben, und abends packte ich sie in Kisten und transportierte sie per Fahrrad zu meiner Unterkunft.

Im Jahr 2002 hatte ich dann mein erstes Lager und ein oder zwei Rundhütten, welche CSI finanzierte. So etablierte sich die Klinik langsam. Inzwischen arbeiten wir sogar an einem grösseren Gebäude mit Krankenzimmern und Operationsraum. Ich konnte einen Zaun um das Gelände bauen (um diverse Tiere abzuhalten; Anm. d. Red.). Die Menschen staunen, was auf diesem Stück Land alles aufgebaut wurde. Über Batterien erhalte ich hier sogar Licht.

Und was ist Ihr nächster Schritt?
Fliessendes Wasser. Einen Generator dafür habe ich inzwischen. Es ist jetzt nicht länger eine kleine Klinik unter den Bäumen. Darüber bin ich sehr froh.

Wie sieht die Zukunft der Klinik aus?
Ich sehe da drei Möglichkeiten. Die erste sieht so aus, dass die Klinik mit drei oder vier Doktoren direkt von hier aus verwaltet wird, als Wohlfahrtseinrichtung. CSI und andere Organisationen würden das finanzieren und die Kosten unter sich aufteilen.

Als zweites könnte die Klinik der Regierung übergeben werden, sobald hier Frieden einkehrt. Dann wären wir ein staatliches Spital. Die dritte Variante ist die schlimmste; ich mag sie gar nicht: Bei der würde das Spital zu meiner Privatklinik.

Zur Zeit ist es mit den Finanzen und der gelieferten Medizin sehr eng. Aber wenn der Frieden kommt, sollte sich das ändern.

Wenn ich mich an Freitag letzte Woche erinnere, da kamen 175 Patienten, verteilt auf einen Doktor und seinen medizinischen Assistenten ...

Wir haben eine Menge Arbeit. Das war ein unmöglicher Tag, vor allem aus westlicher Sicht. Wenn man das dort erzählt, wird man es nicht glauben. Allerdings: Die einfachen Fälle benötigen ein bis zwei Minuten, dann sind wir fertig; die schwierigen Fälle bis zu 20 Minuten. Manche der einfachen Fälle übernimmt mein medizinischer Assistent.

Wir wollen auch die Ausrüstung verbessern. Als nächstes will ich ein Mikroskop anschaffen, damit wir die Blutwerte analysieren können – der Schritt von der Klinik unter den Bäumen, zu einer mit einem Mikroskop ...

Was für Krankheiten haben denn diejenigen, die Sie nach ein bis zwei Minuten wieder entlassen?
Die meisten haben Infektionen, die man sofort sieht. Es sind hier in der Region bekannte Krankheiten. Die Menschen benötigen eine Spritze oder Pillen.

Bei den ganz grossen Fällen müssen die Menschen in ein grosses Spital gebracht werden. Das nächste liegt allerdings rund 90 Kilometer entfernt von hier. Viele Gegenden hier haben gar keinen Doktor. Hier in der Region bin ich neben einer Klinik der «Médecins sans Frontières» der einzige Arzt. Diese Klinik ist 25 Kilometer von hier weg und wird alle sechs Monate durch einen anderen Doktor besetzt. Wenn wir beide weg sind, sind rund drei Millionen Menschen ohne Arzt.

Das wäre im Vergleich nicht ganz die Hälfte der Schweiz ohne Doktor.
Ja. Dann sind nur noch die medizinischen Assistenten da.

Ist der jeweilige Doktor von «Médecins sans Frontières» auch aus der Region?
Nein, sie kommen aus verschiedenen Ländern. Ich habe einen aus Kanada gesehen, und der wurde dann durch einen Australier ersetzt. Ein Schwede war auch schon da.

Lesen sie auch die Serie dazu:
1. Teil Ich war 15 Jahre lang eine Sklavin
3. Teil Ein Arzt im Bombenhagel
4. Teil Noch keine Skorpione
5. Teil Die Milizen geben auf
6. Teil Gefangen, verkauft, unterdrückt
7. Teil Um diese Zeit kommen manchmal die Bomber
8. Teil Hühner schreien zwischen den echten "Music Stars
9. Teil So wurde aus der Kornkammer ein Armenhaus
10. Teil Vier Kinder vom angetrauten Vergewaltiger
11. Teil Eine entvölkerte Schweiz, mitten im Sudan
12. Teil Die Sternstunde
13. Teil Der älteste Sohn der Familie vergewaltigte mich
14. Teil Nicht ohne meine Kinder
15. Teil Schweizer Hilfswerk macht Weltpolitik
16. Teil So wurde die UNO zum Regime-Komplizen
17. Teil Wir haben die Hand Khartums geführt
18. Teil Die USA und das gigantische Missverständnis
19. Teil Wir machen uns zu Komplizen
20. Teil Wie viele sterben noch in Darfur?
21. Teil Nothilfe Sudan
22. Teil Gegen die Hungerkatastrophe im Sudan ankämpfen
23. Teil Weihnachten im Hungergebiet
24. Teil Diesesmal kein Tränengas zu Weihnachten
25. Teil "Wir werden eure Männer und Söhne töten" - wie lange schaut die Welt den Gräueln in Darfur zu?

Webseite: www.csi-int.org

Datum: 27.05.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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