„Grösste humanitäre Krise“: UN-Sprecher zu den Gräueln im Westsudan

Sudanesische Flüchtlinge im Tschad.
Sudanesische Flüchtlinge im Tschad.

Seit Wochen jagen arabische Milizen mit Billigung der sudanesischen Zentralregierung die Bevölkerung der entlegenen Westprovinz Darfur, morden und plündern. Schätzungsweise 800'000 Menschen aus den Völkern der Fur, Massalit und Saghawa sind aus ihren Dörfern geflüchtet. Die meisten suchen im Sudan zu überleben; 110'000 sind ins Nachbarland Tschad geflüchtet. Die Zahl der Todesopfer wird auf über 10'000 geschätzt.

Im Februar hatten sich in Darfur zwei Rebellengruppen gegen Khartum erhoben. Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Sudan Mukesh Kapila sagte Anfang Woche zu Journalisten, der Krieg in Darfur habe bereits zu Gräueln geführt in einem Mass, das mit dem Völkermord in Ruanda von 1994 verglichen werden könne. „Der einzige Unterschied zwischen Darfur und Ruanda liegt in den Zahlen“, sagte Kapila.

Von Tag zu Tag sieht Kapila eine Zunahme der Gewalt nach einem klaren Muster: organisierte Attacken auf Zivilisten und Dörfer, Entführung, Mord und organisierte Vergewaltigung durch bewaffnete Janjawid-Banden. Diese Banden waren schon früher für ihre Viehdiebstähle und den Raub von Hilfsgütern berüchtigt. Laut Aussagen von Flüchtlingen werden die Janjawid teils von sudanesischen Soldaten begleitet oder tragen selbst Uniformen.

Die Untaten grenzen laut Kapila an ethnische Säuberung: „Es handelt sich da um eine Gruppe von Leuten, die sich organisiert, um eine andere Gruppe zu vernichten.“ Die systematische Entvölkerung von Darfur gleiche der Politik der verbrannten Erde – nur von einem Stammes-Konflikt zu sprechen, sei verfehlt. Laut Amnesty International ist im Verlauf des letzten Jahres kein einziges Mitglied der Janjawid-Milizen verhaftet oder wegen eines Tötungsdelikts vor Gericht gezogen worden.

Die Banden verfügen über geländegängige Fahrzeuge; die meisten Milizionäre bewegen sich zu Pferd. In der Region von Tawilah in Nord-Darfur wurden am 27. Februar 30 Dörfer niedergebrannt, über 200 Personen getötet und über 200 Mädchen und Frauen vergewaltigt – einige von bis zu 14 Männern und vor den Augen ihrer Väter, die darauf umgebracht wurden. Weitere 150 Frauen und 200 Mädchen wurden gefangengenommen und entführt.

Laut dem Bericht sind vor einer Woche gegen 3’000 Frauen und Kinder aus Darfur, die es in die Hauptstadt Khartum geschafft hatten, dort mit Schüssen und Tränengas auseinandergetrieben worden. Sie verschwanden in der Folge aus dem Lager, wo sie gemeint hatten, vorübergehend Zuflucht zu finden. Die Zentralregierung hat bisher die Hilfswerke weitgehend daran gehindert, den Notleidenden, die unter Wasser- und Medikamentenmangel leiden, beizustehen.

Mitte März hiess es, die Khartum habe sich bereit erklärt, in Tschad mit Rebellenvertretern zu sprechen; diese bestehen auf westlichen Beobachtern. Kapila rief die UNO-Mitgliedstaaten dringend auf, auf Khartum Druck auszuüben, damit die Gewalttäter für ihre „Kriegsverbrechen“ zur Rechenschaft gezogen würden. Die Opfer müssten entschädigt werden.

Kapila stellte auch die laufenden Friedensverhandlungen zwischen Khartum und den südsudanesischen Rebellen in Frage: „Wie kann eine neue Regelung gefunden werden, wenn eine grosse Region des Landes in Flammen steht?“

UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge:
www.unhcr.org , Stichwort Chad

Datum: 25.03.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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