Für Freiheit und Gleichheit: Kenyas Christen im Ringen um die neue Verfassung

Delegierte an der Bomas-Konferenz

In Kenya droht der politische Prozess für eine neue Verfassung zu scheitern. Regierung und Oppositionskräfte stecken in der Sackgasse – die Folge davon, dass sie weisen Rat in den Wind schlugen?

Vertreter verschiedener Kirchen hatten sich nämlich letztes Jahr mit einem eigenen Entwurf für die Verfassung weit auf die Äste hinaus gewagt. Der Führer der Presbyterianer David Githii äusserte damals, der von den Politikern erstellte Entwurf sei von Machthunger gekennzeichnet; das Dokument der Kirchen dagegen sei unter Gebet und in Gemeinschaftsarbeit entstanden.

Dies half nicht. Die machtbewussten Politiker der Bomas-Konferenz, die seit Monaten tagen, um einen Entwurf vorzulegen, schmetterten das Kirchenpapier ab und verneinten auch die besondere Rolle der Kirchen im politischen Prozess. Ein prominenter Kirchenmann, der sich für das Papier eingesetzt hatte, verliess die Konferenz.

Christliche Demo gegen Islamisierung der Justiz gewaltsam aufgelöst

Ein Thema beschäftigt die freiheitsbewussten Christen besonders: die Absicht der Bomas-Konferenz, islamischen Gerichten mehr Kompetenzen zu geben. Mit all ihren Protesten haben sie bisher wenig erreicht. Eine nicht bewilligte Demo von Hunderten von Christen im Zentrum von Mombasa wurde am Montag von der Polizei gewaltsam aufgelöst.

Die Christen aus verschiedenen Kirchen suchten über die Kenyatta-Avenue zum Büro des Provinzkommissars zu gelangen, um ihr Protestschreiben zu überreichen. Die Ordnungskräfte setzten Tränengas und Knüppel ein. Bischof Abarijah Kinnogah und zahlreiche weitere Demonstranten wurden verhaftet. Der Verkehr kam zum Erliegen.

Am 15. März hatte eine Gruppe im Geschäftszentrum der Hauptstadt Nairobi gegen die Stärkung islamischer Rechtssprechung protestiert. Sie übergaben einer Vertreterin des Justizministers eine Denkschrift.

Bereits heute werden Ehe- und Erbstreitigkeiten von Muslimen (16 Prozent der kenyanischen Bevölkerung) von islamischen Richtern auf Bezirksebene gemäss der Scharia entschieden. Auf Drängen der islamischen Gemeinschaften scheinen die Politiker bereit, den Muslimen auch im Bereich des Zivil- und Wirtschaftsrechts eigene Richter zugestehen und sie aus Steuergeldern zu finanzieren.

Dies sehen die Christen als unannehmbare Bevorzugung der Muslime, welche Kenyas Zukunft gefährden würde. Das Land grenzt an Sudan, dessen Regime die Islamisierung Schwarzafrikas betreibt, und ans anarchische Somalia. Der evangelische Kirchenleiter Peter Mungai sagte, wenn die neue Verfassung die islamische Minderheit privilegieren sollte, würden Christen sie als Ganzes ablehnen. Ob es allerdings zu einer Volksabstimmung kommt, ist noch unklar.

Karitative Tätigkeiten der Muslime

Die Christen in Kenya beobachten den Bau von vielen Dutzend Moscheen ausserhalb der traditionell muslimischen Siedlungsgebiete mit Sorge. Muslimische Organisationen offerieren Studenten Stipendien an arabischen Universitäten; in Nairobis Slums werden Waisen gratis islamisch geschult, Kranke in islamischen Kliniken günstiger behandelt.

Präsident Kibaki war 2002 mit dem Versprechen eines Neuanfangs und der Korruptionsbekämpfung angetreten. Nun aber wehrt sich seine Umgebung mit Händen und Füssen – und viel Schmiergeld – gegen einen Machtverlust. Um nach Jahrzehnten autoritärer Präsidialherrschaft die Demokratie zu stärken, hat Bomas vorgeschlagen, dem Regierungschef und seinem Kabinett mehr Macht zu geben. Derzeit wird heftig darüber gestritten, ob das Parlament in Nairobi berechtigt ist, den Bomas-Entwurf abzuändern.

Um Teilnehmer der Bomas-Konferenz umzustimmen, wurde ihnen übers Wochenende von Regierungsleuten ein Diner ums andere geboten – und auch Geld zugesteckt. Die neue Verfassung sollte auf Mitte Jahr in Kraft gesetzt werden, doch ist der erwartungsfohe Elan, der bei Kibakis Amtsantritt das Land durchzogen hatte, verflogen.

Datum: 24.03.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service