Weiterhin kein Verkündigungsrecht für ägyptische Christen

Koptische Kirche in Ägypten

Dieses Jahr hatte für die starke christliche Minderheit in Ägypten mit grossen Hoffnungen auf Besserstellung nach jahrzehntelangen Übergriffen militanter Muslime und Diskriminierungen durch die Staatsorgane begonnen. Doch diese Hoffnungen erlitten jetzt einen Rückschlag.

Die Hoffnung keimte anfangs Jahr nach der erstmaligen Anerkennung des koptischen Weihnachtsfestes am 7. Januar als staatlicher Feiertag. Genährt wurde sie dann vom raschen Aufstieg des eher christenfreundlichen Präsidentensohnes Gamal Mubarak in der Hierarchie der dominierenden Nationaldemokratischen Partei. Gamal, der sich auch allgemein durch seinen Einsatz für bessere Wahrung der Menschenrechte am Nil einen Namen gemacht hat, war auch persönlich zum koptischen Weihnachtsfest in der Markus-Kathedrale von Kairo erschienen.

Zeichen der Hoffnung

Zuletzt begrüssten Ägyptens Christen die Ernennung des aufgeschlossenen Scheichs Ali Gomaa, 51, zum neuen Grossmufti des Landes. Der oberste islamische Würdenträger hat vor seinem Theologiestudium am Kairoer Azhar an der staatlichen Universität Wirtschaftswissenschaften studiert. Dort hatte er sich eine Reihe christlicher Freunde gemacht. Von seinem Vorgänger Muhammad Ahmed at-Tajjib konnte man das nicht sagen: Er hatte die palästinensischen Selbstmordanschläge erst gebilligt und dann unter internationalem Druck verurteilt, sich aber den Christen gegenüber durch eine unverändert feindselige Haltung „ausgezeichnet”.

Letztes positives Zeichen für ein verbessertes Verhältnis von Muslimen und Christen in Ägypten war Mitte November ein traditionelles Abendessen zum Fastenbrechen im Monat Ramadan, das vom Oberhaupt der koptischen Kirche, Patriarch Schenudah III., für islamische Würdenträger gegeben wurde. An diesem „Iftar”-Mahl nahmen Ägyptens höchste islamische Lehrautorität, der Azhar-Grosscheich MuhammadTantauwi, Ministerpräsident Atef Ebeid und der schon erwähnte Sohn Gamal von Staatspräsident Hosni Mubarak teil.

Gemeinsame Offenbarung vorausgesetzt

Diese christlich-islamische Mahlgemeinschaft setzt auf beiden Seiten voraus, dass sich Kirche und Moschee als Zweige ein und derselben göttlichen Offenbarung verstehen. Im Unterschied zur heutigen Re-Islamisierung, die sogar das Existenzrecht von Christen und Juden bestreitet, hat der traditionelle Islam an der grundlegenden Einheit aller Eingottgläubigen festgehalten.

Trotzdem wurden Übertritte vom Islam zum Christentum in Ägypten nie zugelassen. 1995 waren drei koptische Priester im Kairoer Stadtteil Gizeh unter der Anklage verhaftet worden, sie hätten eine Muslimfrau zum Übertritt in die christliche Kirche und zur Taufe angestiftet. In einem ähnlichen Fall wurde der koptisch-evangelische Pfarrer Walid Gajjed nur mit Müh’ und Not von der Anklage freigesprochen, Bekehrungen von Muslimen veranlasst zu haben. Seit die neue Verfassung von 1973 dem islamischen Religionsgesetz, der Scharia, wieder zur „Hauptquelle” des ägyptischen Rechtes erhoben hat, beschäftigen sich auch Polizei und Gerichte mit der Ahndung rein religiöser Vergehen.

Rückfall in die Repression

Dennoch war es ein Schock, als nun plötzlich wieder in Alexandria 22 frühere koptische Christen verhaftet wurden, weil sie vom Islam zum Christentum zurückkehren wollten. Ihrem Anwalt, dem christlichen Menschenrechtsaktivisten Mamduh Nachlah, ist es bisher nicht gelungen, ihre Freilassung zu erwirken.

Zu den Christen in Ägypten mit 70 Millionen meist muslimischen Einwohnern gehören mindestens acht Millionen Kopten sowie eine halbe Million evangelische Christen, Katholiken, Armenier, Griechisch- und Syrisch-Orthodoxe.

Datum: 20.11.2003
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet.ch

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