Das Trump-Dilemma

Christen in islamischen Ländern fürchten Vergeltung

Niemand fürchtet die Konsequenzen der Einreisebeschränkungen von Präsident Trump mehr als Christen, die in den betroffenen Ländern leben. Das hat jetzt ein Bericht der Zeitung «Wall Street Journal» offengelegt. 
Christen im Nahen Osten

US-Präsident Trump will Christen im Nahen Osten helfen. «Sie sind furchtbar behandelt worden, und wir werden ihnen helfen», erklärte er in der letzten Woche gegenüber dem «Christian Broadcasting Network».

Das Dilemma

Aber Trump ist im Dilemma. Während er Christen im Nahen Osten einen Sonderstatus als akzeptierte Flüchtlinge gibt (in etwa das Gegenteil der Politik von Barack Obama), haben genau diese Christen Angst, dass diese Einteilung einen neuen Keil zwischen Christen und Muslime treibt.

Was aus amerikanischer Sicht gut gemeint ist, kann aus nahöstlicher Sicht problematisch sein. Denn die Sorge ist gross, dass die geschätzten 13 Millionen Christen in den Ländern, die sein Einreisestopp betrifft, für seine Massnahmen zahlen müssen. «Niemand hier sieht diese Massnahmen nur als vom Sicherheitsbedürfnis motiviert; alle glauben, dass es auf die Einwanderung von Muslimen generell abzielt», erklärt Basem Shabb, das einzige protestantische Mitglied des libanesischen Parlaments, gegenüber dem Wall Street Journal.

Giftkelch?

«Trumps Angebot, zu helfen, ist wie ein vergifteter Kelch. Er kommt um den Preis der Entfremdung zwischen den Christen der Region und ihren muslimischen Nachbarn», sagt Shabb weiter. Die Zeitung zitiert auch den Christen Yonadam Kanna, der dem Minderheitsblock im irakischen Parlament vorsteht. Er hat keinen Zweifel, dass der Erlass als Schuss nach hinten gegen die irakischen Christen losgehen wird: «Das wird zu Diskriminierung führen und sich für Minderheiten sehr negativ auswirken.» Er hielt fest, dass, während Christen im Nahen Osten dankbar sind für Unterstützung, sie auch von Präsident Trump wünschen, dass er «hilft, dass sie hier leben können».

Ganz unterschiedliche Situationen

Die Position der Christen im Nahen Osten ist von Land zu Land sehr verschieden. Im Libanon, wo der Präsident und der oberste Heereschef beide Christen sind, lebt der grösste Teil der Bevölkerung relativ sicher. In Ägypten waren die koptischen Christen in letzter Zeit wiederholt Opfer islamischer Terrorangriffe, bleiben aber eine zuverlässige Unterstützung für Präsident al-Sisi. Keins der beiden Länder ist denn auch vom Trump-Einreisestopp betroffen. 

Unter den sieben Ländern, die der Trump-Erlass betrifft, haben Syrien und der Irak grosse christliche Gemeinschaften. Sie sind durch ISIS und andere sunnitische Extremistengruppen in den letzten Jahren stark angegriffen und dezimiert worden; dennoch wurden sie immer noch leicht besser behandelt als schiitische Muslime, die nur die Wahl zwischen Bekehrung und Tod haben.

Misstrauen gegenüber Christen wird zunehmen

Überall im Nahen Osten begegnet ein grosser Teil der muslimischen Bevölkerung Christen wegen ihrer historischen Verbindungen zum Westen mit Misstrauen. Der Trump-Einreisestopp werde diesen Gefühlen neue Nahrung geben, warnt Michael Wahid Hanna, Nahostspezialist am Think Tank «Century Foundation» in New York. «Er stellt die Christen und andere Minderheiten fast als Vorposten des Westens dar – eine Gemeinschaft, die nicht unbedingt eine Zukunft in der arabischen Welt hat.»

Diese Empfindungen und Einschätzungen sind einige der Gründe, warum christliche Leiter aus dem Nahen Osten den Erlass Trumps kritisieren. «Christen sind Teil des Nahen Ostens, und sie akzeptieren es nicht, anders als ihre muslimischen Mitbürger behandelt zu werden», fasst Pater Rifaat Bader, Leiter des katholischen Zentrums für Studien und Media in Jordanien, zusammen. 

Zum Thema:
Sie werden Christen oder Atheisten: Saudis und Ägypter verlassen vermehrt den Islam
Bitte an westliche Christen: «Betet nicht dafür, dass die Verfolgung aufhört!»
Gottfried Locher in Beirut: «Die menschliche Tragödie im Blick behalten»
«Höchst ungewöhnlicher Schritt»: USA: Über 500 evangelikale Leiter warnen Trump und Pence

Datum: 13.02.2017
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / The Gospel Herald

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service