Corona und der Umgang damit

Zwischen Gelassenheit und Panik

Es vergeht keine Nachrichtensendung ohne neue Hiobsbotschaften wegen der Ausbreitung des COVID-19-Virus – genannt «Corona». Vieles dabei ist noch nicht klar, doch spätestens, seit er in unserer Nachbarschaft angekommen ist, müssen wir uns tatsächlich entscheiden, wie wir damit umgehen.
Viele Menschen am Bahnhof
Redaktor Hauke Burgarth

Vor einer knappen Woche nahm ich an einem Treffen teil, wo ein «gesalbter Beter» mit Blick auf die Corona-Epidemie den «Mächten» mit dem Psalmwort gebot: «Wenn auch tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen…» (Psalm Kapitel 91, Vers 7). Wenigstens die Christen sollten danach wohl unter dem scheinbar verheissenen Schutz Gottes stehen. Anschliessend war ich als Teilnehmer beim WillowCreek-Leiterkongress in Karlsruhe. Dort wurde zwar zur Vorsicht gemahnt, aber warum sollte es ausgerechnet uns treffen – bei bisher extrem wenig bekannten Fällen in Baden-Württemberg?

Es fühlte sich seltsam an, als mitten im Geschehen Jörg Ahlbrecht als Verantwortlicher des Vorstands auf die Bühne kam und sichtlich bewegt verkündete, dass der Kongress wegen eines Corona-Falles beendet sei. Eine Weile später erreichte mich bereits die Mail meines christlichen Teilzeitarbeitgebers, dass ich als Teilnehmer des Kongresses sicherheitshalber in den nächsten drei bis sieben Tagen nicht ins Büro kommen sollte…

Willkommen im normalen Corona-Wahnsinn.

Die gefühlte Wirklichkeit

Seit Wochen beherrscht Corona die Nachrichten: «Sieben bereits vorerkrankte Senioren in China verstorben.» Ich überspitze, das weiss ich. Aber gefühlt gibt es seit dem Bekanntwerden des neuen grippeähnlichen Virus, der jetzt unter SARS-CoV-2 oder COVID-19 firmiert, kaum Nachrichten, die ähnlich brisant erscheinen. Und die Verbreitung des Ganzen tut ein Übriges. Denn die zu Beginn weit entfernte Gefährdung ist längst bei uns angekommen.

Ich war, wie gesagt, auf dem Leiterkongress von WillowCreek, bei dem ein Redner, der das Kongressgelände noch nicht betreten hatte, infiziert wurde. Und ich bin heimgekehrt in die Region Giessen, wo seit dem Wochenende zwei Fälle bekannt wurden. Corona ist da! In meiner Umgebung. Und wahrscheinlich auch in Ihrer. Was sind unsere Reaktionen darauf?

«Jetzt ist maximaler Schutz notwendig» – «Das ist völlig übertrieben» – «Es ist ein Zeichen der Endzeit» – «Hoffentlich lassen sich noch Menschen wachrütteln und treffen eine Entscheidung für Jesus» – «Warum sollte es ausgerechnet mich treffen?»

All diese und noch viel mehr Meinungen sind mir im Verlauf der letzten Tage begegnet. Und zusammen spiegeln sie unsere «gefühlte» Wirklichkeit gut wider, nicht die tatsächliche Situation. Denn das Grundgefühl – Christ oder nicht – ist Unsicherheit. Es gibt noch keine echten Erfahrungswerte. Trotzdem fordert die Mutation des SARS-Virus (= Verursacher schwerer Atemwegserkrankungen) bereits Menschenleben. Offensichtlich bin ich – sind wir – hier einer Bedrohung ausgesetzt, die scheinbar nur sehr wenige Menschen tatsächlich lebensbedrohlich betrifft, die aber gleichzeitig in nächster Nähe auftritt. Das fühlt sich einfach nicht gut an!

Die harten Fakten

Bereits am 1. Dezember 2019 wurde im chinesischen Wuhan der erste Patient mit einer unbekannten Lungenkrankheit registriert. Sechs Wochen später wurde der erste Fall von Corona im Ausland dokumentiert. Inzwischen gibt es Infizierte in mehr als 40 Ländern. Das sind (Stand 2.3.20) gut 80'000 in China, fast 1'700 in Italien und beinahe 1'000 im Iran. In Deutschland sind momentan 130 Personen infiziert, in der Schweiz 27. Diese Zahlen stammen von der interaktiven und ständig aktualisierten Karte der Johns-Hopkins-Universität in den USA. Bisher scheint klar, dass das Virus ähnlich ansteckend und tödlich sein kann wie ein Grippevirus. Die allermeisten Toten waren über 80 Jahre alt bzw. hatten Vorerkrankungen. Männer scheinen deutlich häufiger schwer krank zu werden als Frauen. Doch all diese Angaben sind letztlich noch nicht geklärt, da die ältesten Daten gerade einmal sechs bis acht Wochen alt sind und nicht bekannt ist, wie und bei wem sie in China erhoben wurden.

So ist es nicht erstaunlich, dass die vielen Schaubilder und Infoboxen in Fernsehnachrichten und Zeitungen letztlich kaum etwas Neues liefern – ausser der steigenden Zahl an infizierten Menschen. Dazu gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Die Gute ist, dass der Verlauf von Corona dem der bisherigen Grippewellen wohl sehr ähnlich bleibt. Jedenfalls deutet bis jetzt nichts auf dramatische Unterschiede hin. Die Schlechte ist, dass Corona einer Grippewelle mit mutiertem Erreger wohl sehr ähnlich ist. Und die kann durchaus verheerende Ausmasse annehmen: So kostete die Russische Grippe 1977 um die 700'000 Menschen das Leben, die Spanische Grippe 1918 bis 20 sogar 20 bis 50 Millionen Menschen.

Erstaunlicherweise bekommt die «bekannte», aber ebenfalls gefährliche, Grippe viel weniger Aufmerksamkeit als die unbekannte COVID-19-Erkrankung. Klar: Neues und Unbekanntes macht mehr Angst als scheinbar Bekanntes. Und momentan ist es noch so, dass jährlich 1,5 Millionen Malariatote uns weiter weg erscheinen als zurzeit 2'699 Corona-Tote. Verschwörungstheorien über den Ursprung von Corona sind wohl genauso der Jagd nach Quoten geschuldet wie überzogene Sterblichkeitsraten. Darauf weisen nicht nur Politiker hin, sondern auch Fachleute wie der Virologe Christian Drosten von der Charité in Berlin.

Mein Umgang damit

Was bedeutet das alles praktisch für einen Normalsterblichen mit relativ wenig medizinischem Wissen, einer grossen Familie und einer Arbeit, die ihn immer wieder mit Menschen zusammenbringt?

Mich informieren: Neben zahllosen Schreckensnachrichten gibt es jede Menge sachlich und gut aufbereitete Informationen wie zum Beispiel «Die wichtigsten Antworten zum Corona-Ausbruch» von der ZEIT. Das wird übrigens in sechs Wochen noch wichtiger sein als heute. Denn dann ist die neueste Nachricht über die Ausbreitung von Corona «Schnee von gestern» – einfach nicht mehr interessant, aber unter Umständen immer noch wichtig.

Dinge realistisch sehen: Seit zehn Tagen sagt der bundesdeutsche Gesundheitsminister in fast jedem Interview: «Wir stehen am Anfang einer Epidemie.» Trotzdem lautet Frage eins in fast jedem Gespräch mit ihm oder anderen, ob sich das Ganze in der nächsten Zeit eindämmen lässt. Klare Antwort: Nein. Wahrscheinlich wird Corona bald von der WHO zur Pandemie erklärt, weil die Krankheit sich nicht nur in einzelnen Regionen ausbreitet, sondern weltweit.

Vorkehrungen treffen: «Weihnachten kommt immer so plötzlich», meint eine Bekannte von mir jeden Herbst. Recht hat sie: Bei allen Unwägbarkeiten gibt es vieles, was sich vorbereiten lässt. Das beginnt bei vernünftigem Hygieneverhalten (eher Händewaschen als dem Tragen eines Mundschutzes) und hört bei einer massvollen Vorratshaltung noch längst nicht auf.

Niemanden aus Angst anklagen: Die eigene Unsicherheit treibt manchmal unangenehme Blüten. Da ist Dahee (Name geändert), eine junge koreanische Frau, die jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit nach Frankfurt pendelt. Bis jetzt war das kein Problem, doch seit Corona lebt sie damit, dass Menschen aufstehen und herausgehen, wenn sie den Waggon betritt. Sie wird regelmässig angesprochen: «Geh doch wieder dahin zurück, wo du herkommst…» Aber was soll sie den ganzen Tag in Stuttgart? Ich denke, es ist klar, dass viele Menschen nervöser sind als sonst. Umso bewusster kann ich daran arbeiten, niemanden als Ventil für meine Ängste zu missbrauchen.

Ängste ernst nehmen: Wenn ich mich durch Corona nicht bedroht fühle, dann sollte ich trotzdem sensibel dafür sein, dass andere Angst haben. Ich kenne ja auch ihre Gründe nicht. Ich selbst mache mir zurzeit auch keine besonderen Sorgen. Meine Gesundheit ist ziemlich stabil, aber ich habe eine alte Schwiegermutter im Haus wohnen, die einer Erkrankung nicht viel entgegenzusetzen hätte.

Kein frommes Instrumentalisieren: Ein Facebook-Bekannter hat vor Kurzem gepostet: «Wir werden alle sterben. Aber viel wichtiger: Hast du Frieden mit Gott und die Vergebung durch Jesus angenommen?!» Hier gibt es sicher unterschiedliche Herangehensweisen. Mir läuft es allerdings kalt den Rücken herunter, wenn ich sehe, wie Christen an die Ängste ihrer Mitmenschen appellieren, ohne darüber hinaus irgendeine Hilfe anzubieten.

Handeln wie Jesus: Es ist schwierig, biblische Krankheitsfälle schnell auf Corona und meinen Umgang damit zu übertragen. Jesus hatte Kontakt zu Leprakranken (z.B. Lukas, Kapitel 5, Vers 12), die allerdings kaum ansteckend waren, und hat sie mit seinem Heil «infiziert». Er verweigerte theologische Grundsatzdiskussionen um die Herkunft von Krankheiten und half lieber konkret (z.B. Johannes, Kapitel 9, Verse 1–3). Insgesamt war er weniger der, der Not erklären oder Menschen dafür zurechtweisen wollte. Er war eher da und hat sich um die Betroffenen gekümmert. Diese Haltung wünsche ich mir auch für mich.

Zum Thema:
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Datum: 04.03.2020
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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