Ferienzeit

«Der Rhythmus der Wellen ist sehr entspannend»

Wozu braucht der Mensch eigentlich Ferien? René Hefti, Chefarzt an der Klinik SGM Langenthal, zeigt auf, wozu Ferien ursprünglich gedacht waren. Er erklärt, warum körperliche Regeneration so wichtig ist und gibt Tipps, wie man sich am besten erholt. Zudem verrät er, warum seine schönsten Ferien stets mit Wasser zu tun hatten.Wo waren Sie das letzte Mal in den Ferien?
«Ein gesunder Schlaf ist äusserst wichtig»: Chefarzt René Hefti

René Hefti: Ich war im Frühling mit meiner Familie eine Woche in der Camargue in Südfrankreich. Wir haben auf einem umgebauten Bauernhof übernachtet, der für Gäste hergerichtet wurde, einer «gîte». Es ist ein ideales Umfeld für Familienferien, man ist in der Natur und unabhängig. Die Ferienplanung ist für uns aber nicht einfach, weil meine Frau – auch eine Ärztin - und ich beide sehr engagiert sind. Meist kommt bei mir Arbeit mit in die Ferien.

Worin liegt für Sie der Sinn von Ferien?
Der Begriff «Ferien» kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet «Festtage, Feste», hat also etwas Besinnliches und Feierliches. Ferien, wie wir sie heute kennen, haben diese Bedeutung verloren. Sie sind ein fester, gesetzlich geregelter Teil der Arbeitswelt und geben jedem Arbeitnehmer das Recht, sich vier bis sechs Wochen aus dem Arbeitsalltag auszuklinken, unter anderem, um sich zu regenerieren.

Was heisst für Sie «regenerieren»?
Regenerieren geschieht, indem ich die körperliche und seelische Aktivität «herunterfahre». Dazu ist die Nacht extrem wichtig. In der Nacht entspannt sich die Muskulatur, und der Kreislauf, der Stoffwechsel befinden sich in einem regenerativen Zustand. Dafür sorgt der Parasympathikus, der «Ruhenerv», der die Nacht steuert. Er ist für die Regeneration und den Aufbau körpereigener Reserven zuständig. Eine gute Schlafqualität ist für die Erholung äusserst wichtig. Davon spricht auch die Bibel in Psalm 4: «Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.»

Warum gönnen heute viele Menschen ihrem Körper die nötige Ruhe nicht?
Der natürliche Tag- und Nacht-Rhythmus ist durch den modernen Lebensstil mit 24-Stunden-Dauerbetrieb teilweise auf-
gehoben. Früher war das anders. Wenn es dunkel wurde, ging man zu Bett. Heute kann man sich rund um die Uhr beschäftigen.

Obwohl wir heute viel mehr Ferien und folglich mehr Ruhe­pausen haben als im letzten Jahrhundert, nehmen psychische Erkrankungen immer mehr zu. Woran könnte das liegen?
Es hat mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu tun. Die soziale Einbindung ist heute schlechter als früher, und die Belastung im Alltag ist höher. Menschen, die psychisch nicht belastbar sind, fallen aus der Arbeitswelt, weil sie den hohen Anforderungen nicht genügen können. Das hat aber keinen direkten Zusammenhang damit, wie viele Wochen Ferien wir haben. Die Frage ist vielmehr: Wie bewältige ich den Alltagsstress?

Wie erholt man sich denn am besten in den Ferien?
Dafür gibt es meiner Meinung nach kein Schema. Es ist so individuell wie wir Menschen sind und immer eine Kombination aus verschiedenen Faktoren. Ich selber schätze es, zuerst drei bis vier Tage nichts zu tun und einmal wieder richtig auszuschlafen. Das ist der regenerative Teil im engeren Sinn. Um mich zu erholen, muss ich Dinge tun können, die ich gerne mache und für die im Alltag wenig Zeit bleibt: Lesen, auch wissenschaftliche Literatur, Zeit für die Familie haben, Beziehungen pflegen, in der Natur sein, die Landschaft geniessen, Reisen, Neues entdecken. All das gehört für mich zu erholsamen Ferien.

Worauf achten Sie selber bei der Ferienplanung, damit alle Familienmitglieder möglichst auf ihre Rechnung kommen?
Ferienplanung, gerade als Familie, scheint mir eine Kunst, da die Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind. Wir planen immer einen Teil mit gemeinsamen Aktivitäten und einen Teil ohne Programm zur Erholung. Wenn möglich nehmen wir uns auch Zeit, um mit anderen Familien Gemeinschaft zu pflegen. Ein kürzlich erlebtes Pfingstwochenende in der Kommunität «Don Camillo» in Montmirail im Kanton Neuenburg hat diese verschiedenen Bedürfnisse sehr gut zusammengebracht. Im Elternprogramm gab es besinnliche und gottesdienstliche Elemente, die halfen, die Beziehung zu Gott zu stärken und zu vertiefen, was für uns sehr wohltuend war.

Jesus Christus war fast rund um die Uhr im Einsatz für die Menschen. In der Bibel steht nirgends, dass er mal eine längere Auszeit oder eben Ferien hatte. Wie schaffte er das bloss?
Jesus war Mensch und Gott zugleich. Deshalb waren ihm Dinge möglich, die unser Vermögen übersteigen. Aber auch Jesus machte Pausen und zog sich an stille Orte zurück, um zu beten. Seinen Jüngern befahl er, sich nach ihrem Einsatz auszuruhen. Das Leben Jesu zeigt uns die Dimension unseres Auftrages als Christen in dieser Welt, ein Auftrag, der eigentlich eine Nummer zu gross ist für uns. In diesem Spannungsfeld leben wir. Ein anderes Beispiel ist die Geschichte von Maria und Martha. Martha versuchte, Jesus ernsthaft zu dienen. Jesus wies sie darauf hin, von Maria zu lernen. Gerade engagierte Menschen brauchen also «Ruhezeiten zu Füssen Jesu».

Für Christen sind Ferien also eine Gelegenheit, sich auf Gott auszurichten und den Glauben zu stärken. Wie gelingt das am besten?
Christliche Ferienangebote sind sicherlich geeignet, um geistlich aufzutanken. Oft braucht es aber gar kein organisiertes Programm dafür. Ich selber geniesse es, in Ruhe einen Bibeltext zu lesen, das Wort auf mich einwirken zu lassen und so mit Gott in ein Zwiegespräch zu kommen. Das baut mich auf. Was für mich aber dazu gehört, ist Gottes Wort auch zu tun und so seinen Auftrag in dieser Welt wahrzunehmen. Dafür gibt es keine Feriendispens. So habe ich in den letzten Sommerferien einen Strasseneinsatz und ein kleines Kindermusikevent initiiert, was mir dann den Titel «Jugendpastor» eingebracht hat.

Welches war Ihr schönstes ­Ferienerlebnis?
Ein Ferienerlebnis, das mir in besonderer Erinnerung geblieben ist, ist die Flusskreuzfahrt auf dem Nil, die meine Frau mir zum 40. Geburtstag geschenkt hat. Das ruhige Dahingleiten, die gemeinsame Zeit, die faszinierenden Landschaften und das arabische Ambiente sind für mich unvergessliche Eindrücke.

Das Interview mit René Hefti erscheint hier in gekürzter Form. Den vollständigen Text finden Sie im «ideaSpektrum Schweiz».


René Hefti
Jahrgang 1961, verheiratet mit Dorothea, drei Kinder im Alter von zweimal 11 und 7 Jahren, wohnt in Langenthal BE. Studium in Zürich, Ausbildung zum Facharzt für innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie, Zusatzausbildung in ­Psychotherapie und Psychosomatik. Schon früh Interesse an ganzheitlicher Medizin auf Basis eines christlichen Menschenbilds. Seit 1998 leitender Arzt, seit 2006 Chefarzt Psychosomatik der Klinik SGM in Langenthal. Parallel zur medizinischen Tätigkeit Aufbau des «Forschungsinstitutes für Spiritualität und Gesundheit». Liebt seine Arbeit, seine Familie, treibt Sport, fotografiert und zeichnet gerne.

Klinik SGM
Die Klinik SGM Langenthal ist eine christliche Fachklinik für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie mit 36 Betten. Die Klinik entstand 1987 aus der Vision einer ganzheitlichen Medizin, bei der Leib, Seele und Geist in die Behandlung mit einbezogen werden. Die Stiftung für ganzheitliche Medizin (SGM) wurde von Kurt Blatter gegründet. 2009 wurde die Klinik für das ganzheitliche Engagement für psychisch kranke Menschen mit dem internationalen «Hope Award» der Organisation Hope for Europe ausgezeichnet. 2012 feiert sie ihr 25-jähriges Bestehen.

Datum: 24.06.2012
Autor: Christian Bachmann
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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