„Gesundheit ist mehr als ein intakter Körper“

Dr. med. Rico Stocker.
Apfel

„Gott hat Reparaturvorgänge in den Körper hinein gelegt“, davon ist Rico Stocker, Facharzt für Allgemeinmedizin FMH, mit Praxis in Davos, überzeugt.

In einem Interview äussert sich Dr. med. Rico Stocker über Gesundheit, Lebensperspektiven, die Grenzen der Medizin und den christlichen Glauben.

Ursula Costa: Gesundheit ist für die meisten Menschen ein kostbares Gut. Gesundheitsmagazine in Print- und elektronischen Medien haben Hochkonjunktur. Wellness- und Beautyfarmen machen Milliarden-Umsätze. Ist Gesundheit wirklich das wichtigste im Leben?
Rico Stocker: Gesundheit ist sicher etwas Wesentliches. Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Gesundheit als Wohlbefinden von Leib, Seele und Sozialem. Als Christ messe ich auch dem Geist einen hohen Stellenwert bei. Gesundheit hat mehr mit Zufriedenheit und Glücklichsein zu tun als mit einem Körper, der immer fit und jung bleiben soll. Es gibt Menschen, die fühlen sich gesund, selbst wenn sie medizinisch gesehen sehr krank sind. Andere sind medizinisch gesund und fühlen sich todkrank. Wieder andere haben einen grossen inneren Frieden um mit ihrer Krankheit zu leben.

Ein leidender Patient könnte demnach Ihre Frage nach seinem Wohlbefinden mit «es geht mir gut» beantworten. Was tun Sie dann?
Manchmal frage ich meine Patienten, ob sie glücklich sind.

Das deutet darauf hin, dass Sie den Menschen ganzheitlich betrachten und nicht nur auf sein akutes Leiden eingehen?
Ja. Beim Erstbesuch eines Patienten versuche ich eine Anamnese zu machen, die alles beinhaltet. Die Vorgeschichte, den Körper von Kopf bis Fuss, das Umfeld und die Gewohnheiten. Es interessiert mich, welchen Beruf die Person, die von mir medizinische Hilfe erwartet, ausübt, wie sie lebt, ob sie raucht, trinkt oder Drogen nimmt. Wenn ich mir Zeit nehme für ein Gespräch komme ich nicht selten auf ein Problem zu sprechen, das viel wesentlicher ist für das Leben dieses Menschen als das mir primär präsentierte Symptom.

Ganzheitliche Medizin ist heute im Trend. Wie weit beeinflusst die Psyche unser Wohlbefinden wirklich?
Körper und Seele beeinflussen sich gegenseitig. Menschen, die unglücklich sind oder ein schlechtes Gewissen haben, werden schneller körperlich krank. Andererseits kann das körperliche Leiden die Psyche belasten. Auch Rauchen, Trinken, Drogenkonsum oder ungesunde Beziehungen haben Auswirkungen auf die körperliche Verfassung. Die Bibel ist übrigens auch in dieser Beziehung eine gute Gebrauchsanleitung fürs praktische Leben. Wenn wir uns vermehrt danach ausrichten würden, blieben uns viele Krankheiten und Probleme erspart.

Wissen Sie, manchmal ist es grotesk. Da kommen Menschen in meine Praxis und verlangen einen Gesundheitscheck. Sie sind übergewichtig, bewegen sich zu wenig, rauchen und fragen gleichzeitig: Herr Doktor, bin ich gesund? Dabei wissen sie genau, was sie an ihren Gewohnheiten ändern müssten.


Was tun Sie persönlich für Ihre Gesundheit?
Für mein körperliches Wohlbefinden jogge ich zwei Mal pro Woche rund eine halbe Stunde lang, im Winter kann es auch Langlauf oder Snowboard sein. Zudem konsumiere ich keine Suchtmittel ausser einem Glas Wein zu einem guten Essen. Das sind die positiven Punkte. Es gibt auch Negatives: ich schlafe zu wenig. Für meine geistige Gesundheit versuche ich regelmässig meine Beziehung mit Gott zu pflegen. Bibellesen und das Gebet bringen mir sehr viel.

Wie gehen Sie damit um, wenn Sie als Hausarzt einem Patienten die Diagnose «unheilbar» mitteilen müssen?
Das ist unterschiedlich. Es gibt Krankheiten, die finde ich selber nicht so schlimm, weil sie zwar lebenslange medikamentöse Behandlung voraussetzen, aber ohne Nebenwirkungen ein einigermassen normales Leben zulassen. Andere Leiden erscheinen mir schwerer. Dazu gehören diejenigen, die eine Veränderung des Lebensstils erfordern wie zum Beispiel die Zuckerkrankheit; eine Erkrankung, die im chronischen Verlauf früher oder später zu Organveränderungen führt. Muss ich einem Patienten ein Tumorleiden mitteilen, beschäftigt mich dies natürlich auch sehr, wobei dies immer auch vom Alter des Patienten und vom Zeitpunkt abhängt, in welchem die Diagnose gestellt werden kann. Deshalb ist es für mich als Hausarzt eine Herausforderung, Krankheiten möglichst früh zu erkennen, bevor der Patient starke Symptome aufweist.

Hilft Ihnen bei der Aufklärung des Patienten über seine Krankheit und deren mögliche Folgen Ihr christlicher Glaube?
Ich kann meine Lebenseinstellung nicht einfach auf meine Patienten übertragen und deshalb sind solche Gespräche nicht leicht. Oft möchte der Patient von mir ausschliesslich über die medizinischen Möglichkeiten ins Bild gesetzt werden. Muss ich einem Patienten mitteilen, dass ein Tumor früher oder später zum Tod führen wird, will er in erster Linie, dass alles Menschenmögliche getan wird, um dies zu verhindern. Solche Patienten wollen von mir nichts vom Sterben hören.

Wenn ich Sie richtig verstehe, ist es Ihnen nicht möglich, die Hilfe, die Sie bei Gott finden, an Ihre Patienten weiter zu geben?
Das kann man so nicht sagen. In schweren Fällen gebe ich häufig meine persönliche Sicht des Lebens weiter und sage ehrlich, wie ich die Situation einschätze und wie ich damit umgehen würde. Ich sage dem Betroffenen, dass Jesus Christus Menschen heilen kann. Dafür gibt es im Neuen Testament genügend Beispiele. Die Frage ist einfach, ob ein Mensch sein Leben diesem Jesus anvertrauen möchte. Er wäre der bessere Arzt als ich.

Aber Krankheit hat ja häufig auch einen Sinn. Gott lässt Krankheiten oder Unfälle zu, damit Menschen überhaupt beginnen nachzudenken. Viele Menschen leben ihr Leben heutzutage «problemlos», sie brausen wie auf der Autobahn mit 120 Stundenkilometern durch ihre Tage und meinen, Gott nicht zu benötigen. In solchen Fällen stoppt Gott Personen manchmal. Ich sehe diese Stopps als Chancen – die Bibel nennt sie Gnade. Diesen Punkt habe ich Patienten auch schon erläutert, wenn die Frage nach dem Warum auftauchte.


Beten Sie auch mit Patienten?
Nicht grundsätzlich. Was ich oft tue, ist für Patienten zu beten, vor allem dann, wenn ich selber der Situation ratlos gegenüber stehe. Dann bin ich froh, dass ich beten kann. In Situationen, die wirklich ausweglos sind, habe ich Patienten auch schon gefragt, ob ich mit ihnen beten dürfe. Einmal war ich erstaunt, dass mir nach dem Gebet eine Frau mit tränennassen Augen gegenüber sass und mir eingestand, dass noch nie in ihrem Leben jemand mit ihr und für sie gebetet habe. Solche Menschen fühlen im Gebet, dass jemand für sie da ist und sie nicht allein sind mit ihrem Problem, auch wenn sie noch keine persönliche Beziehung mit Gott haben.

Wenn Sie beten, wenden Sie sich an Gott und erwarten von ihm Hilfe. Wer heilt denn letztendlich? Ist es die Medizin, ist es der Arzt oder Gott?
Als Christ bin ich überzeugt, dass Gott heilt. Er hat auch Heilungsmechanismen in den Mensch hinein gelegt. Man weiss zum Beispiel, dass viele Zellen unseres Körpers entarten. Der Körper erkennt diese Zellen als körperfremd und eliminiert sie.

Der Arzt kann zur Heilung beitragen und sie unterstützen. Als Beispiel: Ich kann eine Schnittwunde zusammen nähen. Dass die beiden Hautstücke wirklich zusammen wachsen, kann ich aber nicht beeinflussen, diesen Reparationsvorgang hat Gott in den Körper hinein gelegt.

Wo sind für Sie die Grenzen der Medizin?
Vieles ist medizinisch machbar, was ich als Grenzüberschreitung, als Zielverfehlung (Sünde) ansehe. Wir betreiben Medizin, die nicht mehr biblischen Massstäben entspricht. Ich denke beispielsweise an Abtreibung. Ich hätte seinerzeit als Assistenzarzt auf meine Stelle im Frauenspital verzichtet, wenn ich Abtreibungen hätte vornehmen müssen. Auch in meine Praxis kommen Patientinnen, die ungewollt schwanger wurden. Erfreulich sind jene Fälle, wo Patientinnen sich nach beratenden Gesprächen für ein Austragen des Kindes entschieden. Wenn ich diese Kinder später sehe – eines ging beispielsweise mit einem meiner eigenen Kinder zur Schule – bin ich sehr dankbar.

Gibt es noch andere Grenzen, an die Sie als Allgemeinmediziner in dieser Beziehung stossen?
Ja, beispielsweise in der Geriatrie. Als Arzt stehe ich nicht selten vor der Frage, wie ich einen Krankheitsverlauf beeinflusse. Die Menschen werden immer älter. Solange dies mit Lebensqualität einhergeht und der Patient auch geistig fit ist, finde ich dies sehr schön. Oft stellt sich aber die Frage, wie sinnvoll es ist, das Leben eines alten Menschen im Pflegeheim mit Medikamenten zu verlängern, der sich und sein Umfeld nicht mehr kennt. Hier bin ich nicht dafür, das Leben um jeden Preis zu verlängern. Aber man muss das auch offen mit den Angehörigen oder dem Pflegepersonal besprechen.

Setzt das eine Auseinandersetzung mit dem Tod voraus?
Der Tod ist in unserer Gesellschaft leider ein Tabu-Thema, er wird ausgegrenzt und verdrängt. Dabei weiss jeder Mensch, dass sein Leben auf dieser Erde beschränkt ist. Wenn man den Lebensbogen anschaut, geht es letztendlich zwingend um die Fragen: Woher komme ich und wohin gehe ich? Fragen, die die Bibel klar beantwortet.

Jede Person, die ehrlich zu sich selber ist, merkt, dass sich ihr Körper mit zunehmendem Alter verschleisst, dass er nicht ewig hält. Wenn nun das Leben mit dem Tod endgültig aufhört, ist dieser Gedanke schrecklich. Wenn ich hingegen die Aussagen der Bibel in Anspruch nehme und daran glaube, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, dann sind die Perspektiven grossartig. Diese Sicht erlaubt mir, anders mit meiner Krankheit umzugehen und sie anzunehmen. Natürlich gibt es Krankheiten, die sehr schmerzhaft und für den Betroffenen kaum erträglich sind, aber auch hier ist es so, dass Menschen, die ihr Leiden im Glauben an Jesus Christus annehmen können, getragen sind, weil sie um ihre Erlösung wissen.

Dann wäre die Gesundheit gar nicht mehr so relevant?
Nein. Wenn ich davon ausgehe, dass mein Leib sowieso verfällt und beschränkt haltbar ist, dass er irgendwann einmal nicht mehr funktionieren wird, dann werde ich mich nach einem Leben ausstrecken, das ewig dauert. Die Bibel sagt uns, wie ein solches Leben möglich ist, nämlich durch eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Diese Beziehung kann ich bereits auf dieser Welt pflegen und sie wird nach dem Tod noch intensiver werden.

Diese Perspektive hilft dem Menschen freier und glücklicher zu leben. Die Bibel spricht nicht nur von Heilung, sondern auch von Heil und meint damit Rettung. Unser Problem ist nicht nur Krankheit, sondern, dass wir verloren sind, weil uns die Beziehung zu Gott fehlt. Durch den Tod von Jesus am Kreuz hat Gott selber für uns den Weg in den Himmel geebnet. Ein riesiges Geschenk und ein Angebot Gottes für alle Menschen, man muss es nur annehmen.

Dr. med. Rico Stocker ist Facharzt für Allgemeinmedizin FMH in Davos. Er ist verheiratet mit Susi Stocker und Vater von vier Kindern.

Datum: 19.10.2005

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