Die Aids-Kinder vom Mekong haben auch ein Anrecht auf Glück

Noch ein Baby und bereits HIV-positiv.
Sarnelli House bietet Kindern, die an HIV/AIDS erkrankt sind, ein neues Zuhause, Geborgenheit, Liebe und medizinische Betreuung.
Aids-Medikamenten ruinieren die Kinderzähne
Father Shea und eines seiner AIDS-Kinder

Vom 11. bis 16. Juli findet die 15. Internationale Aids-Konferenz in Bangkok statt. Seit dem Ausbruch der AIDS-Epidemie hat es noch nie so viele Neuinfektionen gegeben. Es starben auch mehr Menschen an AIDS als je zuvor, nämlich jährlich drei Millionen.

Die Zahl der Menschen mit AIDS wächst weltweit, von 35 Millionen im Jahr 2001 auf 38 Millionen im Jahr 2003. Davon benötigen etwa sechs Millionen Menschen, so wird geschätzt, dringend eine Therapie.

Auf der Aids-Konferenz in Bangkok will man eine Zwischenbilanz ziehen: Erfüllen die Geberländer ihre Verpflichtungen? Können überhaupt die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Millionen Menschen eine Behandlung erhalten?

Aussergewöhnlich ruhig

Hinter diesen Zahlen und organisatorischen Problemen stehen jedoch Schicksale: Es ist mucksmäuschenstill im Sarnelli House nahe der am Mekong gelegenen Stadt Nongkhai. Auf dem weiträumigen Gelände mit Bambusbüschen, Mangobäumen und breiten Wiesen ist keine Menschenseele zu sehen. "Vielleicht sind die Kinder auf einem Ausflug", sagt Gerd Uwe Köther, der in der Nachbarschaft des katholischen Waisenhauses Sarnelli für HIV-positive Kinder lebt und mit Freunden die Webseite www.sarnelli.org betreut.

Sind sie nicht. Die mehr als 50 Jungen und Mädchen sind nur aussergewöhnlich ruhig: Sie sitzen auf Strohmatten im schattigen Parterre des Haupthauses und warten auf den Beginn des wöchentlichen Gottesdienstes.

Ein kleiner Bursche mit Spitznamen Peter grinst die Besucher an. Peter fehlen ein paar Zähne - wie den meisten der Kleinen. Manche haben nur noch schwarze Stummel im Mund. "Das kommt von den Aids-Medikamenten. Die ruinieren die Babyzähne", erklärt der US-Pater Michael Shea nach dem Gottesdienst. Um ein Missverständnis erst gar nicht aufkommen zu lassen, betont er, dass der Gottesdienst für die Mitarbeiter des Heims und nicht für die Kinder war. "Die meisten sind buddhistisch, und wir missionieren sie nicht. Aber wir können sie ja während dem Gottesdienst nicht ohne Aufsicht lassen."

Kinder mit Fragen

Nach dem Gottesdienst führt Shea in Jeans und T-Shirt durch die Schlafsäle, die Küche, die Spielzimmer des Heims, stellt einige der Kinder und ihre Geschichten vor. Zum Beispiel Peter: Nach dem Aids-Tod der Mutter gab sein HIV-positiver Vater ihn in Obhut der Urgrossmutter, die ihn auf eine Schule schickte. Als herauskam, dass auch Peter HIV-positiv war, musste er die Schule verlassen.

Das Mädchen Ta Dam ist zwölf Jahre alt und blind. Als Achtjährige wurde sie von ihrer Familie als Sex-Spielzeug an einen Fahrer verkauft, der sie mit Aids ansteckte. Pater Shea: "Die Kinder verstehen noch nicht, dass sie krank sind. Schmerzen und Unwohlsein kennen sie aber, das sind sie gewöhnt - auch seelische Schmerzen." Deshalb versuche er so gut wie möglich, den Kindern "etwas Glück und Gesundheit" zu bieten.

Im Garten des Heims, gegenüber dem Schlafsaal der Babys mit Aids das Jüngste ist gerade mal vier Monate alt -, und neben dem Fussballplatz ist der kleine Friedhof gelegen. Christliche Gräber finden sich ebenso wie bunte buddhistische Grabmäler. Daneben eine Feuerstelle aus weiss gestrichenem Beton: das Krematorium, wo Verstorbene nach buddhistischem Brauch verbrannt werden. "Wir verfügen seit einem Jahr über kostenlose Aids-Medikamente. Seitdem ist kein Kinder mehr gestorben", sagt Shea.

Tropfen auf dem heissen Stein

Vor etwa 120 Jahren missionierten französische Missionare aus dem benachbarten Laos auch in Thailand, und so gibt es auch heute noch entlang des Mekong christliche Enklaven.

Zur Finanzierung des Sarnelli House ist der Pater allein auf Spenden und Patenschaften angewiesen. Eigene Fischteiche, Hühner und Schweine sowie ein Gemüsegarten stellen die Grundversorgung sicher. Reis und andere Nahrungsmittel müssen dagegen gekauft werden und schlagen mit umgerechnet 700 Franken monatlich zu Buche. Das vor zwei Jahren gegründete Sarnelli House ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Es ist die einzige Einrichtung für Aids-Waisen im Isan, dem bitterarmen Nordosten Thailands. Schätzungsweise 400.000 Kinder haben landesweit durch Aids ihre Eltern verloren. Viele sind selbst HIV-positiv.

Über die Zukunft der Kinder will Shea lieber nicht spekulieren. "Erst mal müssen wir sehen, dass sie am Leben bleiben. Dann, ob uns auf Dauer genügend Medikamente zur Verfügung stehen werden. Wenn beides eintrifft, müssen wir uns um ihre Ausbildung kümmern."

Zur Internationalen Aids-Konferenz, die am Sonntag im gut 600 Kilometer entfernten Bangkok eröffnet wird, will er nicht reisen: "Die sprechen doch nicht unsere Probleme an", meint er.

Quelle: Kipa/pte online

Datum: 08.07.2004

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