Mit Mozart gesund werden

Musik

Der gezielte Einsatz von Musik kann Parkinson-Kranken das Gehen erleichtern, Schmerzen lindern und epileptischen Anfällen vorbeugen. Sogar Komapatienten reagieren darauf.

Der gebürtige Deutsche und frühere Profi-Geiger Michael Thaut spricht von einer ganz neuen Wissenschaft, der «Neuromusikologie». Diese soll erklären, warum Musik beispielsweise Parkinson-Kranken, Schlaganfall-Opfern, Epileptikern oder Menschen mit chronischen Schmerzen Erleichterung verschafft, sagt Thaut, der die Patientin am Zentrum für biomedizinische Musikforschung der Colorado State University behandelt

Tatsächlich ahnen Mediziner seit längerem, dass sich verschiedenste Gehirnfunktionen mit Musik gezielt beeinflussen lassen. Erstaunlich genug: Manche Effekte treten schon weit unterhalb der Bewusstseinsschwelle auf. «Sogar Komapatienten reagieren auf Musik», berichtet Dominik Traub vom Schweizerischen Fachverband für Musiktherapie. Immer wieder erlebt Traub das Phänomen bei seiner Arbeit am Rehabilitationszentrum Basel, das seit vergangenem Jahr über die erste Schweizer Wachkoma-Station verfügt. Beispielsweise singt Traub einem Komapatienten eine einfache Tonfolge vor und passt sich dabei dessen Atemrhythmus an. Verlangsamt Traub das Tempo, wird auch die Atmung des Patienten ruhiger. Beschleunigt er den Takt der Melodie, nimmt die Atemfrequenz in gleichem Masse zu. «Mitunter machen Komapatienten auch rhythmische Bewegungen mit den Augenlidern oder wippen mit dem Fuss im Takt», sagt Traub. Tatsächlich rufen vor allem rhythmische Stimuli derartige Wirkungen im Nervensystem hervor - was möglicherweise die Rehabilitation der Hirnverletzten fördere.

Den scheinbar magischen Effekt rhythmischer Musik nutzt das Team um Michael Thaut inzwischen ganz systematisch. So haben verschiedene Untersuchungen mit Parkinson-Kranken gezeigt, dass sich ihre meist stark reduzierte Schrittlänge vergrössert und die Gehgeschwindigkeit steigert, wenn die Patienten ihre Bewegungen auf einen akustischen Taktgeber abstimmen. Selbst die oft verwaschene Sprache wird klarer und für Aussenstehende verständlicher, wenn die Betroffenen beispielsweise zum Schlag eines Metronoms laut lesen.

Genau das belegen auch jüngste Untersuchungen von Thaut und Kollegen. Sie konnten mit Hilfe von Bild gebenden Verfahren zeigen, dass rhythmische Reize nicht allein die Hörrinde, sondern auch eine Vielzahl so genannter sensomotorischer Rindenareale stimulieren ebenso wie das Kleinhirn ein ganzes Netz von Nervenzentren also, die bekanntermassen bei der Koordination motorischer Abläufe im Spiel sind. Offenbar fliessen akustische Informationen direkt in das motorische System ein. Selbst die Aktivität von motorischen Nervenzellen im Rückenmark scheint durch akustische Reize beeinflusst zu werden.

Eine ähnliche Idee vertritt auch der Chicagoer Neurologe John Hughes. Hughes hatte bei Epilepsie-Patienten festgestellt, dass eine bestimmte Sonate für zwei Klaviere von Mozart nicht allein die im EEG gemessene Hirnstromaktivität normalisieren kann (und das selbst bei Patienten im Koma), sondern tatsächlich auch die Zahl der Anfälle senkt. Bei anschliessenden Computeranalysen zeigte sich, dass in der Musik von Mozart die Lautstärke offenbar in besonders regelmässigen Perioden an- und abschwillt und zudem Melodielinien häufig wiederholt werden. Diese Regelmässigkeiten die sich in geringerem Mass auch bei Haydn oder Bach finden laufen möglicherweise parallel zu rhythmischen Aktivitätsschwankungen im Gehirn selbst, sagt Hughes. Durch die Musik werde gewissermassen der natürliche Takt des Gehirns aufgegriffen und stabilisiert.

Zusammengestellt: Livenet, Antoinette Lüchinger

Quelle: Sonntagszeitung, Kath. Mediendienst

Datum: 04.02.2004

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