Brasilien

Umweltzerstörung

Rodungsfeuer

Teresina. Über Amazonien hängen derzeit dicke Rauchschwaden illegaler Rodungsfeuer. Lichterloh brennt der Urwald, wie jedes Jahr. Im angrenzenden Nordosten auf einem Gebiet, fünf Mal grösser als Deutschland, bringt eine neue Dürrekatastrophe die Menschen zur Verzweiflung. Hungernde plündern Geschäfte, stoppen Lebensmittel-Transporter und räumen sogar die Schulküchen leer. Entlang der Strassen liegen Tiergerippe. Schwärme bunter Fliegen surren über verwesenden Kadavern.

"Jetzt sterben vor allem viele Kinder und Alte", sagt Erzbischof Celso Pinto da Silva von Teresina. "Der Wassermangel schwächt den Körper. Hinzu kommt extreme Unterernährung und die grosse Hitze; das schlammige Restwasser macht krank." Der Erzbischof wirkt im Teilstaat Piaui, wo seit Februar kaum ein Tropfen Regen fiel. Mehr als 80 Prozent der Ernte ist verloren gegangen, der Notstand wurde ausgerufen.

Wer mit dem Wagen durch die Region fährt, sieht erschütternde Szenen: Ausgemergelte Grossfamilien stehen bei über 40 Grad an Strassen. Sie schaufeln vor herannahenden Fahrzeugen Sand in die Schlaglöcher und bitten dann um ein Almosen. Eigentlich müsste die Mitte-Rechts-Regierung in Brasilia ausreichende Sofort-Hungerhilfen bereitstellen; doch nur ein Teil der betroffenen Familien bekommt monatlich umgerechnet 20 Euro - absurd wenig. Millionensummen werden in Brasilia zurückgehalten.

Wasser zum Stimmenkauf

"Es ist schmerzhaft zu sehen, dass die Mittel-Freigabe zu politischen Zwecken genutzt wird", kritisiert der Erzbischof. Die Kandidaten der örtlichen Oligarchien setzen skrupellos Wasser als Währung im Stimmenkauf ein. Sie schaffen sich damit Abhängigkeiten und bereichern sich an Hilfsgeldern. Grosse Landbesitzer zahlen, damit der Staat Wasserreservoire auf ihren Flächen errichtet. So haben sie wiederum ein Druckmittel gegen die Armen.

Nur wer politisches Wohlverhalten zeigt, hat Zugang zu Wasser. "Solche schrecklichen Abhängigkeiten wollen wir verhindern, deshalb helfen wir den Leuten seit Jahren beim Zisternenbau", erklärt Pinto da Silva. Die Projekte wurden von kirchlichen Hilfswerken entwickelt. "Jede Familie kann dann bis zu 15.000 Liter Regenwasser auffangen und für die Dürrezeit speichern. Viele Zisternen sind bereits fertig - eine Million wollen wir schaffen."

Mundraub

Auch bei früheren Dürrekatastrophen hat die katholische Kirche Plünderungen niemals verurteilt, vielmehr als eine Art Mundraub gerechtfertigt. "In solch einem Elend bleibt den Leuten nichts weiter übrig", räumt der Erzbischof ein. "Wir rufen zu den Plünderungen natürlich nicht auf. Aber wenn die Polizei brutal gegen die Hungernden vorgeht, verurteilt die Kirche das scharf."

Grosse Teile des Nordostens ähneln zunehmend der Sahara. Das Klima hat sich spürbar verändert, es regnet immer weniger. Auch die Flüsse führen immer weniger Wasser, weil an den Ufern Wälder und Savannen abgeholzt oder durch Brandrodungen zerstört werden. An Teresina vorbei fliesst der Rio Parnaiba. Einst beförderten hier Schiffe ihre Waren. Heute ist das unmöglich. Der Erzbischof erzählt: "Als ich kürzlich an einer Fischerprozession teilnahm, lief dauernd ein Boot auf Grund. Viele Nebenflüsse sind wegen der Abholzung bereits ausgetrocknet." Die Kirche macht sich grosse Sorgen um die Zukunft des Nordostens und befürchtet sogar noch weit schlimmere Katastrophen.

Veraltete Praktiken

Dabei hat Brasilien inzwischen recht gute Umweltschutzgesetze. "Aber nur zu oft fehlt der politische Wille, sie umzusetzen; alles hängt von politischen Interessen ab", kritisiert der Erzbischof. Uralte, archaische Praktiken wie die Brandrodung müssten endlich gestoppt und die Bauern entsprechend aufgeklärt werden. Denn Wissenschaftler stellten jüngst auf einer Konferenz in Washington fest, dass Rauchfahnen grossflächiger Rodungsfeuer wie derzeit in Amazonien Niederschläge deutlich verringern oder sogar verhindern. Tropische Brandrodungen, so hiess es, könnten den Wasserkreislauf und das Niederschlagsverhalten sogar weltweit beeinträchtigen - auch in Europa.

Autor: Klaus Hart

Datum: 09.09.2002
Quelle: Kipa

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