Praktizierende Christen haben Fristenlösung deutlich abgelehnt

WahlUrne

Bern. Als einzige grössere gesellschaftliche Gruppe der Schweiz haben sich praktizierende Christen beim Urnengang am 2. Juni deutlich gegen eine straffreie Abtreibung gestellt. Ansonsten fand die Einführung der Fristenregelung in allen Bevölkerungsschichten eine Mehrheit, wie aus einer in Bern publizierten Vox-Analyse hervorgeht. - Die Gesetzesvorlage wurde mit über 72 Prozent Ja-Stimmen angenommen, einzig in den Kantonen Wallis und Appenzell Innerrhoden gab es Nein-Mehrheiten.

Im Abstimmungsverhalten gab es zwischen den Sprachregionen nur wenig Unterschiede. Die bei einer ähnlichen Vorlage 1977 festgestellten starken Unterschiede in der Haltung von Stadt und Land, Katholiken und Protestanten sind zwar nicht eingeebnet, die Positionen haben sich aber im Laufe der vergangenen 25 Jahre deutlich angenähert. So haben sich unter den Katholiken breite Kreise der Mehrheitsmeinung der Reformierten angeschlossen und akzeptieren die Fristenlösung ebenfalls - die Zustimmung fiel jedoch 2002 unter den Reformierten immer noch etwas deutlicher aus.

Laut Vox- Analyse besteht jedoch ein markanter Unterschied zwischen den praktizierenden und den nicht praktizierenden Christen. Die regelmässigen Kirchgänger stellten sich vehement gegen eine straffreie Abtreibung und sind gemäss Studie „die einzige soziodemographische Gruppe, die die Fristenlösung ablehnte“.

Die Vox-Analyse bestätigt die wichtige Rolle religiöser Argumente im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch. Diejenigen Befragten, die religiösen Geboten eine grosse Bedeutung zugestehen, haben sich deutlich gegen die straffreie Abtreibung ausgesprochen.

Die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei wirkte sich ebenfalls auf das Stimmverhalten aus. Wer von den Befragten eine Verbindung zu einer Partei einräumte, war mehrheitlich für die Fristenlösung - mit Ausnahme der deutlich ablehnenden CVP-Anhänger. Während die Mehrheit der Sympathisanten von FDP, SVP und SP den Empfehlungen von Bundesrat und Bundesversammlung folgten und Ja zur Fristenregelung und Nein zur Mutter- und Kind-Initiative sagten, liess sich bei den Stimmenden im Umkreis der CVP keine klare Strategie feststellen. In dieser Unklarheit spiegeln sich die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der CVP. Obwohl sich die beiden Vorlagen sachlich gegenseitig ausschlossen, gab es sogar eine kleine Minderheit, die zweimal Ja sagte.

Allgemein wurde das Abstimmungsthema von den Urnengängern als sehr wichtig eingestuft. Der Informationsstand über die Fristenlösung war höher als über die Initiative für Mutter und Kind, die mit 82 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt wurde. - Die Meinungsforschung war vom gfs-Forschungsinstitut, Bern, im Anschluss an die Volksabstimmung bei 1002 Stimmberechtigten der ganzen Schweiz durchgeführt und vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Genf ausgewertet worden.

Datum: 02.08.2002
Quelle: Kipa

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