Wann ist ein Mensch ein Mensch?

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"Gesetze, die nicht mehr beachtet werden (können), schaden dem Rechtsstaat. Es ist also höchste Zeit, das Gesetzt mit der gelebten Praxis und dem heutigen Empfinden in Einklang zu bringen." So ein Zitat aus dem Argumentarium der SVSS (Schweizerische Vereinigung für die Straflosigkeit des Schwangerschatsabruchs), Zollikofen, 2001.

Ein berechtigtes Argument? Gesetze werden vom Staat auferlegt, damit in Problemfällen Gerechtigkeit waltet. Würden wir dieses Argument tatsächlich ernst nehmen, müsste man auch andere Gesetze diskutieren. Pfarrer Roland Trachsler bringt es auf den Punkt: "Diebstahl, Sachbeschädigung, die Gefährdung von Leben durch Fahrer mit übersetzter Geschwindigkeit oder in angetrunkenem Zustand sind ebenfalls alltäglich geworden. Trotzdem kommen wir nicht auf die Idee, diese Taten zu legalisieren. Die Praxis kann offensichtlich nicht der alleinige Massstab sein."

Die Befürworter der Fristenregelung, die verlangen, dass eine ungewollt schwangere Frau die Entscheidung über das werdende Leben im Uterus bis zur zwölften Woche allein treffen kann, erwarten Anpassung an die aktuelle Situation. Aber wie sieht diese Situation aus?

Das geltende Strafrecht

Frau Dr. iur. Regina Aebi- Müller, Dozentin des Rechts an der Universität Bern schreibt in ihrem Artikel "Lebensrecht " dazu Folgendes:

Das Rechtsgut Leben wird im geltenden Strafrecht an sich hoch gewichtet. Ein Tötungsdelikt liegt allerdings erst vor, wenn ein bereits geborener Mensch umgebracht wird. Vor Beginn der Geburt sind die Sonderbestimmungen betr. Abtreibung (Art. 118 ff. StGB) anwendbar. das Leben des Embryos ist ein selbständiges Rechtsgut, das grundsätzlich auch gegen den Willen der Schwangeren geschützt wird, wobei allerdings das Strafmass geringer ist als bei einer vorsätzlichen Tötung nach erfolgter Geburt. Die Abtreibung ist strafbar, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Straflosigkeit, nämlich "eine nicht anders abwendbare Lebensgefahr oder grosse Gefahr dauernden schweren Schadens an der Gesundheit" der Schwangeren vorliegt.

Nur diese sogenannte medizinische Indikation vermag also die Straflosigkeit zu begründen, wobei die Gesundheitsgefährdung sowohl physischer wie auch psychischer Natur (z.B. Suizidgefahr) sein kann. Freilich verhält es sich in der heutigen Praxis so, dass (je nach Kanton!)bereits geringfügige psychische Beeinträchtigungen genügen, um ein entsprechendes ärztliches Gutachten zu erhalten. Bei dieser "psychischen Indikation" werden zudem oft auch der Gesundheitszustand des Kindes oder die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Kindererziehung mit berücksichtigt. Gesetzeswortlaut und Rechtsanwendung klaffen somit auseinander. (Link!!!!! dazu)

Es ist also richtig, wenn die Befürworter der Fristenregelung kritisieren, dass die Gesetzte nicht mehr beachtet werden. Gibt diese Situation das Recht, das Gesetz der Praxis anzupassen? Wohlweislich muss dieser Schritt gut überlegt sein.

Wird die Fristenregelung angenommen, wird jede ungewollt Schwangere allein die Entscheidung über Leben und Tod ihres Kindes treffen können. Dieser Schritt ist für jede Frau äusserst schwierig, und- die Praxis zeigt es deutlich- kaum alleine zu bewältigen. Eine zweite Meinung von Ehemann oder Freund, der Freundin, einem Arzt oder Psychologen ist normalerweise sehr hilfreich und entlastend.

Die Zukunft

Doch wie wird die Zukunft tatsächlich aussehen?

Gilt die Straffreiheit für Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche, ist es für einen Mann und werdenden Vater viel einfacher, der Frau "die ganze Sache" alleine zu überlassen. Mit der legalisierten Schwangerschaftsabruch bauen wir die Hemmschwelle zur Tötung werdenden Lebens ab, diskreditieren dieses, da es die Rechtsfähigkeit verliert, das heisst, keine Recht aber auch keine Pflichten mehr hat und ihm deshalb keinen Schutz mehr gebührt. Die Befürworter der Fristenregelung zitieren dazu auf ihrer Website: "Der Embryo ist noch kein Mensch, er ist kein Rechtssubjekt und hat daher keine Recht, auch kein Recht auf Leben".

Nun, ein 9 Millimeter kleiner Embryo oder Zellklumpen (in der 7 Schwangerschaftswoche), sieht auch kaum nach Leben aus, das ist richtig. Doch wo führt uns diese Überlegung hin, wenn wir nicht zu Ende denken? Dieser Zellklumpen entwickelt sich innerhalb von zwei weiteren Wochen in ein menschliches Wesen mit Organen und allen Extremitäten. Sogar die Hirnströme lassen sich in der 9 Woche bereits aufzeichnen und das Herz ist im Ultraschall eindeutig am ureigenen Rhythmus erkennbar. Nach 40 Schwangerschaftswochen ist dieser Zellklumpen zu einem Baby herangewachsen, zu einem Wesen, dass sich mit grösster Anstrengung in die Welt hineinkämpft. Ein Kind, das um sein Recht kämpft, weil es leben will. Weil es angenommen sein will, weil es seinem ureigenen Instinkt folgt und sich in dieser Welt einen ganz persönlichen Platz erringen will. Dieses Kind wächst heran zu einem selbständigen Erwachsenen, mit Ideen, Idealen und Zielen.

Medizinische Diagnostik

Eine anderer Überlegung gilt der Diagnostik von behindertem Leben. Die heutige Medizin macht es möglich, verschiedene Krankheiten in der zwölften Woche am Embryo (z.B. Nackenfaltenmessung), sowie in der 16 Woche (Mongoloidität und offener Rücken) am Fötus festzustellen. Diese Tests (sie sind nicht 100% sicher) unterstützen die Diagnose am Kind und geben den Eltern und dem Arzt die Chance, sich auf die entsprechenden Krankheiten vorzubereiten. Im Idealfall unterstützt der Arzt die Eltern so weit es ihm möglich ist. Doch wird auch oftmals in sehr schwierigen Fällen davon abgeraten, ein behindertes Kind anzunehmen. Doch diese Fälle variieren. Die Leistungsgesellschaft tendiert immer mehr dazu, behindertes Leben eher abzutreiben als anzunehmen, da sich die Zukunft mit einem behinderten Kind als sehr problematisch erahnen lässt.

Früher aber war es keineswegs besser! Behinderte wurden versteckt, eingesperrt, wurden kaum oder gar nicht eingeschult und mussten schliesslich ein Leben lang im Frontdienst schwere Arbeiten verrichten. Heute erscheint die Gesellschaft fortgeschrittener, denn sie hat einen besseren Umgang mit Behinderten errungen. Schwer behinderte Menschen werden in spezialisierten Kliniken untergebracht, leichter behinderte können zu Schule gehen, erlangen einen Beruf oder studieren und sind Teil der "normal" funktionierenden Gesellschaft. Denkt man. Doch in Wahrheit sieht es anders aus. Behinderte werden auch heute noch diskriminiert- die Architektur richtet sich immer noch nicht genug nach den Bedürfnissen Behinderter- Gehsteige sind zu hoch, das Angebot an öffentlichen Toiletten ist absolut gering, ganz zu schweigen von den vielen Treppen vor Läden, Restaurants und Bars. Hier muss eindeutig ein Umdenken geschehen. Die Frage stellt sich nur, in welche Richtung.

Ist behindertes Leben lebenswert?

Wie wird es aussehen, wenn wir behindertes Leben gar nicht mehr annehmen wollen? Wird eine Frau, die vor dieser Entscheidung steht- für oder gegen das behinderte Leben, vorausgesetzt es ist lebensfähig- mit sich ringen müssen, weil sie sich vor der gesellschaftlichen Ächtung ängstigen muss?

Vor einigen Monaten wurde ein bekannter Amerikanischer Ethiker in den Medien zitiert, der meinte: "Warum sollen wir behindertes Leben nach der Geburt nicht töten? Dieses Leben ist ja so oder so nicht lebenswert. Und denken sie an die medizinischen Kosten, die unsere Gesellschaft belasten!"

Diese Fragen sind tatsächlich berechtigt, wenn man an keinen Schöpfer glaubt, und weiss, dass die Schöpfungsgeschichte im Labor fast unaufhaltsam manipuliert wird (Stammzellenforschung, Fortpflanzungsmedizin usw.).

Dazu Frau Dr. iur. Regina Aebi-Müller in ihrem Artikel "Lebensrecht":

Angesichts der heute schon sehr liberalen Praxis ist es schwierig zu beurteilen, ob eine solche strafrechtliche Neuregelung die Abtreibungszahlen tatsächlich in die Höhe treibt. Allerdings ist die Fristenregelung eine deutliches Signal des Gesetzgebers (bezw. der Stimmberechtigten) dafür, dass dem Embryo, jedenfalls in den ersten Lebenswochen, nur ein sehr beschränktes Lebensrecht zukommt, indem die Mutter- abgesehen von einem Beratungsgespräch mit dem konsultierten Arzt- alleine bestimmt, ob sie sich in einer Notlage befindet. Dieses Signal dürfte auch für andere Rechtsbereiche (etwa auch bei der Auslegung der privatrechtlichen Regelung, aber insbesondere auch im Bereich der Fortpflanzungsmedizin und Stammzellenforschung) langfristig nicht ohne Konsequenzen bleiben. Ein Blick auf die diesbezügliche rechtliche Diskussion in Deutschland zeigt dies in aller Deutlichkeit.

Ärztliches Gutachten

Frauen sollen selbständig entscheiden über ihr Leben, ihre Ziele und über ihre Zukunft, das ist richtig. Doch es ist eine Farce vorzugeben, der Entscheid für eine Abtreibung müsse ihr allein überlassen werden. Die Abtreibung ist heutzutage keine unüberwindbare Schwelle mehr, wie die Praxis zeigt. Es reicht in gewissen Kantonen eine geringfügige psychische Beeinträchtigung zur Erwirkung eines ärztlichen Gutachtens für eine legale Abtreibung. Es geht bei dieser Abstimmung ausschliesslich darum, ob die Frau allein entscheidet oder für ein Beratungsgespräch einen Psychologen oder einen zweiten Arzt konsultiert.

Lässt man eine Frau mit dieser Entscheidung allein, werden damit die späteren Schuldgefühle nur geschürt. Für ein Zeugung braucht es immer zwei, und dazu sollen auch die Männer stehen (die in dieser Diskussion leider absolut ausgeklammert wurden) und ebenfalls Verantwortung für das Kind tragen. Ein Ja zur Fristenregelung bedeutet schliesslich die alleinige Verantwortungsübernahme der Frau über Leben oder Tod ihre Kindes und die Ausklammerung, das heisst, die Entlastung des Erzeugers.

Wichtige Massnahmen

Ein wichtiger Schritt gegen Abtreibung und für das Leben ist die Erweiterung der notwendigen Mittel und Massnahmen zur Unterstützung von Frauen in schwierigen Situationen. Handlungsbedarf besteht im Bereich der finanziellen Leistungen (bezahlter Mutterschaftsurlaub, Kinderzulagen), der familiären Beratung und dem Ausbau von Betreuungsplätzen. Zudem wären allenfalls Massnahmen gegen die gesellschaftliche Stigmatisierung der Adoptionsfreigabe zu ergreifen. (Zitat aus "Lebensrecht", Dr. iur. R. Aebi-Müller)

Denken wir vor dieser Abstimmung am 2. Juni erst zu Ende und vervollständigen wir den Satz, den die Abtreibungsbefürworter für ihre Argumentation verwendeten:

"Ich entscheide über meinen Bauch, meine Leben, meine Zukunft und über deine Existenz."

Iris Muhl ist Mutter dreier Kinder

Datum: 01.06.2002
Autor: Iris Muhl

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