Selber schuld!

Ist die Lüge attraktiver als die Wahrheit?

«Die Lüge lebt» titelt eine Regionalzeitung in ihrer Wochenendbeilage. «Sie verbreitet sich schnell. Schuld daran sind wir selber. Nicht Donald Trump», provoziert sie im Lead eines zweiseitigen Beitrags.
Pinocchio vor dem Stapferhaus
Labor für Lügenerkennung im Stapferhaus

Am 20. Januar 2017 schuf die amerikanische Pressesprecherin den Begriff «alternativer Fakt». Sie wollte damit die offensichtliche Falschaussage des Chefs rechtfertigen, dass an seiner Inaugurationsfeier mehr Leute teilgenommen hätten als an derjenigen seines Vorgängers Obama. Die «alternativen Fakten» wurden dann zum Unwort des Jahres 2017.

Das gute daran: Alternative Fakten oder Fake News lösten eine breite Diskussion aus über den Umgang mit Wahrheit, vor allem in Politik und Medien. Eine Sotomo-Studie hat sich im Auftrag des Lenzburger Stapferhauses dem Thema «Wahrheit und Lüge in Zeiten von Fake News» angenommen und festgestellt, dass sich die Bevölkerung von Manipulation durch unwahre Informationen bedroht fühlt. Dies auch angesichts der Tatsache, dass mit Christoph Blocher selbst ein ehemaliger Bundesrat mit der Aussage zitiert werden kann, es sei nicht entscheidend, ob ein Politiker die Wahrheit sagt, sondern ob das politische Ziel die Lüge rechtfertigt («Schweiz am Wochenende» vom 20. Oktober 2018).

Gefühlte Wahrheit

«Was ist Wahrheit?» Die Frage des römischen Prokurators Pontius Pilatus, die er Jesus entgegenhielt, ist in die Geschichte eingegangen. «Wahrheit ist ein schwieriges, vielschichtiges, schwer zu fassendes und flüchtiges Wesen», befindet Christian Mensch in derselben Ausgabe der «Schweiz am Wochenende». Jeder kennt die Versuchung, Überzeugungen, die ihm persönlich wichtig sind, durch Fakten zu belegen, die nicht unbedingt erhärtet sind. Man spricht neuerdings von «gefühlter Wahrheit». Wir neigen dazu, sogenannte Fakten zu übernehmen oder belegte Fakten auszublenden, je nachdem sie unserer persönlichen Wahrnehmung oder unserem Wunsch entsprechen oder nicht. Das Stapferhaus in Lenzburg hat jetzt das Thema «FAKE. Die ganze Wahrheit» aufgenommen und bearbeitet es in seiner ersten Ausstellung im neu bezogenen Haus beim Lenzburger Bahnhof.

Christliche Wahrheit

Auffällig an der Stapferhaus-Ausstellung ist, dass bei ihrer Eröffnung die Vertreter des Gesellschaftsbereichs, der sich ganz besonders der Wahrheit widmet, nämlich der Kirche, schlichtweg fehlten. Erwartet man von den Nachfolgern des Mannes, der vor 2'000 Jahren bekannte «Ich bin die Wahrheit...» keinen substantiellen Beitrag mehr zu diesem bewegenden Thema? Man holt solche Beiträge offensichtlich lieber bei Publizisten, Psychoanalytikern, Wirtschaftsethikern und Theaterpädagoginnen. So jedenfalls bei der Eröffnungsfeier am 28. Oktober.

Lügen zum Wohl der Wahrheit?

Christen nehmen jedoch ihren Massstab für Wahrheit am Leben ihres Meisters Jesus Christus. Das ist manchmal schwieriger, als sich auf eine bestimmte Bibelstelle abzustützen. Denn seine Wahrheit ist nicht nur eine Lehre, sondern sie ist im konkreten Fall oft auch unbequem und lässt sich nicht so leicht gegen die eigenen Gegner einsetzen. Man ist davon immer auch selbst betroffen, wenn man ehrlich ist. Haben Christen in der Vergangenheit mit ihrer Wahrheit zu oft auf die Gegner eingedroschen? Gegen andere Religionen und Weltanschauungen?

Die Sotomo-Studie habe nicht nur gezeigt, dass Medienschaffende und Politiker ein Glaubwürdigkeitsproblem haben, sondern dass sich darin auch eine Sehnsucht nach Wahrheit verberge. Die Menschen hätten trotz dem Glaubwürdigkeitsproblem dieser Berufsgruppen den Wunsch, dass genau sie die Wahrheit ans Licht bringen, schreibt Christian Mensch. Das bedeutet für Christen, dass auch sie die Fakten ernst nehmen, auch dann, wenn diese nicht in jedem Fall ihren Wahrheitsanspruch belegen. Wichtiger ist, dass man sie als ehrliche und wahre Menschen wahrnimmt.

Zur Ausstellung:
«Fake. Die ganze Wahrheit» im Stapferhaus Lenzburg

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Datum: 30.10.2018
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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