Macht durch Religion?

Podium zum verbotenen ICF-Bildband

Tagesanzeiger Chefredaktor Res Strehle moderierte in der Zürcher Maag-Halle eine Diskussion mit ICF-Vertreter Nicolas Legler, Sektenspezialist Hugo Stamm und Fotograf Christian Lutz über das Recht am Bild versus künstlerische Freiheit. Hintergrund ist das Verkaufsverbot des Bildbandes «In Jesus' Name».
Das Podium mit Res Strehle, Nicolas Legler, Christian Lutz und Hugo Stamm
Cover des Buches «In Jesus' Name» von Christian Lutz mit Zensurbalken
ICF-Mediensprecher Nicolas Legler
Christian Lutz

 
Der Anlass in der fast voll besetzten Maag-Halle in Zürich, wo auch die ICF Celebrations stattfinden, erhielt zusätzliche Brisanz durch die brutale Aktualität der Morde bei Charlie Hebdo. Dort gibt es jetzt eine Diskussion um die künstlerische Freiheit von Karikaturisten, hier um die Freiheit des Fotografen, Bilder zu publizieren, die Menschen in möglicherweise kompromittierenden Situationen oder Posen zeigen.

Die Macht der Religion ICF

Eine Auswahl der im Bildband «In Jesus' Name» über das ICF publizierten Bilder wurde an diesem Abend dem Publikum präsentiert. Lutz stellte die Bilder in den Rahmen einer Trilogie über «Bilder der Macht»: Macht in der Politik – Macht in der Wirtschaft – Macht in der Religion. Ging es Christian Lutz somit um eine Dokumentation darüber, wie das ICF religiöse Macht auf seine Anhänger ausübt?

Man konnte davon ausgehen, auch wenn dies in der Diskussion weniger zum Ausdruck kam. Mit Ausnahme von Hugo Stamm, der das ICF in bekannter Manier als eine gefährliche Organisation darstellte, in der Leute mit einer fundamentalistischen Botschaft raffiniert verführt würden. Das ICF verbinde eine altväterische und frömmlerische Botschaft mit einer topmodernen Show und manipuliere damit die Leute.

Nicolas Legler, Geschäftsführer des ICF, entgegnete, das ICF stehe in der Tradition der Freikirchen, die eine Erneuerung des Glaubens anstreben. Man wolle Menschen vor dem Hintergrund verkrusteter und institutionalisierter Kirchen die Begegnung mit Jesus ermöglichen. Seine Kirche führe keine Mitgliederlisten. Jeder könne kommen und gehen, wann und wie er wolle.

Das Recht am eigenen Bild oder die künstlerische Freiheit

Die ICF-Leitung hatte 21 betroffene Jugendliche, die im Bildband von Lutz abgedruckt waren, zu einer Klage motiviert. Vor Gericht erreichten die Kläger nach einer vorangehenden superprovisorischen Verfügung, welche die Publikation der Bilder verbot, einen Vergleich: Der Verkauf des Bildbandes bleibt verboten. Fotograf Christian Lutz darf aber die Bilder behalten. Entscheidend sei aus Sicht des ICF das Recht der fotografierten Person am Bild, bzw. dass diese die Einwilligung zur Veröffentlichung geben müsse. Schliesslich müssten heute auch Eltern die Erlaubnis gegen, wenn ihre Kinder fotografiert und Bilder veröffentlicht werden. Er räumte auch Fehler ein. Die ICF-Leitung habe unterschätzt, welche Bilder durch die Arbeit von Lutz entstehen könnten und sich geschmeichelt gefühlt, dass ein bekannter Fotograf sich für das Leben in der Kirche interessierte. Man sei aber auch davon ausgegangen, dass nur Bilder publiziert würden, zu denen die Abgebildeten auch ihre Erlaubnis geben. Eines Tages sei der fertige Bildband im ICF-Office eingetroffen, und man habe zum Schutz der Betroffenen handeln müssen.

Ist mein Bikini-Bild Kulturgut?

Lutz stellte dagegen, er habe lediglich einen guten Job gemacht. Für ihn stehe die künstlerische Freiheit bzw. das kulturelle Verständnis für das Bild im Zentrum. Und er warf dem ICF vor, sich im Vorfeld gar nicht um die entstandenen Bilder gekümmert zu haben. Die rund 300 bereits gedruckten Exemplare lägen jetzt in Bibliotheken auf. Tages-Anzeiger-Chefredaktor Res Strehle attestierte Lutz, das Leben im ICF gut wiedergegeben zu haben.

Letztlich wurde aber im Gespräch auch deutlich: Muss man eine junge Frau verstehen, die nicht im Bikini in einem Bildband verewigt werden will? Und Jugendliche, die beim gemeinsamen Beten abgelichtet wurden? Oder ist das ästhetische Empfinden und das kulturelle Interesse der Käufer eines solchen Bildbandes wichtiger? Für Legler ist klar: Das Recht auf das eigene Bild steht höher, und diese Position verteidigte er dezidiert. Affaire à suivre.

Der Anlass in Zürich vom Montagabend bot auch den Rahmen für die Verleihung des Preises der Swiss Photo Academy an den Fotografen des Jahres, den Kriegsfotografen Dominic Nahr und die Auszeichnung des fast 90-jährigen René Gröbli mit dem Life Time Award.

Zur Webseite:
Die ICF-kritische Darstellung in der NZZ

Datum: 13.01.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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