Erziehung als Herausforderung

Wenn Kinder die Eltern an ihre Grenzen bringen

Wie gehen (christliche) Eltern mit Kindern um, die das Erziehen schwer machen? Wie unterscheidet sich ihr Erziehungsstil von säkularen Methoden? An einem Podium gaben Fachleute in Aarau Antworten.
Das Podium am Forum Ehe+Familie mit (v.l.n.r.) Wilf Gasser (Moderator), Matthias Kuhn, Maria Kenessey-Szuhanyi, Heinz Etter, Elfi Mösch, Felix Studer und Veronika Schmidt.

Pädagoginnen und Psychologen, die im Umfeld der Evangelischen Allianz wirken, sind sich klar: Die Körperstrafe darf keinen Platz in «christlichen» Erziehungskonzepten haben. Dies wurde in den Aussagen der Podiumsteilnehmer am «Forum Ehe+Familie» am Samstag (8.9.12) in Aarau deutlich. Einig war man sich aber auch, dass es Erziehungsprobleme gibt, die Eltern massiv herausfordern und dass diese nicht immer ohne Fehler darauf reagieren. Dies bezeugten die Podiumsteilnehmer unter der Leitung von Paartherapeut Wilf Gasser, der auch Präsident der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) ist, freimütig aus eigener Erfahrung – als Betroffene und als Erziehende.

Abkehr vom Perfektionszwang

Die Teilnehmerzahl von über 240 Eltern und Fachleuten zeigte die Resonanz, welche die SEA mit der Tagung ausgelöst hat. Erziehen ist herausfordernd. Es gebe heute einen Perfektionszwang im Blick auf den Erziehungserfolg, sagte die Triple P-Trainerin und Leiterin der «Familienwerkstatt», Veronika Schmidt. Davon müssten sich Eltern freimachen. Ihnen stünden heute gute, allgemein anerkannte Erziehungsmethoden zur Verfügung, sozusagen das «Betty Bossy der Erziehung». Einen «christlichen» Erziehungstil gebe es nicht, und er sei auch nicht nötig. 

Dem widersprach Matthias Kuhn, Leiter der christlichen Gemeinde GPMC in Thun: «Ich bin skeptisch gegenüber humanistisch verseuchten Konzepten.» Es sprach sich für einen Erziehungsstil aus, der sich auf das Wirken des Heiligen Geistes stützt. Für Heinz Etter, der das Konzept «Vertrauenspädagogik» vertritt, wäre das zu einseitig. Ebenso einseitig, wie ein Erziehungsstil, der nur «Law and Order» bezweckt. Für den Theologen Felix Studer geht es nicht an Humanismus und Liebe zu Gott gegeneinander auszuspielen. Wichtig ist für ihn, die kulturelle Brille zu kennen, mit der Eltern und Pädagogen die Bibel lesen: «Wir können nicht die aktuellen Werte der Gesellschaft ausblenden.»

Nicht böse, sondern verloren

Zur Diskussion führte auch die Frage, ob die Bibel die Kinder als gut oder böse bezeichne. Es gebe eine Tradition, welche die Körperstrafe sanktioniere mit Bezug auf alttestamentliche Bibelstellen insbesondere im Buch der Sprüche (Wer die Rute schont ...). Es gebe Literatur die Eltern rate, ihre Kinder zu strafen, weil sie sonst Gott ungehorsam würden, beobachtet Felix Studer. Er lehnt solche Bücher vehement ab, weil sie die Bibel falsch interpretierten. Kinder, die sich schwierig verhielten, täten dies meistens aus einer Überforderung heraus. Der Menschen sei laut der Bibel nicht schlecht, sondern «verloren». Daher bringe die Bibel sehr oft das Bild vom Hirten. «Wenn sich ein Kind zum Beispiel isoliert fühlt, reagiert es auffällig, damit es beachtet wird.»

Bedürfnis nach Wiedergutmachung

Kinder hätten daher auch das Bedürfnis nach Wiedergutmachung, weiss Maria Kenesseyi-Szuhany vom Institut für integrative Psychologie und Pädagogik. «Wenn das Kind ein Unrecht eingesehen hat, erwacht das Bedürfnis, es wieder gutzumachen», so die Psychologin. Man könne das Kind dabei unterstützen, indem man es frage: «wie denkst du, dass du diese Sache wieder gutmachen kannst?». 

Elfi Mösch, Co-Leiterin des Schweizerischen Weissen Kreuzes, machten den Eltern Mut. «Es ist nicht unsere Aufgabe, dem Kind Verstand beizubringen». Eltern dürften darauf vertrauen, dass auch Pubertierende in den Kindheitsjahren vieles von den Eltern gelernt und übernommen haben.

Zur Tagung gehörten auch zwei Referate des Ehepaars Daniel und Käthi Zindel sowie Workshops zu Erziehungsthemen. Das Forum wird jährlich im September angeboten.

Datum: 11.09.2012
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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