Rechtsextremismus

Merkel bittet um Verzeihung

Beim Gedenken für die Opfer des Rechtsterrors findet die Bundeskanzlerin klare Worte: Sie entschuldigt sich bei den Angehörigen für Jahre haltloser Verdächtigungen. Der Schmerz der Hinterbliebenen ist deutlich zu spüren. Doch sie lassen Hoffnung zu.
Angela Merkel

Das Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt ist halbdunkel gehalten, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag bei der Gedenkfeier für die Opfer des Rechtsterrors ans Podium tritt. Im massvollen Licht der grossen Kronleuchter klingen ihre Worte umso deutlicher: Es sei «besonders beklemmend», dass die Angehörigen teils jahrelang unter falschen Verdächtigungen der Sicherheitsbehörden leiden mussten, sagt Merkel: «Dafür bitte ich um Verzeihung.»

Die Jahre vor der Aufklärung müssten ein «nicht enden wollender Alptraum» gewesen sein, ergänzt sie vor den rund 1‘200 Gästen der Veranstaltung, unter denen sich auch rund 80 Angehörige der Gewaltopfer befinden. Niemand könne die Jahre zurückbringen oder Schmerz, Zorn und Zweifel ungeschehen machen. Mit der Gedenkfeier solle aber auch gezeigt werden, dass die Angehörigen nicht länger allein mit ihrer Trauer dastehen.

Merkel wiederholt, was sie bereits im November nach der Aufdeckung der Mordserie gesagt hatte: Diese sei «eine Schande für unser Land». Sie verspricht, es werde alles getan, was dem Rechtsstaat möglich sei, «damit sich so etwas nie wieder wiederholen kann».

Gedacht wird der zehn Opfer der im November aufgedeckten Mordserie der Zwickauer Terrorzelle. Sie soll in den Jahren 2000 bis 2007 insgesamt zehn Menschen ermordet haben. Opfer waren Kleinunternehmer mit ausländischen Wurzeln sowie eine Polizistin. Der extremistische Hintergrund der Taten war von Verfassungsschutz und Polizei zunächst nicht erkannt worden.

Gleichgültigkeit

Merkel warnt vor der «verheerenden Wirkung» der Gleichgültigkeit: «Wir vergessen schnell, viel zu schnell.» Intoleranz und Rassismus äusserten sich aber keinesfalls nur in Gewalt. Gefährlich seien auch diejenigen, «die Vorurteile schüren und ein Klima der Verachtung erzeugen».

Semiya Simsek, deren Vater im September 2000 als erster von den Rechtsterroristen ermordet wurde, ist bei ihrer Rede ihre Verbitterung anzumerken: «Elf Jahre durften wir nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein», sagt die 25-Jährige unter Hinweis auf die Verdächtigungen, unter denen ihre Familie stand. Sie fragt, wie sie sich noch gewiss sein könne, dass Deutschland ihr zuhause sei, wenn dort Menschen zu Mördern würden, «nur weil meine Eltern aus einem fremden Land kommen». Politik, Justiz, jeder Einzelne müssten verhindern, «dass das auch anderen Familien passiert».

Ismail Yozgat aus Kassel, dessen Sohn 2006 ermordet worden war, dankt für das Angebot der Bundesregierung, die Angehörigen finanziell zu entschädigen: «Wir möchten aber seelischen Beistand.» Er fordert die umfassende Aufklärung der Taten und die Einrichtung einer Stiftung im Namen der zehn Toten. Schliesslich wünscht er sich, dass die Straße in Kassel, in der sein Sohn geboren und gestorben ist, nach diesem umbenannt wird: in Halit-Strasse.

Semiye Simsek und Gamze Kubasik, deren Vater ebenfalls von der Zwickauer Terrorzelle ermordet worden war, tragen zum Schluss gemeinsam eine Kerze aus dem Konzerthaus. Sie brannte neben elf weiteren Kerzen auf dem Podium, die für die zehn Opfer der Mordserie und die unbekannten Opfer rechtsextremistischer Gewalt stehen sollten: Die zwölfte solle eine «Kerze der Hoffnung» sein, sagt Kubasik. Als die beiden Frauen durch die Reihen hinausgehen, stehen die Gäste auf und applaudieren.

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Datum: 23.02.2012
Autor: Ann Kathrin Sost
Quelle: epd

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