Informationstechnologie

Künstliche Intelligenz im Lichte der Schöpfungsgeschichte

Wer sich heute auch nur minim für die moderne Technik und ihre Möglichkeiten interessiert, wird unweigerlich mit dem Begriff der Künstlichen Intelligenz konfrontiert werden. Wie sieht aber ein gottgefälliger Umgang damit aus?
Künstliche Intelligenz

Als Christ und Naturwissenschaftler interessiert mich ein gottgefälliger Umgang mit dieser Technologie. Eine einheitliche Definition der Künstlichen Intelligenz gibt es nicht. Das ist wenig erstaunlich. Schliesslich gibt es ja auch keinen Konsens darüber, was überhaupt Intelligenz ist. Ich möchte den Begriff aber zumindest skizzieren.

Was ist Künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz, abgekürzt KI oder auch AI aus dem englischen Artificial Intelligence, ist ein Teilgebiet der Informatik. Grundsätzlich geht es in der KI darum, menschliche Intelligenz mit Hilfe von Computern und Software technisch nachzubilden. Wolfgang Wahlster, ein führender Forscher im Bereich der KI, spricht in diesem Zusammenhang von verschiedenen Dimensionen der menschlichen bzw. künstlichen Intelligenz. Für ihn gehören unter anderem dazu:

  • Kognitive Intelligenz: Das Erlernen von Wissen, das Kombinieren und das Schlussfolgern daraus.
  • Emotionale Intelligenz: Das Empfinden von Sympathie, Empathie und weiteren Emotionen und der Umgang damit.
  • Soziale Intelligenz: Das angemessene Interagieren in einer Gruppe von Individuen.

Nicht in jeder dieser Dimensionen von Intelligenz ist KI gleich weit fortgeschritten. Es fällt aber auf, wie rasch die Entwicklungen in den verschiedensten Bereichen vorwärtsgetrieben werden. Auch dort, wo es vor wenigen Jahren noch undenkbar war, dass ein Computer die menschliche Arbeit vielleicht sogar besser als der Mensch erledigen kann. Hier einige Beispiele:

  • KI erkennt Lungenkrebs früher als Fachpersonen.
  • KI erkennt Kandidierende an Veranstaltungen im öffentlichen Raum.
  • KI erzeugt Bilder gemäss Textbeschreibung.
  • KI hilft durch einen Chatbot Menschen mit Depressionen.
  • KI schreibt Texte, die nicht sofort als maschinenverfasst erkannt werden.
  • KI ruft Geschäftsinhaber an, um Daten zu erfassen.
  • KI komponiert Musik.
  • KI lernt Schach spielen.
  • KI übersetzt in verschiedene Sprachen.
  • KI erkennt Gefühle von Kunden.

Aus heutiger Sicht ist nicht auszuschliessen, dass KI in naher Zukunft dem Menschen in allen Dimensionen der Intelligenz überlegen sein könnte. Eine vorschnelle Abwehrhaltung in Form von Behauptungen wie «KI wird im Bereich der sozialen Intelligenz niemals dem Menschen überlegen sein» finde ich prinzipiell gefährlich. Sie erinnern an den «Gott der Lücke», an eine Argumentationsweise also, die in der Diskussion zwischen Wissenschaft und Glaube häufig auftaucht. Sie besagt, dass überall, wo man etwas (noch) nicht genau erklären kann, die Ursache bei Gott gesucht werden müsse. Mit der fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnis wird diese Lücke des Unerklärbaren aber immer kleiner. Und damit auch der Platz für Gott. Während wir den Menschen heute noch in gewissen Bereichen als der KI überlegene Kreatur sehen, wird diese Einschätzung des Menschlichen mit zunehmender Entwicklung der KI immer mehr schrumpfen.

Lehren aus der Schöpfungsgeschichte

In den Schöpfungsgeschichten, die wir im ersten Buch Mose im Alten Testament der Bibel finden, werden uns grundlegende Prinzipien über unsere Welt und die Geschöpfe darin überliefert. Es sind nicht Prinzipien in einem naturwissenschaftlichen Sinne. Hier werden die dahinter liegenden Themen angesprochen, die für ein umfassendes Verständnis unserer Welt ebenso notwendig und grundlegend sind wie naturwissenschaftlich formulierte Gesetze. Wie also können wir KI im Lichte der Schöpfungsgeschichte und der weiteren biblischen Erzählung einordnen?

Ich lese aus der biblischen Überlieferung die folgenden Punkte heraus und leite daraus einen gottgefälligen Umgang mit KI ab:

1) Gott erschafft das Universum nicht als fixfertiges, abgeschlossenes «Produkt», er kreiert vielmehr Rahmenbedingungen, die Gutes hervorbringen und weitere gute Entwicklungen möglich machen. Ja, er lädt uns Menschen sogar dazu ein, bei diesen Entwicklungen mitzumachen und sie zu gestalten. KI kann also an sich als Umsetzung von Gottes Auftrag gesehen werden, die Erde zu «bebauen». Und der Forscherdrang, möglichst gute KI zu entwickeln, entspricht grundsätzlich dem Geist der Schönheit und Perfektion, der in der Schöpfung angelegt worden ist.

2) Der Mensch wurde nicht zum Menschen, weil er dank einer besonders geglückten Entwicklung über besondere intellektuelle Fähigkeiten verfügt. Er wurde zum Menschen, weil Gott ihm seinen Odem und damit seinen Geist eingehaucht hat. Wir wurden vom Schöpfer als sein Gegenüber ausgewählt. Und das ohne unser Zutun. Das gibt uns eine unveräusserliche und unübertreffbare Würde und unseren Wert, ganz unabhängig von unseren Fähigkeiten. 

Auch die intelligenteste KI, die uns in allen Bereichen der Intelligenz den Rang ablaufen könnte, wird an der uns von Gott zugewiesenen Stellung als sein Gegenüber nichts ändern. Und KI wird auch in ihrer höchsten Entwicklungsstufe weder Würde noch den uns Menschen innewohnenden Wert besitzen. Würde und Wert sind kein Resultat von Anstrengungen und ihren daraus resultierenden Erfolgen, sondern können nur von Gott zugesprochen werden. Wir können also grundsätzlich furchtlos an der Weiterentwicklung von KI arbeiten, unsere Position im Verhältnis zu Gott ist dabei nicht gefährdet.

3) Menschliche Entwicklungen können durchaus entgleisen. Dies wissen wir, weil wir nicht mehr im ursprünglichen Zustand, sondern in einer gefallenen Schöpfung leben. Gott ist unser Tun aber nicht egal. Er hat immer wieder interveniert. Er hat uns bis jetzt vor der endgültigen Zerstörung bewahrt und hat versprochen, dass er dies auch weiterhin tun werde. Als seine Ebenbilder sind wir gefordert, uns mit den von Gott verliehenen Fähigkeiten und Massstäben Gedanken zu machen über «gute» KI – und nicht blindlings Entwicklungen voranzutreiben, die problematisch sein können. Gleichzeitig brauchen wir aber auch keine apokalyptischen Ängste vor der Zukunft zu haben. Gott hält weiterhin seine schützende Hand über uns.

Nachfolgend an diese generellen Punkte noch eine Bemerkung der etwas spezifischeren Art:

4) Durch den verbotenen Genuss der Früchte vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse haben wir die Fähigkeit erlangt, Gut und Böse zu unterscheiden. Diese Fähigkeit beschert uns neben vielen Problemen auch eine grosse Verantwortung. Entscheiden bedeutet Macht – aber auch Verantwortung. Ein grosser Strang in der KI beschäftigt sich mit dem automatisierten Entscheiden: von harmloseren Dingen wie der Frage, ob auf einem Bild eine bestimmte Tierart auftaucht bis hin zu anspruchsvolleren Aufgaben, wie dem automatisierten Fällen von Gerichtsurteilen oder dem Treffen von Entscheidungen in der Anstellung von neuen Mitarbeitenden. Hier sehe ich die Gefahr, dass wir die durch den Genuss der verbotenen Früchte selbstverschuldet aufgebürdete Verantwortung an eine Maschine delegieren wollen. Diese kann zwar vordergründig «Gut und Böse» unterscheiden, es fehlt ihr aber die menschliche Würde, um diese Verantwortung menschen- und gottesgerecht wahrzunehmen. Das kann KI nicht leisten. Sie kann allerdings sehr wohl ein gutes Hilfsmittel sein, um menschliche Unausgewogenheit und Vorurteile aufzuzeigen und damit Diskussionen anzustossen. Mehr aber nicht.

Wie wir mit KI umgehen können

Christen sind erstens dazu aufgefordert, die Entwicklung von KI mitzugestalten. Sei es als talentierte Forscherin in der Informatik, die neue Algorithmen für weitere Anwendungsgebiete von KI entwirft, als Ethiker, der Leitlinien für die Entwicklung und Einsatz von KI mitgestaltet oder als Nutzerinnen und Nutzer, die ihre Verantwortung wahrnehmen und darüber Bescheid wissen, wo KI in ihrem Alltag zum Einsatz kommt und was die Konsequenzen davon sein könnten. Zur Frage des ethischen Einsatzes von KI gibt es bereits breite Anstrengungen und Resultate. So die Ethics Guidelines for Trustworthy AI der Europäischen Kommission, der Abschlussbericht der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestages oder eine Materialsammlung zum Thema.

Zweitens können und sollen sich Christen schon jetzt auf einen möglichen und wahrscheinlichen «Gegentrend» vorbereiten und dabei eine Pionierrolle einnehmen: Wir können der Begegnung unter Menschen wieder mehr Platz einräumen und diese ganz bewusst als Alternative zur Begegnung mit Maschinen aufbauen. Nur in der Begegnung unter Menschen scheint immer wieder die göttliche Ebenbildlichkeit hervor, die uns von Gott gegeben ist und die durch keine KI der Welt zu ersetzen ist.

Zum Originalartikel von Forum Integriertes Christsein

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Datum: 10.03.2022
Autor: Benedikt Hitz-Gamper
Quelle: Forum Integriertes Christsein

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