Daniel Option: Jenseits von Rückzug und Kompromiss
Paul Bruderer
In der grossen Meinungsvielfalt und der Auseinandersetzung zwischen «liberal» und «konservativ» verlieren viele Christen die Orientierung. Paul Bruderer glaubt, dass die jüdisch-christliche Weltanschauung Orientierung geben kann.
«Dank einer völlig neuen Sicht auf die Welt haben
die ersten Christen eine gesellschaftliche Revolution vom Zaun gerissen», sagt Paul
Bruderer, Pastor der Chrischona Frauenfeld. «Diese Sicht ermöglichte es zu
denken, wie ihr heidnisches Umfeld nicht denken konnte. Beispielsweise gaben
sie Frauen
denselben Wert wie den Männern.» Leider gab
das Christentum später manche Werte wieder auf, doch die ersten Christen bewirkten
durch ihre jüdisch-christliche Weltanschauung einen gesellschaftlichen Umbruch.
Der Welt zugewandt, nicht von ihr vereinnahmt
«Diese Revolution gelang nicht, indem Christen
den Heiden ähnlich wurden oder mit deren Ideologien flirteten», hält Paul fest.
«Vielmehr dienten sie der Gesellschaft aufgrund ihres Glaubens an Jesus
Christus.» Christen lebten gewaltlose Feindesliebe und setzten
sich für ungewollte
und ausgestossene Menschen ein. Sie verteidigten
das Lebensrecht Ungeborener
und Neugeborener, schufen multiethnische
religiöse Gemeinschaften, welche die
Grenzen der etablierten sozialen Hierarchien überschritten. Dieser Lebensstil
war für die damalige Zeit etwas völlig Neues. «Die Christen waren der Welt
zugewandt, ohne von ihr vereinnahmt zu sein.» Und darin sieht Paul Vorbild und
Inspiration für uns heute.
Der Prophet Daniel hat es vorgelebt
Gemeinsam mit seinem Bruder Peter rief Paul die
Daniel Option ins Leben. Der Name kommt vom alttestamentlichen Propheten Daniel,
der dieses Verhalten schon vor dem Kommen von Jesus Christus an den Tag gelegt
hat. Als Teil einer jüdischen Minderheit lebte Daniel in einem Volk mit einer ganz
anderen Weltanschauung. «Ich stelle fest, dass sich Daniel vor zwei
verbreiteten Fehlern bewahrte. Einerseits liess er sich nicht vom Denken
Babylons vereinnahmen und andererseits zog er sich auch nicht aus der
Gesellschaft zurück.»
Denselben Umgang mit der Gesellschaft erkennt
Paul auch bei den ersten Christen. Das Vorbild von Daniel sei ein gutes Modell
für Christen, welche als Minderheit einer nicht-christlichen Gesellschaft
dienen wollen. «Daniel lebte eine dritte Option, jenseits von Kompromiss und
Rückzug. Für uns als Daniel Option ist das eine grosse Inspiration.»
In einer veränderten Welt den lebendigen Glauben
finden
«Die heutige Gesellschaft steckt in grossen Umbrüchen
und das betrifft auch Christen. Deshalb kommen wir nicht darum herum, über
tiefere Weltanschauung zu reden.» Vieles wird heute als neu und innovativ
gefeiert, doch das Meiste davon gab es schon früher. «Viele
Entwicklungen sind eine Art Rückkehr zu heidnischen Weltanschauungen.» Einige Entwicklungen seien aber tatsächlich neu und in keiner bisherigen Kultur zu finden.
In diesen Entwicklungen fallen Christen manchmal «zwischen
Stühle und Bänke». Ihr Glaube wankt oder wird signifikant verändert. «Manche
dekonstruieren ihren Glauben ganz», bedauert Paul. «Oft wenden sich Menschen
aufgrund von Karikaturen des Glaubens von Jesus, Bibel und Kirche ab. Manchmal gibt
es aber auch berechtigte Kritik anzubringen an der Art, wie Christen den
Glauben leben.» Eine Frage sei wichtig: «Wohin sollen wir schauen, um den richtigen
Weg und einen lebendigen Glauben zu finden?» Die Antwort sei klar: «Wir finden
dies in der jüdisch-christlichen Weltanschauung, die in der Bibel sichtbar wird
und die Menschen auch heute Dinge zu denken möglich macht, die sie sonst nicht
denken könnten.»
Christen verhalten sich unterschiedlich
Obwohl viele Christen ihren Glauben durch die
veränderte Weltanschauung der Gesellschaft nicht verlieren, reagieren manche
nicht auf zielführende Weise darauf. Paul skizziert zwei verbreitete Reaktionen
von Christen. «Manche werden 'konservativ', andere 'liberal'. Die Konservativen
stehen in der Gefahr, sich aus der 'gottlosen Welt' zurückzuziehen, zu der sie Jesus
eigentlich sendet. Die Liberalen wiederum stehen in Gefahr, sich der Welt auf
eine Weise zuzuwenden, dass sie die jüdisch-christliche Weltanschauung
entscheidend kompromittieren.»
Paul glaubt, dass diese beiden Optionen nicht
zielführend sind. «Christusgemäss und biblisch ist das, was wir bei den ersten
Christen und bei Daniel modellhaft sehen. Es ist das von der Bibel inspirierte
Christsein, jenseits von Rückzug und Kompromiss.»Diese dritte Option dürfe
keinesfalls als typisch schweizerischer Kompromiss zwischen «konservativ» und «liberal»
missverstanden werden. Diese Option sei vielmehr das Eigentliche, das Original.
Blog soll der dritten Option Profil geben
Den Blog danieloption.ch gibt es seit 2019. Monatlich verzeichnet er um
die 6'000 Klicks. Die meisten Leser sind jünger als 40. Der Blog möchte einen
Beitrag leisten, um der dritten Option Profil zu geben. «Wer im Internet surft,
bekommt viel kompromittierte liberal-progressive Option zu hören oder rückzugsbezogene
konservative Option. Wir möchten eine Option im Web sichtbar machen, welche der
Welt zugewandt, aber gleichzeitig nicht von der Welt definiert ist.»
Gemeinsam mit anderen Pastoren und Denkern aus verschiedenen
Kirchen-, Gemeindeverbänden und Konfessionen bloggen Paul und sein Bruder Peter
über die heissen Themen unserer Zeit: Sexualität, Lebensrecht, soziale
Gerechtigkeit, Glaube, Bibelverständnis, Gesellschaft, Umgang mit
Andersdenkenden. Darüber hinaus werden im kleinen Rahmen auch Konferenzen durchgeführt.
Am Dienstag 1. Februar erscheint ein Livenet-Talk mit Paul Bruderer. Er übernimmt von Sam Urech die Rolle des «Halleluja-Kolumnisten» von Nau.ch.
Datum:
28.01.2022 Autor: Markus Richner-Mai Quelle: Livenet
Kommentare
Submitted by Piit on 28. Januar 2022 - 11:21.
Hört bitte auf den Begriff 'jüdisch-christlich' zu verwenden. Es gibt einen grossen Unterschied zwischen jüdisch und christlich. Das war schon zu Jesu Zeiten so und ist seither nicht kleiner geworden, sondern das Judentum hat sich eher weiter vom Tanach entfernt. Das Judentum (Ph. u. Sad.) bei Jesus wurde von Jesus stark kritisiert, weil sie die Traditionen der Ältesten (heute etwa der Talmud) über das Wort Gottes gestellt haben. Ich rate jedem, sich etwas gründlicher mit diesem Thema zu befassen statt diesen 'politisch korrekten' und modischen Begriff des 'Jüdisch-christlichen' zu benutzen. Es gibt Thorajuden, die sich gegen den Zionismus und gegen Talmudismus und Kabbalismus stellen.
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