Volker Jung ist evangelischer Medienbischof. Und er wünscht
sich, dass digitale Sprachassistenten wie «Alexa» auf Anfrage auch ein Gebet
sprechen können. Die Anglikanische Kirche ist hier Vorreiter: Seit über einem
Jahr bietet sie einen ähnlichen Dienst bereits an. Was sind die Vorteile? Wo
wird es kritisch?
Auch für Christen interessant: der Sprachassistent Alexa
Auf dem diesjährigen
Evangelischen Kirchentag in Dortmund sass Volker Jung (59) zum Interview auf dem roten Sofa.
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident ist auch Medienbischof. So wurde er
natürlich gefragt, ob die Kirche inzwischen ausreichend medial unterwegs sei.
«Wir arbeiten dran», meinte der Theologe. Und er zeigte die Spannung auf, indem
er einerseits klarstellte: «Ich glaube, es ist gut, das mit Bedacht zu tun. Da
muss man, glaube ich, nicht immer die Nase vorn haben», und andererseits seinen
Wunsch äusserte: «Ich glaube, wir müssen als evangelische Kirche da schlichtweg
präsent sein. Wenn jemand sagt: 'Alexa, ich hätte gern ein Gebet', dass da ein
Gebet gesprochen wird».
Da hingehen, wo die Leute sind
Digitale Medien und
Sprachassistenten sind für viele Menschen nicht mehr wegzudenken. Es beginnt
damit, dass «Suchen» inzwischen selbst im Duden «Googeln» heisst, und hört
damit noch lange nicht auf, dass man von Alexa, Cortana, Siri und Co. Antworten
auch auf Lebensfragen erwartet.
Siri: Gott kennenlernen
Die anglikanische Kirche hat dies
bereits 2016 zum Anlass genommen, ein Angebot für die Amazon-Assistentin zu
programmieren. Wer sagt: «Alexa, öffne die Kirche von England», der kann sich
nicht nur den Standort der nächsten Kirche durchgeben lassen, sondern auch das
Vaterunser, ein Gebet zur Tageszeit oder zum Essen, die Zehn Gebote oder
Informationen zu Hochzeit und Trauung. Demnächst soll das Kirchenangebot auch
auf andere Plattformen erweitert werden und das Angebot wird auch Gottesdienste
beinhalten.
Zunächst einmal sind diese Ideen
nichts anderes als das klassische «dort hingehen, wo die Leute sind». Aber was
für ein Gottesbild transportiert es, wenn ich einen Computeralgorithmus bzw.
eine aufgezeichnete Sprachsequenz für mein Essen danken lasse …
Keinen Ersatzkult schaffen, …
Beten ist reden mit Gott. Und als
solches lässt es sich letztlich nicht delegieren. Welches Interesse sollte Gott
an einer Stimme vom Band haben, die in meinem Namen etwas zu ihm sagt? Welche
Wirkung sollte es haben, wenn ich mein Gebetsleben an einer Plastikdose in
meinem Wohnzimmer orientiere? Damit bin ich nicht weit entfernt von der
Situation, die der alttestamentliche Prophet Jesaja karikiert. Als hätte er das
Problem bereits gekannt, schreibt er recht bissig dagegen, einen Gegenstand ins
Zimmer zu stellen und ihm das zu sagen, was eigentlich für Gott bestimmt ist.
Er nennt es Götzendienst: «Das [Holz] dient dann dem Menschen als Brennstoff;
und er nimmt davon und wärmt sich damit; er heizt ein, um damit Brot zu backen;
davon macht er auch einen Gott und betet ihn an; er verfertigt sich ein
Götzenbild und fällt davor nieder! Den einen Teil verbrennt er im Feuer, bei
dem anderen isst er Fleisch; er brät einen Braten und sättigt sich; er wärmt
sich auch daran und spricht: ‚Ah, ich habe mich erwärmt, ich spüre das Feuer!’
Aus dem Rest aber macht er einen Gott, sein Götzenbild. Er kniet davor nieder,
verehrt es und fleht zu ihm und spricht: ‚Errette mich, denn du bist mein
Gott!’» (Jesaja, Kapitel 44, Verse 15-17).
Natürlich sind Alexa und Co nicht
automatisch Götzen, nur weil sie in der Wohnung stehen und als Gegenstand für
etwas Geistliches gebraucht werden können, aber die Tendenz ist sicher da, dass
das, was greifbar ist, das Unsichtbare verdrängt. So hilfreich ein
vorgesprochenes Gebet sein kann, es kann Menschen schnell auf die falsche
Fährte führen – dann geht es plötzlich um die richtige Formel statt ums eigene
Gespräch mit Gott. Allerdings lässt sich diese Kritik auch für andere
Hilfsmittel zum Beten anwenden.
… aber informieren und erreichbar sein
Gebetsanleitung von Siri
Tatsache ist, dass sich die
meisten Alexa-Aufrufer in England keine Gebete vorsagen lassen, sondern sich
nach Glaubensinhalten erkundigen oder der nächsten Kirche oder Gemeinde. Hier
kann der Sprachassistent seine ganze Kompetenz entfalten, wenn er denn richtig
«gefüttert» wird. Denn von sich aus weiss er nicht, was eine «Taufe» ist, wie
man zur nächsten Kirche kommt oder wie man betet. Dazu ist es wichtig, dass
Christen diese Inhalte ins Netz stellen – jemand anderes wird es nicht tun. Solange
das nur rudimentär geschieht, laufen elementare Fragen ins Leere. Wer heute
Siri fragt: «Wie kann ich Gott kennenlernen?», erhält als Antwort nur ein
lapidares: «Das ist aber süss!» Aber wie sagte Volker Jung: «Wir arbeiten dran.»
Wer Siri fragt: «Wie kann ich beten?», erhält immerhin eine Liste mit sehr
sinnvollen Links – unter anderem von jesus.ch.