Kardinal Koch spricht Klartext

«Religion ist Privatsache geworden, darum fürchten wir den Islam!»

Kardinal Kurt Koch rief am Sonntag, 22. Mai, in Einsiedeln die Situation verfolgter Christen weltweit und speziell im Nahen Osten in Erinnerung. Koch predigte in der Klosterkirche und sprach gleichentags an einem Podium. Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, sprach am selben Podium über die Dringlichkeit, mit Muslimen über problematische Koranstellen ins Gespräch zu kommen.
Kardinal Kurt Koch
Saïda Keller-Messahli

Kardinal Kurt Koch predigte am 22. Mai in Einsiedeln. In seiner Predigt in der bis auf den letzten Platz besetzten Klosterkirche verwies er darauf, dass weltweit 80 Prozent all jener, die aufgrund ihrer Religion verfolgt seien, dem Christentum angehörten. Dabei erinnerte der Schweizer Kardinal an die Worte des frühchristlichen Schriftstellers Tertullian (150 bis 220 n. Chr.), gemäss dem das Blut des Märtyrers die Saat für die neuen Christen ist.

Heute mehr Christen verfolgt als in den ersten Jahrhunderten

Koch wies darauf hin, dass heute weltweit mehr Christen verfolgt seien als während der ersten Jahrhunderte des Christentums im Römischen Reich. Er nannte konkret den Nahen Osten, wo islamistische Djihadisten wüteten, und Nigeria, das unter den Terrorakten von Boko Haram leidet.

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts seien über 2'000 Mitglieder der christlichen Minderheit getötet worden und Zehntausende seien vor den Kämpfen ins Ausland geflohen. Mehr als hundert Kirchen seien laut Angaben von «Kirche in Not» beschädigt oder zerstört worden.

Bischöfe rufen zum Bleiben auf

An der Podiumsdiskussion zum Thema «Unsere Pflichten gegenüber Flüchtlingen» sprach Koch davon, dass die Bischöfe im Nahen Osten die Christen dennoch zum Bleiben aufforderten. Wenn sie könnten, so Koch, würden tatsächlich viele der Christen in ihrer Heimat bleiben, wo sie immer gelebt haben und wo sie auch weiterhin mit den Muslimen zusammenleben möchten. Koch rief aber auch dazu auf, nach den Ursachen für den Konflikt in dieser Region zu fragen, der sicherlich auch etwas mit «Geld und Öl» zu tun habe.

An dem Podium, das vom Churer Bistumssprecher Giuseppe Gracia moderiert wurde, nahm auch Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, teil. Sie äusserte ihre zunehmende Sorge um die Zukunft der islamischen Welt, welche seit den Siebziger-Jahren von islamistischen Bewegungen wie Salafisten und Wahhabiten durchdrungen sei. Diese würden finanziert von Ländern wie Katar, Saudi-Arabien, den Emiraten und neuerlich auch von der Türkei.

In den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens erhalte ein Islam, der lange Zeit als moderat galt, zunehmend Konkurrenz durch eine islamistische Ideologie. Als Konsequenz davon radikalisierten sich Jugendliche und führen nach Syrien in den Djihad, nachdem sie von gefährlichen Imamen einer Gehirnwäsche unterzogen worden waren.

Zunehmende Schwäche des Christentums

«Das Problem in Europa ist nicht die Stärke des Islam, sondern eher die zunehmende Schwäche des Christentums», konstatierte Kardinal Kurt Koch und ergänzte: «Religion ist zur Privatsache geworden, darum haben wir Angst vor dem Islam!» Natürlich könne die Schweiz nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, «aber wo ist die Grenze und wer entscheidet das?», fragte der ehemalige Basler Bischof. Und stellte auch die Frage, warum reiche Länder wie Saudi-Arabien keine Flüchtlinge aufnähmen.

«Es gibt keinen Papst im Islam»

Keller-Messahli legte dar, dass gewisse muslimische Gruppierungen sich von Texten aus dem sechsten Jahrhundert inspirieren liessen, um daraus abzuleiten, dass man Nicht-Muslime töten müsse. «Im Islam gibt es keinen Papst, der sagt, was richtig ist und was nicht. Jeder kann dem Koran das entnehmen, was er möchte.» Fundamentalistische Gruppierungen wie Al-Qaida, der so genannte Islamische Staat ebenso wie Boko Haram fänden so eine Begründung zur Rechtfertigung ihrer Gewalt. «Aber es gibt Millionen Muslime, die anders denken!»

«Systemische Gewalt»: Angst auch unter Muslimen

Die Muslimin stellte ausserdem ein Klima der Angst fest bei jenen Muslimen, die gewisse problematische Passagen im Koran kritisierten. Wer eine andere Interpretation wage, riskiere Todesdrohungen. Da der Koran als «Wort Gottes» gelte, dürfe niemand etwas daran ändern, auch wenn es sich um einen Text aus dem sechsten Jahrhundert handle, der in einem Kriegskontext entstanden sei.

«Es braucht hierüber den Dialog mit den Muslimen», bekräftigte auch Keller-Messahli, «denn es gibt Textstellen im Koran, die Gewalt rechtfertigen». Dabei gehe es nicht nur um Gewalt gegen Nicht-Muslime in muslimischen Ländern. «Sie ist systemisch: Es beginnt bei der Kindererziehung, sie findet sich auch in der patriarchalen Kultur, wo die Frau unterdrückt wird. Diese Gesellschaften sind von struktureller Gewalt geprägt, aber eine Debatte darüber ist dort sehr schwierig», sagte Keller-Messahli.

Zur Webseite:
Forums für einen fortschrittlichen Islam

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Datum: 25.05.2016
Quelle: kath.ch

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