Eine Projektidee

Den christlichen Bildungsauftrag neu entdecken

Wie müsste ein Bildungsangebot aussehen, um christliche Positionen nachhaltig in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen? Mit dieser und vielen weiteren Fragen rund um die Bildung befassten sich an einem Treffen in Aarau die Vertreter theologischer Seminare, christlicher Werke und Verbände. 
«Projekt Campus Schweiz» schlägt den Aufbau verschiedener Master-Studiengänge an einer akkreditierten Schweizer Institution vor.

Während Jahrhunderten haben in Europa die Kirchen das Bildungswesen massgeblich mitgestaltet. Bis heute engagieren sich Christen in den sogenannten Entwicklungsländern intensiv im Bildungsbereich. Und in der Schweiz? Hat die christliche Gemeinde ihren Bildungsauftrag hier aus der Hand gegeben? Welchen Stellenwert hat die Bildung für Kirchen und Gemeinden? Sind Christen im Bildungswesen präsent? Leisten sie einen bewussten Beitrag an Forschung und Lehre? Haben sie Kompetenz und Stellung, um dort mitzudiskutieren, wo gesellschaftsrelevante Entscheide gefällt werden? 

Projekt Campus Schweiz

Seit einiger Zeit beschäftigt sich eine Spurgruppe – koordiniert von Paul Beyeler und Dieter Bösser – mit der Bildungssituation in der Schweiz. Unter dem Arbeitstitel «Projekt Campus Schweiz» luden sie nun Interessenvertreter zu einem Treffen ein. Ausgangspunkt bildete Roland Mahlers Referat über die Perspektiven einer christlichen Hochschulbildung. Der Theologe und Psychotherapeut begann sein Referat mit einem Zitat aus dem Dylan-Klassiker «Ballad of a Thin Man»: Mr. Jones betritt mit einem Bleistift in der Hand einen Raum und findet dort einen nackten Mann. Obwohl er sich bemüht, scheitert der Intellektuelle an der angetroffenen Realität.

In seinem Überblick über die Geistesgeschichte legte Mahler dar, wie Idealismus und Existentialismus scheiterten. Der Relativismus führte zur Flucht in die Leiblichkeit und habe «ein Wissen ohne Ahnung vom Leben» gefördert. Die Hirnforschung rücke das Bewusstsein ins Zentrum. Gott wird zum Konstrukt. Mahler erinnerte: «Wissen bedarf der Vertiefung durch die Weisheit im Blick auf die Herausforderungen des Menschen wie Tod, Freiheit, Einsamkeit und Sinn.» Weisheit könne man nicht schaffen, aber Räume, damit Menschen Weisheit erfahren können. 

Christen müssen sich in der Gesellschaft engagieren

An der Podiumsdiskussion beteiligten sich Benedikt Walker (VBG), Peter Deutsch (Fürsprecher, VFG), Hans-Walter Stäublin (Institut Berg), Walter Dürr (Theologe, Autor), Peter Henning (ehemals Rektor am TDS) und Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands. Letzterer meinte, Christen müssten sich an den entscheidenden Stellen in der Gesellschaft engagieren.

«Wie werden Christen zu solchen Persönlichkeiten?, fragte darauf Walter Dürr. Sie brauchten eine vertiefte Auslegung der Schrift, um Moderne und Postmoderne zu hinterfragen und Alternativen zu bieten. In der Schlussrunde fand man sich doch noch. Man dürfe den Herausforderungen nicht ausweichen. Zum Fachwissen gehöre die Fähigkeit, Erkenntnisse aus der Bibel in die Gesellschaft zu transferieren. 

Eine Projektidee liegt vor

Hier setzt eine Projektidee an, die Dieter Bösser skizzierte. Für die Aneignung der notwendigen Kompetenzen brauche es theologische Grundlagen, diskursives Denken, Sprachfähigkeit und christusorientierte Spiritualität. «Projekt Campus Schweiz» schlägt den Aufbau verschiedener Master-Studiengänge an einer akkreditierten Schweizer Institution vor. Dies würde allen nützen: den Kirchen und Gemeinden, den theologischen Seminaren, den Nicht-Theologen (die eine Masterausbildung mit christlichen Inhalten absolvieren könnten) und letztlich der Gesellschaft. Als nächstes wollen sich Vertreter von Ausbildungsstätten sowie Freikirchenleiter als Projektgruppe treffen, um weitere, grundsätzliche Fragen zu erörtern.

Datum: 01.06.2013
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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