Netzwerk von Gebetsgruppen

Betende Banker in Zürichs Finanzwelt

In den letzten Jahren ist auf dem Zürcher Finanzplatz ein beachtliches Netzwerk von Banken-Gebetsgruppen entstanden. Beten am Ort des Mammons? Begegnung mit zwei Menschen, denen die Bibel als Leitfaden im Alltag dient.
betender Mann

Montagmittag in einem Sitzungszimmer im UBS-Gebäude in Altstetten. Für die, die sich hier versammelt haben, ist Zeit ein kostbares Gut. Sie arbeiten bei einer der weltweit führenden Banken und finden zwischen Sitzungen Zeit für ein Gebet.

Die Betenden sind um die vierzig und kommen aus Ländern wie Indien, China, den USA und aus der Schweiz. Gebetet wird um Kraft für die bevorstehenden Aufgaben und für die gute Geschäftsführung des Unternehmens.

Sehnsucht nach Werten

Einer der Betenden ist Stephan Lehmann-Maldonado. Er ist Präsident des christlichen Vereins der UBS und koordiniert das Firmengebet der UBS-Christen, das 2003 von seinem Vorgänger Christian Rüegger gegründet wurde. Das anhaltende Interesse an Firmengebeten erstaunt ihn nicht. Der 39-Jährige hat längst erkannt, dass in der Gesellschaft die Sehnsucht nach bleibenden Werten, Lebenssinn und Orientierung wächst. Selbst in den Chefetagen der Banken.

Gebete gegen den Stress

Die Gründe liegen auf der Hand: Die Beschäftigungslage auf dem Zürcher Bankenplatz ist im Wandel. Banken bauen Stellen ab, der Druck ist gross. Durch Neustrukturierungen müssen immer weniger Leute die gleichen Aufgaben übernehmen. Unter den Mitarbeitenden ist die Lunte manchmal kurz.

Am Firmengebet kommen deshalb auch persönliche Anliegen zur Sprache. Es wird für Betroffene gebetet, die unter Schlaflosigkeit oder drohendem Burnout leiden. Für Kollegen, die vor wichtigen Vertragsabschlüssen stehen. Stephan Lehmann-Maldonado schätzt den vertrauensvollen Rahmen des Firmengebetes: «Was untereinander besprochen wird, bleibt im Raum. Das ist sehr wichtig.»

Bibel als Grundlage

Nur wenige wissen: Die UBS hat einen Verhaltens- und Ethikkodex. Er wurde 2010 von Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger und CEO Oswald Grübel verordnet. Die drei Grundwerte heissen: Wahrheit, Klarheit und Leistung. Die UBS bekennt sich in diesem Papier unter anderem zu einem fairen Wettbewerb.

Stephan Lehmann-Maldonados ethisch wertvollster Fundus indes ist die Bibel. Die Marktwirtschaft funktioniert für ihn nur auf dem Fundament eines christlichen Wertesystems: «Das Börsengeschäft beispielsweise ist ein Vertrag zwischen zwei Partnern. Der Handel funktioniert nur, wenn er auf Verlässlichkeit und Ehrlichkeit basiert.» In der Bibel, sagt er, stehe mehr über die Wirtschaft, als man denkt. Die Zehn Gebote, ergänzt er, seien ein hervorragender Leitfaden für das gelingende Miteinander der Menschen in Firmen. Wer sie befolge, ist er überzeugt, wirtschafte auch nachhaltiger.

Christliche Gebetsgruppen

Christliche Unternehmerverbände und Firmengebetsgruppen haben in der Schweiz seit Jahren starken Zulauf. So erstaunt es nicht, dass auf dem Finanzplatz Zürich ein beachtliches Netz von christlichen Gebetsgruppen unterschiedlicher Banken entstanden ist. Die UBS-Christen gehören der von Christian Rüegger 2003 gegründeten Plattform der «Banken-Bibelgruppen» an.

Die Christen der Credit Suisse etwa versammeln sich im Mehrzweckraum des Altersheims Laubegg zum Gebet. Einmal im Monat tauscht sich die Gesprächs- und Gebetsgruppe der Young Business People im Zürcher Hotel Baur au Lac aus. Auch Christen bei der Bank Vontobel reservieren sich für ein Gebet jeweils ein Sitzungszimmer.

Energie tanken

Die Webseite der Banken-Bibelgruppen wird von Albert H. Widmann betreut, der sich am Firmengebet am Standort der SIX Financial Information AG in Zürich-West beteiligt. Auch im Sitzungszimmer dieses Unternehmens ist es an diesem Donnerstagvormittag still. Hier tankt der IT-Qualitätsmanager Energie für seinen Job. Das Gebet und das Gespräch mit seinen Kollegen geben ihm Kraft. Er braucht sie, denn der 46-jährige Winterthurer weiss, wie sich ein «Stresstest» in der Finanzwelt anfühlt. Auch wenn bei der Börse am Markt Turbulenzen stattfinden, darf das System keinen Schnupfen haben. Widmann nennt das Firmengebet «meine Kirche». Der 46-Jährige sagt: «Meine Arbeitskollegen in der Firma treffe ich häufiger als die Leute in der reformierten Kirche. Sie verstehen zudem, worüber ich rede.»

Bibel als Leitfaden

Auch er lässt sich in seiner Arbeit als Qualitätsmanager von Bibelzitaten leiten. «Prüft aber alles, nur das Gute behaltet.» (1.Thessaloniker, Kapitel 5, Vers 21), «seid allezeit fröhlich», (Philipper, Kapitel 4, Vers 4) oder «Betet ohne Unterlass» (Lukas, Kapitel 18, Vers 1) lauten seine Lieblingsstellen. Christen, sagt Widmann, seien in besonderer Weise dazu gerufen, Verantwortung zu übernehmen und die Gesellschaft zu gestalten.

Einmal im Jahr trifft sich der Winterthurer mit anderen Aktiven der Banker-Bibelgruppe zu einem Plattformtreffen, an dem ein Referent auftritt. Nachhaltiges Führen, menschliches Einfühlungsvermögen, emotionale Intelligenz, so heissen Themen auf der Agenda.

Ob bei der UBS in Altstetten oder bei der SIX Financial Information AG in Zürich-West – an beiden Orten setzen Mitarbeitende mit Firmengebeten auf die Veränderungsbereitschaft des Einzelnen und setzen so ein Zeichen für nachhaltiges Wirtschaften.

Webseiten:
Webseite Banken-Bibelgruppen
Wo gibt es sonst noch Bankenbibelgruppen?
«Christliche Verein der UBS»
Christsein im Job: «Ich entscheide nach den Vorgaben der Bank»

Zum Thema:
Christian Leadership Values - Kleingruppenangebot mit Werte-Inputs für christliche Führungskräfte aus Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft

Datum: 04.08.2012
Quelle: Kipa

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