Albanien: Kirchen als Hoffnung für eine Zukunft

Albanien kann Zerstörung, Hoffnungslosigkeit und Armut nur durch den Aufbau von Werten entkommen.
Gottesdienst
Kirche

Tirana. Albanien war Jahrhunderte lang unter türkischer Herrschaft und auch nach seiner Unabhängigkeit das Armenhaus Europas, geplagt von Malaria, Cholera und Syphilis. Besser wurde es erst nach 1944 unter den Kommunisten. Das allerdings um den Preis einer besonders brutalen politischen Unterdrückung und Religionsverfolgung. Die verspätete Wende in Tirana von 1991 hat den drei Millionen Albanern die Freiheit, aber auch einen Rückfall in bodenlose Not gebracht.

Selbst im zwölften Jahr von Demokratie und Religionsfreiheit liegt das durchschnittliche Monatseinkommen bei nur 45 Franken. Albanien gilt heute wieder - mit Moldawien - als ärmstes Land auf unserem Kontinent.

Schlechte Voraussetzungen

Besonders katastrophal ist die Lage in den ländlichen Gebieten, wo die gesamte Agrarproduktion nach wie vor darniederliegt. Die staatlichen Kollektivgüter wurden in viel zu kleine private Anwesen von nur ein bis zwei Hektar aufgesplittert. Der alte Maschinenpark mit den Traktoren "Rot ist der Osten” verrottet. Dazu kommt eine oft korrupte Regierungspolitik, die Nahrungsmitteleinfuhren - nahe Verwandte der Minister sind die Importeure - vor jeder Wiederbelebung der eigenen Produktion begünstigt.

Ausufernde Landflucht

Die Folge ist eine ausufernde Landflucht - allein die Hauptstadt Tirana wuchs in den letzten zehn Jahren auf das Vierfache: Doch dies gilt nur für die Bevölkerungszahl, nicht aber für Wohnungsbau und andere Infrastrukturen. Die Neuankömmlinge hausen in seit dem Ende des Kommunismus verlassenen Fabriken und Parteipalästen, meist ohne Wasser und oft ohne Strom. Albanien, das bis in die späten achtziger Jahre elektrische Energie an seine Nachbarn auf dem Balkan geliefert hatte, kann sich heute nicht einmal mehr selbst versorgen. Eine der kaum noch gewarteten Turbinen nach der anderen fällt aus, das illegale Anzapfen der Stromleitungen tut das Weitere. So sitzen die Menschen - und gerade die Jugend - auch in den albanischen Städten wie schon vorher auf dem Land arbeitslos herum.

Die Albaner - in weit geringerem Ausmass die Albanerinnen - suchen daher weiterhin ihr Heil in der meist illegalen Emigration. Wie schon im ersten Explosionsjahr 1990, als von ihnen Botschaften und Schiffe gestürmt wurden, drängen auch heute Wirtschaftsflüchtlinge aus Albanien auf allen Wegen, mit allen Tricks und Drehs, meist über Italien, nach Zentraleuropa. Hier hat der ohnedies wieder knappere Arbeitsmarkt aber auch nicht auf sie gewartet. So landen viele albanische Asylsuchende und Schwarzaufenthalter in der Kriminalität und Halbwelt, die meisten als kleine Dealer in der Drogenszene.

Hilfe zur Ausbildung

So sind sie natürlich bald hinter Gittern. Gerade in der Schweiz bemüht sich der Strafvollzug, ihnen während der Haft ein Handwerk und eine Fremdsprache beizubringen. Dann heisst es aber einmal wieder: Ab nach Albanien. Aus Deutschland werden in den nächsten Wochen rund 50.000 straffällige Albaner in die Heimat zurückgeschafft, vor deren bodenlosen Nöten sie geflohen waren. Womit der Teufelskreis aufs Neue zu beginnen droht.

Hoffnung für die Zukunft

Um das zu verhindern, hat der reformierte Zürcher Gefängnisseelsorger Patrice de Mestral schon vor Jahren ein Hilfswerk für die Reintegration dieser unfreiwilligen Heimkehrer ins Leben gerufen. Es wird inzwischen vom Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) und vor Ort von der albanischen Caritas und durch die orthodoxe "Diakonie der Liebe" unterstützt. Unter dem Namen "Shprese per te Ardhmen" (Hoffnung für die Zukunft) geleitet es seine Schützlinge von der Haftentlassung zur Vermittlung und zunächst auch Subventionierung eines Arbeitsplatzes in der Heimat. Wie die Leiterin des Werkes, die erfahrene albanische Pädagogin Irena Dono, unlängst beim Osteuropatag von HEKS und G2W (Glaube in der 2. Welt) in Bern berichten konnte, gleiten nicht einmal vier Prozent der von ihr Betreuten noch einmal in Kriminalität oder illegale Auswanderung ab. Als nächste Stufe wird den Rückkehrern beim Aufbau kleiner Handwerksbetriebe geholfen. Selbständige Klein- und später auch Mittelbetriebe sind überhaupt eine der wenigen reellen Entwicklungshoffnungen für Albanien.

Dazu kommt die geschwisterliche Zusammenarbeit von orthodoxen, katholischen und evangelischen Christen - in manchen Gebieten, wie in Berat, auch der Muslime - bei dieser Diakonie. In fast allen anderen postkommunistischen Ländern stehen heute leider scharfe konfessionelle Konkurrenz mit gegenseitigen Vorwürfen der Abwerbung von Gläubigen durch gezielte Hilfeleistungen im Vordergrund.

Datum: 27.01.2003
Quelle: Kipa

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