Kleine Lichter im Land des Schreckens

Pjöngjang

Während zehn Jahren, von neun bis neunzehn, steckte Kang Ch'orhwan im Gefängnis. Er war verhaftet worden, weil man seinen Grossvater fälschlicherweise der Spionage verdächtigt hatte. Im Gefängnis für politische Häftlinge schlug der Tod immer wieder zu, durch Hunger, Folter und Hinrichtungen. Ch'orhwan sah, wie Christen bestraft worden, weil sie gebetet hatten. Es war ihnen nicht erlaubt, ihre Augen zum Himmel zu erheben. Sie wurden geschlagen, wenn sie ihren Blick vom Boden nahmen. Der Bursche verstand nicht, warum sich die Gläubigen dem Leiden aussetzten, wenn doch ein Wort, die Verleugnung Gottes, für die Entlassung genügt hätte.

Laut einem Bericht wurde eine Insassin geschlagen, weil sie für ein misshandeltes Kind gebetet hatte. Häftlinge, die ihr Grauen bei Hinrichtungen nicht verbergen konnten, wurden als unloyal der Partei gegenüber eingestuft und mit Elektroschocks gefoltert, manchmal bis zum Tode. Andere steckte man in winzige Einzelzellen, wo sie sich nicht bewegen konnten, was ihre Beine lähmte. In nordkoreanischen Gefängnissen wurden Christen laut der Leiterin der amerikanischen ‚Defense Forum Foundation‘ monatlich zusammengeführt zu Folterungen und Hinrichtungen.

Folter und Hinrichtungen

Soon Ok Lee, die später nach Südkorea flüchtete, musste mit ansehen, wie acht Christen in einer Gefängnisfabrik starben, einer nach dem andern, als geschmolzenes Eisen über sie gegossen wurde. Sie weigerten sich, dem Glauben an Christus abzuschwören. Im Herbst 2000 gelangten glaubwürdige Berichte nach China, wonach im April sieben Christen im Alter von 15-58 Jahren hingerichtet worden waren. Die nordkoreanischen Behörden haben nach 1992 keine Exekution mehr bestätigt. Doch Amnesty International erhielt weiterhin Berichte von öffentlichen und geheimgehaltenen Hinrichtungen von angeblichen Verbrechern und politischen Gefangenen.

Das in Pjöngjang herrschende Regime exportiert Mittelstreckenraketen. Ein Missil wurde testweise über Japan hinweg in den Pazifik hinaus geschossen – ohne Vorankündigung. Nordkorea bedroht die Region mit einem kaum einschätzbaren Arsenal von Massenvernichtungswaffen und spielt mit der Supermacht USA. Das Regime hat das zurückgebliebene Land von der Umwelt weitgehend abgeschottet. Den Grund seiner Machtausübung bildet eine nationalistische, religiös überhöhte Staatsideologie.

Vergötzung des Staatsgründers

Pjöngjang hat, wie Beobachter formulieren, seine eigene Dreifaltigkeit geschaffen: Die Nordkoreaner sind gehalten, den verstorbenen Diktator und Staatsgründer Kim Il Sung als Vater zu verehren, den amtierenden Staatschef, seinen Sohn Kim Jong-il als Sohn und das strikte Beharren der Nation auf ihren eigenen Kräften und Mitteln (‚Juche‘-Ideologie) als motivierende Kraft. Ein Beobachter in Südkorea meint, es gehe dem Regime einfach um völlige Kontrolle. Es erwarte totale Loyalität, „und wenn Menschen hinter seinem Rücken an Gott glauben, gilt das als tiefste Form der Illoyalität“.

Andauernde Hungersnot

Dabei haben die Nordkoreaner kaum zu leben. Seit Jahren leidet ein grosser Teil der Bevölkerung unter Mangelernährung. Eine Generation von Kleinwüchsigen wächst heran. Zehnjährige sehen aus wie magere 7- oder 8-Jährige. Viele überleben die ersten Jahre nicht. Auch die nordkoreanischen Behörden geben heute zu, dass über zwei Millionen Menschen (!) am Hunger und seinen Folgen gestorben sind. Schwere Überschwemmungen und folgende Dürreperioden verursachten auch auf dem Land schwere Hungersnöte. Derzeit stehen einer Person bloss 250 bis 300 Gramm Reis oder Mais täglich zu.

Viele Teile des Landes können von westlichen Experten gar nicht besucht werden; der freie Kontakt mit den Einheimischen ist unmöglich. Es gibt Beobachter, die einen Drittel der nordkoreanischen Bevölkerung von etwa 20 Millionen Menschen in Lebensgefahr sehen. Die UN-Werke haben zu wenig Mittel für die Hilfe an den 6-8 Millionen Menschen. Mit seiner unberechenbaren Aussenpolitik erschwert Pjöngjang die Hilfsbemühungen zusätzlich.

Flüchtlingswelle nach China

Der deutsche Arzt Norbert Vollertsen arbeitete während Jahren in Nordkorea und betreute hohe Funktionäre, wofür ihm das Regime eine Medaille verlieh. Als er mehr für die Hungernden und Niedergedrückten tun wollte, verwies ihn Pjöngjang des Landes. In der Hoffnung, die folgenreiche Flüchtlingswelle DDR-Ungarn-Österreich von 1989 in Ostasien zu reproduzieren, half Vollertsen nordkoreanischen Flüchtlingen, in westlichen Botschaften in Peking Unterschlupf zu finden.

Christen treffen sich im Verborgenen

Die Zahl der Christen in Nordkorea ist nicht zuverlässig einzuschätzen. Patrick Johnstone vermutet in seinem Nachschlagewerk 400'000 an Christus gläubige Menschen (bei der kommunistischen Machtergreifung 1953, am Ende einer Zeit geistlicher Erweckung, waren es 300'000). Andere relativ gutinformierte Quellen gehen von wenigstens 30'000 Personen aus, die sich regelmässig in Privatwohnungen treffen. Während der Versammlungen dürfen sie das obligatorische Bürger-Abzeichen mit dem Bild des Herrschers vom Revers nehmen. Kirchengebäude gibt es weiterhin nur eine Handvoll – es sind Vorzeigegemeinden für ausländische Besucher mit einigen tausend registrierten Mitgliedern.

Christen haben es nicht leicht im Land Kim Jong Ils, wenn sie ihren Glauben nach aussen zu erkennen geben. Die Behörden schränken die Glaubensausübung massiv ein, wie auch das UNO-Menschenrechtskomitee im Jahr 2001 festhielt. Der Ausschuss für Religionsfreiheit des US-Kongresses befürchtet, dass bis zu 100‘000 Christen in Haft sein könnten. Amnesty International vermutete im Jahresbericht 2002 ‚mehrere tausend Christen in Arbeitslagern‘. Weiter ging man im Jahr 2001 davon aus, dass von der kleinen sechsstelligen Zahl von Nordkoreanern, die nach China geflüchtet sind, die Hälfte Christen sind oder durch christliche Hilfsarbeit in China zum Glauben gefunden haben.

Hilfe von jenseits der Grenze

Andere Quellen sprechen von 50'000 Nordkoreanern, die derzeit in China leben. Sie sind ohne Rechte, und es gibt offenbar Banden, die Frauen fangen, um sie zur Prostitution zu zwingen. Das kommunistische Regime, das den Nachbarn in Pjöngjang lange gestützt und gedeckt hat, schickte aufgegriffene Flüchtlinge regelmässig über die Grenze zurück. Den Zurückgeschafften drohen bis sieben Jahre Straflager oder die sofortige Hinrichtung.

Chinesische und koreanische Christen, unterstützt von westlichen Organisationen, versuchen darum den Geflüchteten beizustehen. Einige sind nach geistlicher Schulung freiwillig aus China in ihre Heimat zurückgekehrt. In der Stadt Yanji (175‘000 Einwohner), dem Hauptort der Autonomen Koreanischen Region Chinas, nur 30 Kilometer von der Grenze entfernt, engagieren sich 600 oder mehr Christen in Hilfs- und Schulungsprojekten für die Flüchtlinge, wie die Zeitschrift ‚Christianity Today‘ schreibt.

Es gibt viele christliche Schulen und Bibelschulen, Waisenhäuser und Altersheime in der Autonomen Region. Von Landwirtschaftsbetrieben gehen Hilfslieferungen über die Grenze. Junge Leute aus dem Grenzgebiet können relativ leicht nach Nordkorea gelangen. Manche nehmen in einer Tasche Nahrung und Bibeln mit - und etwas für die Grenzbeamten. Ein junger Mann las die Bibel mehrere hundert Male durch, bevor er nach Nordkorea zurückging.

Auch Schweizer Helfer aktiv

Das nordkoreanische Regime lässt ausländische Hilfswerke im Land arbeiten; allerdings in klar begrenzten Aktionsradien und unter ständiger Begleitung durch seine Beamten. Neben staatlichen und internationalen Organisationen helfen auch die Caritas und das Missionswerk ‚Campus für Christus‘ mit Sitz in Zürich. Das vielschichtige Landwirtschaftsprojekt von ‚Campus‘, das 1995 anlief, zielt auf eine bessere Grundversorgung der Landbevölkerung. – Es wird in einem Folge-Artikel vorgestellt.

Datum: 30.01.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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