Wirtschaftgläubigkeit mit christlichem Weltbild konfrontiert

Weissbuch

In einer Sonderbeilage der Verbandszeitung "Treffpunkt" hat das Sozialinstitut der KAB Schweiz das "neoliberale Glaubensbekenntnis" mit dem christlichen Welt- und Menschenbild konfrontiert.

Damit erinnert die KAB mit seinen Ausführungen daran, dass die christliche Ethik eine lebensbejahende Alternative zur dominanten Wirtschaftsgläubigkeit ist.

Ausgangspunkt der soeben erschienenen achtseitigen Sonderbeilage war das "Weissbuch 2004 - Rezepte für den Sozialstaat Schweiz" von Markus Schneider (Herausgeber: Jean Frey AG, Die Weltwoche, Zürich). Seine Thesen werden vorgestellt und seine teils radikalen Forderungen und Denkansätze skizziert. Das lohne sich deshalb, schreiben die Autoren Thomas Wallimann und Michael Grüninger, weil "hinter allen Problemanalysen und Lösungsvorschlägen Menschen- und Weltbilder stecken."

Vordergründig gehe es oft um politische und gesellschaftliche Sachfragen. Hintergründig zirkulieren unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer im Staat wofür verantwortlich ist oder welche Aufgaben er letztlich wahrnehmen soll. Mit ihren sozialethischen Antworten erinnern die Autoren daran, dass mit wirtschaftlichem Denken allein die Probleme unserer Welt nicht erkannt, geschweige denn gelöst werden können. "Die Bezugnahme auf die christliche Ethik erinnert uns daran: Es gibt lebensbejahende Alternativen zur wirtschaftenden Moral."


"Soziale" Patentlösung

Für den Autor des Weissbuches 2004 ist der Staat Schweiz jene Institution, die von der arbeitenden Bevölkerung Geld einzieht und es dann an jene verteilt, die nicht arbeiten. Dies sei dann problematisch, wenn die Nutzniesser auch ohne die staatlichen Leistungen überleben könnten. Schneider will Leistungsträger entlasten und Nutzniesser stärker belasten. Das Menschenbild im Weissbuch ist durch das Paar Leistung und Geld geprägt.

Wichtig ist nur, was sich auf dem Markt abspielt. Aus der Sicht eines Einzelnen heisst dies: Leistung muss sich geldmässig lohnen. Der Grenzsteuersatz sei jedoch so hoch, dass ich demotiviert werde, Leistung zu erbringen. Der Sozialstaat helfe den Faulen (Kriminellen, Ausländern) und bestrafe die Fleissigen (Anständige, Schweizer). Schneider zeigt die Steuerbelastungen und die konkrete Handhabung sozialstaatlicher Hilfesysteme auf.

Er kommt zum Schluss, dass das progressive Steuersystem jene bestraft, die mehr leisten. Und er sieht die "Patentlösung" in einer radikalen Vereinfachung: Die Progression in der Einkommensbesteuerung solle abgeschafft und durch die proportional ansteigende Einfachsteuer (Flat Tax) ersetzt werden. Gleichzeitig verzichtete man auf staatliche Förderungen. Einzige Ausnahme könnte ein Kinderabzug und eine Steuergutschrift für Kleinstverdiener sein.


Gemeinwohl ohne Solidarität?

Wirtschaftlicher Egoismus wird im Weissbuch 2004 als soziale Tugend propagiert. Die Autoren des KAB-Sozialinstituts formulieren angesichts einer gesellschaftlichen Entwicklung, welche in die beschriebene Richtung geht, höchste Zweifel. Und zwar nicht nur an den Ergebnissen, sondern ebenso an den Grundlagen der neoliberalen Rezepte. Marktradikalismus werde wie ein Naturgesetz betrachtet: "Als riesige Maschine, die, einmal zum Laufen gebracht, unabänderliche Abläufe vollzieht. So wie die Schwerkraft den Stein in die Tiefe zieht, so muss sich der Mensch in "Sachzwänge" schicken.

Dieses neoliberale Weltbild verkennt, dass die Wirtschaft von Menschen gemacht ist. Sie ist für die Gegner marktradikaler Liberalismen kein Gott, sondern ein Geschehen, das den Menschen dienen soll." Problematisch finden Thomas Wallimann und Michael Grüninger zudem, dass Gesetze der Marktwirtschaft heute immer mehr auf Bereiche des Lebens ausgeweitet werden, die kaum etwas mit Wirtschaft zu tun haben.

Christliche Sozialethik

Die Autoren der Treffpunkt-Beilage prüfen die Aussagen des Weissbuches anhand ihres selbst entwickelten "C-Tests". Und sie setzen der Wirtschaftsgläubigkeit das christliche Menschenbild gegenüber: "Menschen sind nicht als Einzel-, sondern als Gemeinschaftswesen geschaffen. Darum ist auch nicht das individuelle Wohlergehen, sondern das Gemeinwohl Ziel von Staat, Wirtschaft und Politik. Ihre Strukturen setzen Einzelinteressen starke Grenzen. Weil viele Bedürfnisse keinen Marktzugang haben, drohen sonst Menschen zur blossen Ware degradiert zu werden. Damit das Gemeinwohl gesichert wird, sind familiengerechter Lohn, Sozialversicherungen und staatlichen Schutz notwendig."

Gemäss der christlichen Soziallehre ist die Demokratie jene Staatsform, die diese Ziele am ehesten durchsetzen kann. Dazu gehört die Überzeugung, dass alle irdischen Güter letztlich dem Schöpfer gehören, was die Verfügungsgewalt des Menschen relativiert. Wie das Eigentum dienen auch Steuern dem Gemeinwohl. Diesen Beitrag schulden letztlich alle Menschen aufgrund ihrer sozialen Veranlagung.

Sich Steuern als Kapital vorzustellen, das sich der Staat von den Leistungsfähigen "borge", widerspricht dieser Überzeugung. Wie hoch soll die Steuerbelastung, wie stark die staatlichen Einmischung in die privaten Aktivitäten sein, wie (stark) schützenswert Privateigentum oder Handelsfreiheit? Diese Fragen müssten vor dem allgemeinen Grundsatz der Sozialpflichtigkeit gemäss Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzip erarbeitet werden.


Der massvolle Mensch

"Als ersten Schritt zum konkreten Handeln muss sich der Wirtschaftsbürger darüber klar werden, worauf er seine Entscheide stützt", ist in der Beilage Sozialinstitut weiter zu lesen. "Soll nach den Regeln der Geldkunst (Mammon) oder nach den Regeln lebensfreundlicher Liebe entschieden werden? Die eigene Haltung zu finden, zu pflegen und zu stärken setzt einen persönlichen Prozess voraus." Dieser könne in einem "Glaubensbekenntnis" münden - als beständiges Erinnern dessen, was unsere tiefsten Werthaltungen ausmacht.

Die Autoren des Sozialinstituts entwerfen ihre Vision eines grosszügigen, massvollen Menschen. Dieser soll den alten, marktradikalen Vernunftmenschen ablösen: "Der grösste Nutzen ist nicht im maximierten Konsum oder Reichtum, sondern bei Wohlergehen aller im rechten Mass erreicht. Ein solch nachhaltiges Denken und Fühlen ist die Grundlage für eine Wirtschaft des Herzens."

Die Sonderbeilage und das christlichsoziale Magazin "Treffpunkt" können bestellt werden unter: Sozialinstitut KAB, Ausstellungsstr. 21, Postfach 1663, 8031 Zürich.
Telefon 01 271 00 32, Fax: 01 272 30 90,
Mail: info@sozialinstitut-kab.ch
Web: www.sozialinstitut-kab.ch

Ausgangspunkt:
Schneider, Markus
Weissbuch 2004
Rezepte für den Sozialstaat Schweiz
Preis: CHF 39.00

Datum: 02.07.2004
Quelle: Kipa

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