In Davos für die Ärmsten gesprochen: Open Forum mit prominenter Beteiligung

Openforum
Stückelberger

Am Rande des Weltwirtschaftsforums WEF haben der Schweizerische Evangelische Kirchenbund und die kirchliche Entwicklungsorganiation ‚Brot für alle’ mit Unterstützung des WEF zum zweiten Mal das Open Forum durchgeführt. Es stand unter dem Thema: ‚Globalisierung oder Entglobalisierung im Interesse der Ärmsten?’
Acht international zusammengesetzte Podien in der Aula der Alpinen Mittelschule analysierten Probleme und Herausforderungen und suchten Lösungsansätze. Die Runden sind im Internet abrufbar (Webcast bei www.bfa-ppp.ch ). Livenet fragte den Organisator Christoph Stückelberger, Zentralsekretär von ‚Brot für alle’, was die Gesprächsrunden erbrachten.

Livenet: Christoph Stückelberger, Sie haben das Open Forum in Davos dieses Jahr zum zweiten Mal organisiert und durchgeführt. War es erfolgreich?
Christoph Stückelberger: Die Veranstaltungen fanden sehr grossen Anklang und wurden von je 200-350 Personen besucht. Insgesamt kamen über 2000 Besucher aus der Bevölkerung, aber auch vermehrt Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums WEF. Wir hatten Spitzenleute auf den Podien, unter ihnen Regierungsminister, zwei Bundesräte, Gewerkschaftsleute, führende Vertreter der Weltbank und des Währungsfonds wie auch von Hilfswerken.

Sie haben eine Runde über die Rolle der Religion in der Globalisierung eingeleitet. Was trat in diesem Gespräch zu Tage?
Es wurde deutlich, dass die verschiedenen christlichen Konfessionen und auch die Weltreligionen unterschiedliche Zugänge und Antworten zum Stichwort Globalisierung haben. Protestanten und Katholiken signalisieren eher die weltweite Verbundenheit und betonen die Notwendigkeit der weltweiten Einheit. Dies ist allerdings verbunden mit globalisierungskritischen Anliegen, wo die Entwicklung die Schwächeren nicht schützt. Orthodoxe Vertreter betonen dagegen viel stärker die nationalstaatliche Identität und betrachten damit die Globalisierung kritisch, weil sie oft die nationale und ethnische Identität der Völker bedrohe.

In einem Punkt besteht recht grosse Übereinstimmung, auch mit muslimischen Vertretern: Dort wo der Markt sich absolut gebärdet, als Allheilmittel, als Mechanismus, der alles zu regeln vermag, da wird ein Gottes-Ersatz, ein Götzendienst darin gesehen und kritisch hinterfragt. Die Religionsvertreter sagen: Es gibt nur einen Gott, der Absolutheit beanspruchen kann – kein Wirtschaftsmechanismus darf das, genauso wenig wie ein politisches System.

Bei der Dynamik der ostasiatischen Volkswirtschaften und dem Fleiss der Arbeitenden in jener Weltgegend fragt man sich, ob die traditionellen östlichen Religionen gegen die entfesselten Wirtschaftskräfte ankommen.

Eine berechtigte Frage. Die Dynamik kann protektionistische Abwehrreaktionen wecken. In Indien betont die regierende, auf dem Hinduismus gegründete Partei sehr stark die nationalen Werte. Zugleich treibt sie die wirtschaftliche Öffnung des Landes voran. Sie sehen daran, dass die Religionsvertreter und Politiker sich in Widersprüche verstricken.

Welche Ergebnisse hat das Open Forum in der entwicklungspolitischen Diskussion – bei den ureigensten Anliegen von ‚Brot für alle’ – gebracht?
Wir haben wichtige Themen zur Diskussion gestellt. Zum gerechten Handel äusserten sich Bundespräsident Deiss, der brasilianische Handels- und Industrieminister Furlan, der Nestlé-Chef Brabeck-Letmathe und die Direktorin von Max Havelaar Schweiz. Da geht es auch um die weitere Ausgestaltung der Landwirtschaftspolitik, die den Produzenten im Süden ermöglichen soll, ihre Produkte vermehrt zu exportieren. Wie gehen wir damit um, dass die Schweizer Bauern weiter unter Druck sind?

Auch das Thema Finanzmärkte wurde an einem prominenten Podium mit der IWF-Vizedirektorin Frau Krüger besprochen. Wie können die Finanzmärkte international stabilisiert werden? Schwankungen wie die Asien-Krise und die Argentinien-Krise führen dazu, dass Millionen von Menschen ihre Arbeit verlieren und in die Armut sinken. Wie können wir das stabilisieren? Diese Frage stand im Vordergrund der Veranstaltung.

Sie haben an den Veranstaltungen Persönlichkeiten von ganz verschiedenen Institutionen zusammengebracht, die sich meist höflich, manchmal dezidiert äusserten. Was bewirken solche Runden?
Man darf von Podiumsgesprächen nicht zuviel erwarten. Es geht um Bewusstseinsbildung. Themen werden öffentlich gemacht; es wurde in den Medien sehr breit darüber berichtet.

Das kann Druck erzeugen, Verantwortlichkeit erzeugen. Zugleich ist der Druck der Strasse nötig. Wir versuchen hier, mit Argumenten zu überzeugen.

Es geht konkret auch darum, Koalitionen zu finden, etwa in der Landwirtschaftspolitik. Wie können Privatwirtschaft, Hilfswerke und Regierungen zusammen eine Lösung finden in dieser wichtigen Frage der? Wir müssen international Lösungen finden. Wenn die Landwirtschaftspolitik blockiert bleibt, leiden viele Menschen.

‚Brot für alle’ im Internet: www.bfa-ppp.ch

Fotos: Christoph Stückelberger

Datum: 02.02.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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