Das Bankgeheimnis - letzter Mythos?

Die EZB (Europäische Zentralbank) in Frankfurt trägt seit dem 01. Januar 1999 die Verantwortung für die Geldpolitik in der EU

Die EU-Finanzminister machen Druck. Sie wollen, dass die Schweiz ihr Bankgeheimnis aufgibt. Doch die Schweiz wehrt sich tapfer.

Wir haben der EU ja schon genug geopfert. Stichworte: Transitverkehr, freier Personenverkehr. Und nun soll die Schweiz auch noch ihren wichtigsten Konkurrenzvorteil im internationalen Finanzwettbewerb opfern: Das Bankgeheimnis!
Der Bundesrat verteidigt, allen voran Bundespräsident und Finanzminister Kaspar Villiger, einen unserer letzten Sonderfälle tapfer. Das Bankgeheimnis sei nicht verhandelbar, betont er immer wieder. Doch die EU-Finanzminister lassen nicht locker.
Was hindert uns überhaupt daran, das Bankgeheimnis aufzugeben? sei einmal gefragt. Würden die Schweizer Banken bei einem Aufgeben riesige Vermögensbeträge verlieren, die nicht wegen der guten Dienstleistungen und Kenntnisse der Schweizer Bankiers in unser Land gekommen sind, sondern nur, um sie dem Fiskus des Herkunftslandes zu entziehen? Wenn ja, kann es sich die Schweiz wirklich leisten, Hort von Vermögen zu sein, die mit betrügerischer Absicht in unser Land verschoben worden sind? Geschieht hier nicht etwas, worüber wir uns ebenso schämen müssten wie angesichts des Verhaltens der Banken gegenüber den Holocaust-Opfern?

Ein Kavaliersdelikt - wirklich?

Die Schweiz unterscheidet elegant "Steuerbetrug" und "Steuervergehen". Wer Einkommen und Vermögenswerte in der Steuererklärung zu deklarieren "vergisst", hat lediglich ein Vergehen begangen. Nach schweizerischem Empfinden ist die Verweigerung der geschuldeten Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft immer noch eine Art Kavaliersdelikt. Nach ausländischem Empfinden offenbar schon weniger. Das Bankgeheimnis sei einfach ein Teil der Privatsphäre, wird von Verteidigern eingeworfen. Privatsphäre mit der Möglichkeit, der Gemeinschaft nötige Geldmittel vorzuenthalten? Ein Schlupfloch für die Privilegierten, das auch von den weniger Privilegierten eifrig verteidigt wird?
Wir sind gelehrt worden, auch als Christen stolz auf unser Land und besonders seine humanitäre Tradition zu sein. Gott habe es gut mit der Schweiz gemeint und sie vor Kriegen verschont. Inzwischen haben wir gelernt, dass es auch andere Gründe gegeben hat, dass die Schweiz - gerade im letzten Weltkrieg - vor einer Invasion verschont worden ist. Opportunismus und Gewinnstreben hätten hier eine entscheidende Rolle gespielt, lehren uns die Historiker heute. Wir haben also genug Grund, hellhörig und auch tatbereit zu sein, wenn uns aus dem Ausland der Vorwurf unsauberer Geschäfte entgegengeschleudert wird.

Auf grösseren Druck warten?

Das Bankgeheimnis wird früher oder später fallen, wenn der Druck aus dem Ausland gross genug geworden ist. Wäre es also nicht viel besser, uns rechtzeitig genug einzugestehen, dass wir ohne solchen Druck zu Veränderungen bereit sind und unsere Zukunft nicht auf unsauberen finanziellen Transaktionen aufbauen wollen. Es würde der Schweiz gut anstehen, rechtzeitig zu handeln. Kann denn auf ungerechtem Geld Segen für dieses Land ruhen?
Zurzeit liesse sich mit dem Verzicht auf das nationale Sondergut "Bankgeheimnis" wohl noch ein gutes Tauschgeschäft am Verhandlungstisch machen. Sprich: Ein moralische Handlung, die sogar noch versilbert werden könnte!
Gebt dem Kaiser ,was des Kaisers ist, sagt uns unser Herr. Entbinden wir also unseren Finanzminister von der ihm von starken Interessen auferlegten Last, einen Mythos zu verteidigen, der nicht verteidigt werden kann.

Datum: 15.09.2002
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Bausteine/VBG

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