"Islam Banking" gewinnt weltweit an Boden

Arab Bank

Weltweit gibt es bereits über 200 Islam-Banken, und es dürften weitere gegründet werden. 2002 eröffnete die Schweizer Grossbank UBS die Noriba Bank in Bahrain und folgte damit der Nachfrage nach religiös kontrollierten Banken. "Islam Banking" - ein neues Schreckgespenst?

Islam-Banken als Teil der Kampffront islamistischer Gruppen gegen den Westen: So sieht es die Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Sie widmete dem Thema vergangenes Jahr eine Sondernummer. Beim "Islam Banking" werden Religion und Geschäft vermischt. Das weckt Erinnerungen an den schlagzeilenträchtigen Zusammenbruch der "Banco Ambrosiano" in Rom im Jahre 1981. In den Skandal war Erzbischof Paul Marcinkus verwickelt. Er leitete damals die Vatikanbank "Istituto per le Opere di Religione" (IOR). Religion und Geld – führt ihr Zusammengehen zum Schiffbruch?

"Wer sich zu den Prinzipien einer Religion bekennt, wird auch im Finanzgeschäft die religiösen Grundsätze respektieren wollen." Dies erklärte Beat Bernet, Professor an der renommierten Wirtschaftshochschule in St. Gallen, als er von der Presseagentur Kipa nach der Bedeutung von "Islam Banking" in der heutigen Gesellschaft befragt wurde. Für ihn sind Islam-Bank nicht eine neue Bedrohung, sondern die Antwort auf eine Nachfrage: "Innerhalb der islamischen Gemeinschaft wächst ihre Bedeutung parallel mit dem Aufschwung der religiösen Orientierung der Muslime in der Schweiz." Seit gut zwei Jahren nimmt laut Bernet die Zahl der Islam-Banken zu. Derzeit gebe es weltweit über 200.

"Unternehmerisches Risiko" statt Zinsen

Kürzlich gab der Journalist Gian Trepp das Büchlein "Islam Finanz" heraus, in welchem er sich kritisch mit diesem Bankenzweig auseinandersetzt. Darin beklagt er, dass "Islam Banking" in Bank-Fachkreisen auf ein Problem der "Terminologie" reduziert werde und die Gefahren dieses Finanzsystems unterschätzt würden. Islamische Banken seien besonders von "Liquiditätsrisiken" bedroht, schreibt Trepp, weil sie stärker in die Geschäfte ihrer Kunden eingebunden sind als westliche Banken.

Islam-Banken unterscheiden sich vor allem in zwei Belangen von westlichen Banken: Sie kennen keine Zinsgeschäfte und unterstehen statt einem Verwaltungsrat einem "Scharia-Rat", der prüft, ob die Bank nach religiösen Grundsätzen geführt wird. Der Berner Soziologie-Professor Farhad Afshar erklärt die Prinzipien einer Islam-Bank. Diese gebe zwar Kredite, aber keine Zinsen. Sie sei am Projekt, das mit dem Kredit gefördert werde, beteiligt und nehme so am unternehmerischen Risiko teil. "Scheitert das Projekt, verliert die Bank ihr Geld", sagt Afshar, der auch Co-Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz ist. Der St. Galler Wirtschaftsprofessor Bernet dazu: "Verboten sind Zinsen, ebenso alle Formen von Wetten und Spielen. Darunter fallen nach gängiger Auslegung auch viele Derivatekontrakte."

Geschäft und Religion

Die Sparer, die der Bank ihr Geld zur Verfügung stellen, werden auf andere Weise als mit Zinsen entschädigt. Sie können ihre Spareinlagen gemäss Farhad Afshar auf zwei Arten hinterlegen. Entweder tun sie dies in karitativer Absicht. Die Bank muss dann zum Beispiel zur Verbesserung der Infrastruktur in einem Dorf beitragen. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die Anleger die Bank beauftragen, sich mit dem zur Verfügung gestellten Geld an einem bestimmten Projekt zu beteiligen. Die Bank ist ihrerseits am Gewinn beteiligt, den sie - nach Abzug der Spesen - unter jenen verteilt, die das Geld zur Verfügung gestellt haben.

Farhad Afshar ist überzeugt, dass Geschäft und Religion wie im "Islam Banking" durchaus zusammen wirken können. Dass ein Unternehmen von der Religion getrennt werde, sei noch lange kein Garant dafür, dass dieses menschlich und ethisch vertretbar handle.

Farhad verweist auf westliche Banken, die nicht allein das Gewinnstreben auf ihr Banner geschrieben haben: "Die Ökologiebewegung beispielsweise versucht ebenfalls Banken zu betreiben, die auch nach anderen Grundsätzen als ökonomischen arbeiten. In diese Kategorie gehören beispielsweise die Genossenschaftsbanken, die nicht primär gegründet wurden, um Gewinn zu machen, sondern bei denen die Mitglieder die Geschäftspolitik nach dem Prinzip der Solidarität mitbestimmen." Ein Grundsatz des Islambankensystems sei denn auch: Es dürfe kein Gewinn gemacht werden ohne Risikobeteiligung.

Auflockerung des Zinsverbotes im Islam?

Eine Lockerung des islamischen Zinsverbotes gab im vergangenen November die renommierte Al-Azhar-Universität in Kairo bekannt, die von vielen als die höchste Autorität der Sunniten betrachtet wird. Neu sei es Muslimen erlaubt, Zins zu einem festen Zinssatz zu nehmen. Das Komitee für die Forschung in islamischer Gotteskunde der Universität fällte den Entscheid mit 21 gegen eine Stimme. Der Sekretär des Komitees, Scheich Saber Talaab, kommentierte den Entscheid mit den Worten: "Die religiöse Gesetzgebung beinhaltet auch den Wandel und es ist unlogisch, hart zu bleiben, während die Welt sich um uns herum verändert."

INTERVIEW
Georges Scherrer

"Islam Banking" – kein Gewinn ohne Risikobeteiligung

Vermehrt tauchen in der Schweiz islamische Banken auf. Der "Dar al-Maal al-Islami Trust" wurde 1981 in Genf gegründet, die Banque Kanz 1998 ebenfalls in Genf. 2002 eröffnete die UBS in Bahrain die Noriba Bank. Ist das Bedürfnis nach solchen Banken Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins der Muslime? Nein, sagt der Berner Soziologiedozent Farhad Afshar, Co-Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz. Er vergleicht das "Islam Banking" mit westlichen Banken, die ihre Arbeit nicht allein auf Gewinn, sondern auch nach ethischen Prinzipien ausrichten.

Georges Scherrer: Was ist die Grundidee des "Islam Banking"?
Farhad Afshar: Der Islam ist eine semitische Hochreligion. Islam, Christentum und Judentum haben die gleichen Wurzeln. Das islamische Verständnis von Kapital geht auf das Judentum zurück. Der Islam kennt von Anfang an ein Zinsverbot, das heisst, es ist nicht angebracht, für eine Nichtarbeitsleistung, also das Kapital, eine Entschädigung zu verlangen. Das ist einer der Grundgedanken des islamischen Wirtschaftssystems. "Islam Banking" ist ein Teil dieses Wirtschaftssystems.

Was ist der Unterschied zwischen einer islamischen und einer westlichen Bank?
Wenn man bei einer westlichen Bank einen Kredit aufnimmt und diesen gut oder schlecht anlegt, interessiert dies die Bank nicht. Sie will ihr Kapital verzinst haben. Eine islamische Bank gibt nicht einfach keine Kredite. Sie beteiligt sich vielmehr an Projekten und hat so am unternehmerischen Risiko Anteil. Entsprechend ihrer Beteiligung wird die Bank entschädigt. Scheitert das Projekt, verliert die Bank ihr Geld. Die Bank lebt aber vom Gewinn, an dem sie mitbeteiligt ist, daher hat sie ein eigenständiges Interesse am Gelingen des Projektes. Das führt dazu, dass sie Kredite (Investitionsbeteiligungen) vorsichtiger gewährt und den Kunden nachhaltiger betreut. Der Islam kennt sehr viele verschiedene Formen der Eigentumsbildung, der Eigentumsförderung und der Eigentumsbeteiligung.

Was sind die Anreize, um Geld auf einer islamischen Bank anzulegen?
Die Bank erhält ihr Kapital von den Sparern. Diese erhalten keine Zinsen, sondern werden auf andere Weise entschädigt. Sie können ihre Spareinlagen auf zwei Arten hinterlegen. Entweder tun sie dies in karitativer Absicht. Die Bank muss dann karitativ wirken, indem sie zum Beispiel zur Verbesserung der Infrastruktur in einem Dorf beiträgt, ein Spital oder einen Kindergarten unterstützt. Die Bank verlost zudem als Bonus unter ihren Anlegern Wertgegenstände wie Autos, Kühlschränke oder Gutscheine für Produkte und Dienstleistungen. Mit einem Gewinn können die Anleger nicht unbedingt rechnen, denn das Kapital wird zwar karitativ eingesetzt, ist aber nicht zum Konsum bestimmt. Es soll nachhaltig bewirtschaftet werden. Um ein Spital zu unterstützen, wird zum Beispiel ein Geschäftshaus gebaut. Die Mieteinnahmen decken die laufenden Kosten für mittellose Kranke.

Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die Anleger die Bank beauftragen, sich mit dem zur Verfügung gestellten Geld an einem bestimmten Projekt zu beteiligen. Die Bank ist ihrerseits am Gewinn beteiligt, den sie - nach Abzug der Spesen - unter jenen verteilt, die das Geld zur Verfügung gestellt haben.

Die zentrale Frage ist: Darf man Gewinn machen ohne Risikobeteiligung? Nein, sagt das islamische Bankensystem. Wenn man, ohne dass man sich am Risiko beteiligt, Gewinn erzielt, fördert dies nur die Kapitalakkumulation. Das führt dazu, dass mit der Zeit das Finanzkapital grösser wird als das Investitions- und Industriekapital. Im Islam darf Kapital nicht aus sich selbst Gewinn machen, sondern muss immer wieder investiert werden. Kapital soll bewirtschaftet und nicht konsumiert oder akkumuliert werden. Die Verfügung über Kapital ist eine wirtschaftliche Verpflichtung zur Teilnahme an den Aufgaben der Gesellschaft. Dieses Prinzip bringt das Bankensystem in die Nähe von Industrie, Handel und Gewerbe. Es ist nicht möglich, in "Futurbonds" und ähnliches zu investieren oder an der Devisenbörse zu spekulieren.

Hiesigen Banken stehen Verwaltungsräte vor, islamischen Banken ein Scharia-Rat. Es findet somit eine Verflechtung von Religion und Geschäft statt. Ist das nicht gefährlich?
Oberflächlich betrachtet ja. Die Grundlage unseres Lebens ist aber die Moral. Auf dieser beruhen alle Gesetze, ob in einer säkularisierten oder in einer religiösen Gesellschaft. Was ist die Grundlage unserer moralischen - und wenn wir nicht religiös argumentieren wollen: unserer ethischen Vorstellungen? Frieden, in der Gesellschaft und zwischen Gesellschaften. Gesetze ahnden Vergehen und stellen Verbrechen unter Strafe. Wenn wir hinterfragen, woher kommt es, dass Verbrechen nicht gerechtfertigt sind, dann stossen wir auf religiöse Vorstellungen und, wenn wir weiterfragen, sogar auf die zehn Gebote.

Der Islam hält fest, dass Wirtschaft, Politik, Architektur, die ganze Kultur sich nach religiösen Vorstellungen ausrichten soll. Er ist theozentrisch, aber nicht, wie irrtümlich immer wieder behauptet wird, theokratisch. Diese ethischen und moralischen Werte müssen der Massstab sein. Denn sonst könnte man argumentieren, was im Staatsinteresse ist, steht über der Moral. So könnte das religiöse Tötungsverbot im Staatsinteresse gelockert werden.

Im "Islam Banking" werden Geschäft und Religion verknüpft. Schliesst sich beides nicht doch aus?
Der Islam sagt, die Welt gehört demjenigen, der sie erschaffen hat. Die Schöpfung ist eine Leihgabe Gottes an den Menschen. Der Mensch ist nicht souverän, sondern verantwortlich gegenüber Gott, denn er ist nicht Schöpfer der Welt, sondern ein Geschöpf der Schöpfung. Souverän ist immer nur derjenige, der etwas erschafft. Somit ist der Mensch souverän über die Arbeit, die er leistet und die Produkte, die er kreiert. Aber die Welt gehört ihm nicht, die Flüsse, die Berge, die Seen, der Boden, die Wälder und die Meere, er hat sie nicht geschaffen, er ist nicht ihr Eigentümer. Er ist für diese Nutzniessung zur Rechenschaft verpflichtet. Hier trifft sich islamische Ethik mit der Ökologie.

Im christlich-laisierten Westen prallen zwei unterschiedliche Vorstellungen aufeinander: eine, die den Menschen in die Schöpfung integriert, und eine, die den Menschen zum Massstab aller Dinge erklärt. Wohin das führt, wenn man den Menschen als den Massstab der Welt ansieht, hat das säkularisierte 20. Jahrhundert gezeigt. Es gab zwei totalitäre, grausame Regime, das faschistische und das kommunistische Gulag-Regime.

Also: Das Zusammengehen von Geschäft und Religion muss nicht schlecht sein. Es kommt auf die Beziehung an. Das Nicht-Religiöse ist keine Garantie für Menschlichkeit.

Wo legen in nichtislamischen Ländern lebende Muslime ihr Geld an?
In einem islamischen Land legen die Leute das Geld in einer Bank an, die nach islamischen Prinzipien arbeitet. Wenn Muslime in der Diaspora leben, zum Beispiel in der Schweiz, dann ist es durchaus gerechtfertigt, dass sie ihr Geld auf eine andere Bank bringen. Wenn es islamische Banken in der Umgebung gäbe, würden die Muslime diesen den Vorzug geben.

Wenn es mehr islamische Banken gäbe, hätte dies zudem noch den Vorteil, dass gerade ein Problem, das wir in der Schweiz haben, entschärft würde: Die KMUs (Kleinen und Mittleren Unternehmen) könnten viel leichter Geld beziehen. Der Islam fördert vorwiegend solche Unternehmen in Handel und Gewerbe, denn sie schaffen die meisten Arbeitsplätze und nicht die Grossunternehmen.

Gibt es viele islamische Banken in der Schweiz?
Die Tendenz ist zunehmend. Als Banken mit einem ethisch geprägten Geschäftssinn stehen sie aber nicht allein da. Die Ökologiebewegung beispielsweise versucht ebenfalls Banken zu betreiben, die auch nach anderen Grundsätzen als ökonomischen arbeiten. In diese Kategorie gehören beispielsweise die Genossenschaftsbanken, die nicht primär gegründet wurden, um Gewinn zu machen, sondern bei denen die Mitglieder die Geschäftspolitik nach dem Prinzip der Solidarität mitbestimmen.

Die Petrodollars fliessen auf amerikanische und europäische Banken. Haben die saudischen Ölscheichs kein Vertrauen in die islamischen Banken?
Die islamischen Banken sind viel zu klein und haben eine viel zu schlechte Infrastruktur, um mit diesen Kaptialströmen fertig zu werden. Der Anteil der Islamischen Banken am Weltbankensystem ist relativ klein, wenn auch nicht bedeutungslos.

Ist die Zunahme von islamischen Banken Ausdruck eines wachsenden Selbstbewusstseins der Muslime?
Man hat gesehen, dass die Säkularisierung - die Trennung von Politik, Wissenschaft und Kultur von religiösen Vorgaben - enorm gefährlich werden kann. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung von riskanten Technologien wie Gentechnologie oder Waffentechnologie. Im Islam ist diese Trennung zwischen Moral und Profit nicht möglich. Man hat aber erkannt, dass westliche Banken nur bestimmte Bereiche förderten, so den Handel, aber nicht die Landwirtschaft. In islamischen Ländern begann man nach Instrumenten zu suchen, die die Solidarität in der Bevölkerung fördern. Ein wichtiges sind die islamischen Banken.

Auch islamische Länder sind von Feudalsystemen nicht gefeit, in denen einige Familien ungeheuer viel besitzen, die Mehrheit der Bevölkerung aber in Armut lebt. Werden Islamische Banken Gerechtigkeit schaffen?
Ich glaube, da überfordert man dieses technische Instrument. Zur Gerechtigkeit gehört auch das islamische Steuersystem, ein Justizsystem, ein politisches System der Emanzipation und Machtbeteiligung der Bevölkerung, das Recht auf Selbstbestimmung, die Durchsetzung der islamischen Menschenrechte und so fort. Die Bank allein kann es nicht schaffen. Sie ist aber ein wichtiger Bestandteil in einem gesellschaftlichen Reformprozess.

Eine Beurteilung dazu von Beat Bernet, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Banking an der Universität St. Gallen, finden sie unter dem Artikel: „Geldgeschäfte und Religion hatten immer wieder Berührungspunkte“.

Datum: 16.04.2003
Quelle: Kipa

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