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Sie alle erwartete ein dreitägiges Seminar- und Referatemarathon. So sprach der Marketing-Direktor der Volkswagenwerke über Moral in der Werbung, ein Schweizer Hotelier suchte nach ewigen Werten, und Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, verteidigte die Lehre vom Shareholder Value, die vom Mehren des Unternehmenswertes handle, so dass auch Mitarbeiter, Kunden und die Gesellschaft davon profitieren. Fördert die Börse das Böse im Menschen? Konkurriert Aktienwert mit Menschenwert? Im Prinzip nein, meint Walter. Es sei nicht unmoralisch, eine hohe Rendite anzustreben. Markwirtschaft sei ethisch, weil sie Verantwortung fördere und schneller Fehlentwicklungen aufdecke. Walter verteidigt das Shareholder-Value-Konzept, muss aber gleichzeitig eingestehen, dass Analysten, Investmentbanker und Unternehmensgründer das Konzept genutzt haben, um ausschliesslich die eigenen Taschen zu füllen.
Den grössten Unterhaltungswert lieferte Jenoptik-Chef Lothar Späth. Er redet ohne Manuskript und und fährt dennoch Applaus und Lacher ein. Gekonnt verknüpft er die Themen, springt von Rentenversicherung (“Sie ist deshalb so klar und übersichtlich, weil in der Kasse nichts drin ist”) zu deutscher Dienstleistungsmentalität (“Ein Deutscher bedient lieber eine Maschine als seinen Nachbarn”). Späths Rede ist ein Hohelied auf das Unternehmertum, und er bleibt dabei konsequent diesseitig. “Meine Welt ist es nicht, Bibelsprüche an Mitarbeiter zu verschicken oder zu verkünden, dass ich ein christlicher Führer sei”, sagt er.
Zwischen den Referaten brachten die Fitnessberater Gert und Marlen von Kunhardt den Kongress zum Tanzen. “Tue Deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, in ihm zu wohnen”, fordern sie das Publikum auf und machen so in wenigen Sekunden Zuschauer zu Sportlern. Der ganze Saal wippt auf den Zehenspitzen. Zum Schluss gibt es ein Lob: Bewegung bringe 29 Prozent mehr Sauerstoff in den Kopf: “Jetzt sind sie also auch noch intelligenter geworden.”
In den Seminarräumen ist der Kongress Opfer seines eigenen Erfolges. Die Stühle sind eng aneinandergerückt, einige Teilnehmer sitzen auf dem Boden, zu den Füssen des Referenten. Viele hatten sich erst in letzter Minute angemeldet; manche Räume sind deshalb so stark überfüllt, dass die Gäste von draussen durch die offene Tür zuhören müssen. Trotzdem harren die meisten geduldig aus. An den drei Tagen wurden mehr als 50 Seminare angeboten: zu biblischen Finanzprinzipien, Konfliktmanagement, zur Mitarbeitermotivation und dem Meistern von Unternehmenskrisen. “Trachten sie auch in der Firma immer zuerst nach dem Reich Gottes”, fordert Claus Philippin, Vorsitzender der Internationalen Christlichen Handelskammer, “ihr Job als Unternehmer kann wichtiger sein, als der des Pastors der grössten Gemeinde in ihrer Stadt.” Dennoch wird kein Erfolgschristentum gelehrt. Gott liebe Führungskräfte nicht wegen ihrer Leistung, sondern rette sie aus Gnade, heisst es in vielen Räumen. Nicht um Selbstverwirklichung dürfe es gehen, sondern um Christusverwirklichung. Dass Christsein Scheitern nicht ausschliesst, zeigen die gut besuchten Angebote, die sich mit Ausgebranntsein, Schlafstörungen und Erschöpfungen beschäftigen und erklären, wie sich Beruf, Gemeinde, Familie und Freundschaften vereinbaren lassen.
Für die unter 30jährigen dauert der Tag am längsten. Sie dürfen bis ein Uhr in “Heikos Nachtcafé” sitzen. Der Liedermacher, Journalist und Theologe Heiko Bräuning moderiert, gespielt wird Jazz und Swing. Es gibt zwar keinen Kaffee, dafür aber Bier und Wein. Auch hier sind Gäste eingeladen, so der 33jährige Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Waldbröl, Christoph Waffenschmidt, der Politik zum Missionsfeld erklärt. Bis zum Schluss des Nachtcafés bleiben nur wenige. Nach jeder Gesprächsrunde leert sich der Saal. Vielleicht ist es die Müdigkeit, vielleicht auch die Disziplin, die die Nachwuchsführungskräfte schon an den nächsten Tag denken lässt.
Zum Zurücklehnen und Geniessen waren dafür die beiden Abendprogramme. Mal behutsam-ernst, mal mit flapsiger Leichtigkeit moderiert der Direktor des Evangeliums-Rundfunks, Jürgen Werth; er befragt Menschen, die mit Gottes Hilfe Krisen überwunden und Lebenskraft gewonnen haben. Margrit Stebner, Mitarbeiterin des Hilfswerkes “Shelter Now”, erzählt von der 102tägigen Gefangenschaft unter der Taliban-Herrschaft in Afghanistan. Im August 2001 war sie zusammen mit sieben weiteren Mitarbeitern wegen des Vorwurfs der Mission in Kabul verhaftet worden. Ihr Überleben in schmutzigen Gefängnissen und stickigen Containern sowie die überraschende Befreiung sei ein Wunder gewesen, das Gottes Güte zeige, bekannte Stebner. Inzwischen ist sie mit ihren Kollegen wieder in das moslemische Land zurückgekehrt und arbeitet mit am Aufbau von Schulen.
Annegret Gotter, Mutter von vier erwachsenen Kindern, erzählt, dass sie mit 43 Jahren noch einmal unerwartet schwanger wurde, einen Jungen mit Down-Syndrom gebar und danach ihr Leben völlig umstellen musste. Ärzte hatten ihr eine Abtreibung empfohlen, sie lehnte es ab und erfuhr in ihrem Dorf in Sachsen sowohl Ablehnung als auch Bedauern und die Unsicherheit, ob man ihr zur Geburt gratulieren solle. Einen Grund sich über Gottes Führung zu beklagen, gebe es dennoch nicht, sagt Annegret Gotter. Die Familie sei mit der neuen Aufgabe gereift und habe gelernt, das Leben neu mit Gottes Augen zu sehen. Der Leiter des Institutes für Mikrobiologie an der Technischen Universität in München, Siegfried Scherer, begründet, warum er nicht an die Evolutionstheorie glaubt: “Die Schöpfung ist viel zu komplex und planmässig, als dass sie sich durch einen zufälligen Evolutionsprozess hätte entwickeln können.” Für das Buch “Evolution – ein kritisches Lehrbuch” ist er mit dem Schulbuchpreis 2002 ausgezeichnet worden.
Das Ehepaar Jutta und Jens Warnholtz berichtet, warum es sich nach mehr als 20 Jahren Ehe trennte, die Scheidung einleitete, Freundschaften mit jeweils neuen Partnern begann. Kurz vor der endgültigen Trennung habe Gott eingegriffen. Warnholtz rief seine Frau an und bat sie um Vergebung. Sie antwortete “mit der entzückenden Stimme eines Teenagers”, wie sich Jens Warnholtz erinnert. Inzwischen leben beide wieder zusammen. Zwischendurch singt die Mädchenband “Sharona” Popsongs und Balladen, Christine und Helmut Kandert lassen die Schlägel über das aus Afrika stammende Marimbaphon tanzen, die Paul Singers schmettern Gospellieder.
Der vor zwei Jahren zum Glauben gekommene Jens Böttcher vom Gitarrenduo Rosenbrock & Böttcher nutzt den Auftritt, um von seiner Bekehrung eindrücklich wie humorvoll zu erzählen. Mit seiner Freundin habe er die Predigt eines amerikanischen Fernsehmissionars gesehen. “Es war, als sei ich von einem himmlischen Baseballschläger getroffen worden.” Der heilige Geist sei über ihn gekommen, “mir war so, als hätte ich ganz merkwürdige Drogen genommen.” Einige Monate später kam der Missionar nach Deutschland, und Böttcher liess sich in der Badewanne in dessen Hotelzimmer taufen.
Dass viel gelacht wird, liegt vor allem an Carlos Martinez. Dem spanischen Pantomimen gelingt es mit unnachahmlichem Charme, den Psalm 23 und die Schöpfungsgeschichte nachzuspielen. Er formt den Erdball, dann Adam, haucht ihm Atem ein, wiegt ihn in seinen Armen, setzt ihn auf die Erde, denkt kurz nach, nimmt Adam wieder hinunter, betäubt ihn kurz, formt Eva und setzt beide auf der Erde ab. Er hält sich eine Hand vors Gesicht, hinter der er aber dann doch vorsichtig hervorschaut, was Adam und Eva da wohl machen, lacht verschmitzt und schaut wieder weg. Der Kongress christlicher Führungskräfte bot beides: drei Tage Wissensvermittlung und zwei wunderschöne Abende des Glaubens.
Quelle: idea.de/Bilder EKD