Topunternehmer rät: Mehr Christen in Führungspositionen

Prof. Berthold Leibinger
Äussere Grösse benötigt auch innere Grössen und Werte

Der geschwächten deutschen Wirtschaft ginge es besser, hätte sie mehr profilierte Christen in Führungspositionen. Dieser Überzeugung ist einer der grössten Unternehmer in Deutschland, Prof. Berthold Leibinger (Ditzingen bei Stuttgart).

Der Geschäftsführende Gesellschafter von Trumpf, einem weltweit operierenden Hersteller von Werkzeugmaschinen und Lasertechnik, behauptet, dass viele Führungskräfte zwar fachliche Experten seien, sie würden aber in ihrem ethischen Handeln zu selten Grenzen setzen. Es fehle das Fundament. “Früher hätte man wohl formulieren können: Das Christentum muss so selbstverständlich sein wie die Vaterlandsliebe. Beides scheint heute auf dem Rückzug zu sein.”

Christliche Werte kämen insbesondere beim Umgang mit leistungsschwächeren Mitarbeitern und in der Zusammenarbeit mit Lieferanten zum Tragen. “Wir sollten Geschäftsbeziehungen nicht ohne ein Gefühl für den Mitmenschen pflegen”, so Leibinger, der auch Aufsichtsratsvorsitzender beim Chemiekonzern BASF und Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank ist. Leibinger ist einer der Hauptreferenten des 3. Kongresses christlicher Führungskräfte, der vom 16. bis 18. Januar in Hannover stattfindet. Veranstalter sind die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) und die Firma tempus-Zeitplansysteme (Giengen bei Ulm). Der Topmanager brach im Interview eine Lanze für den Pietismus. Diese geistliche Bewegung habe die Einstellung zur Arbeit positiv geprägt und die Eigenverantwortlichkeit des Menschen gefördert.

In der Öffentlichkeit verkürze man den Pietismus auf “enges Sektierertum, Frömmelei und Heuchelei”. Damit habe man aber die grossen Verdienste nicht gewürdigt. Leibinger ist im pietistischen Korntal bei Stuttgart zur Schule gegangen und hat in der christlichen Erziehung nach eigenen Worten für sein Leben “ein sicheres Fundament” bekommen.

„Glaube und Effizienz – kein Widerspruch“

Interview

Einer der mächtigsten Manager Deutschlands bricht eine Lanze für den Pietismus Das “Manager-Magazin” zählte ihn jüngst zu den 50 mächtigsten Menschen Deutschlands: Prof. Berthold Leibinger hat sich vom Lehrling zum Inhaber des weltweit operierenden Unternehmens Trumpf (Ditzingen bei Stuttgart) hochgearbeitet, das auf Werkzeugmaschinen und Lasertechnik spezialisiert ist.

Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates beim Chemiekonzern BASF, Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank, ehrenamtlich engagiert er sich unter anderem als Vorstandsvorsitzender der Internationalen Bachakademie. Der verheiratete Vater von drei Kindern ist Hauptreferent beim 3. Kongress christlicher Führungskräfte, der vom 16. bis 18. Januar in Hannover stattfindet.

Marcus Mockler: Herr Prof. Leibinger, beim Kongress christlicher Führungskräfte in Hannover werden Sie zum Thema “Macht Glaube erfolgreich?” sprechen. Hat der Glaube Sie erfolgreich gemacht?

Leibinger: Ich habe meinen persönlichen Ausgangspunkt im christlichen Glauben. Aufgewachsen bin ich nahe Korntal (bei Stuttgart), der bekannten Gründung der pietistischen Brüdergemeinde. Was mir in jungen Jahren an gelebtem Christentum nahegebracht wurde – im Elternhaus, von christlichen Lehrern, im Konfirmandenunterricht und im geistigen Aufbruch zwischen 1945 und 1950 – das hat mich eindeutig geprägt. Es hat mir ein sicheres Fundament für mein Leben gegeben. Das hat zu meiner Kontinuität beigetragen, zum hartnäckigen Festhalten an Zielen, zu einem positiven Umgang mit Menschen. Letztlich also auch zum Erfolg.

Was war pietistisch an Ihrer Erziehung?

Leibinger: Der christliche Glaube war in Korntal allgegenwärtig. Mir fiel dort der ungewöhnliche Umgang mit dem Tod auf. In der Brüdergemeinde gab es einen alten Friedhof, den man Begräbnisgarten nannte. Dort hatten alle Verstorbenen den gleichen Grabstein – ohne Ansehen der Person. Auch bei den Särgen gab es keine Unterschiede. Der Tod war in dieser geistlichen Umgebung nichts zu Beklagendes, sondern ein Durchgangsereignis. Man hat auf diesen Tag zugelebt - zumindest wurde das so gesagt.

Wo noch begegnete Ihnen im Alltag der Glaube?

Leibinger: Über der Schule stand in Stein der Spruch: “Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.” (Psalm 111, Vers 10) Am Haus des Bäckers Hieber stand “Eben Ezer”. Das ist hebräisch, heisst wörtlich “Stein der Hilfe” und erinnert an das Eingreifen Gottes im Leben Samuels (1. Sam 7, Vers 12). Mein Jungenschaftsführer in der Hitlerjugend hiess Gerhard Bengel, er war ein grossartiger junger Mann und direkter Nachfahre des berühmten pietistischen Theologen Johann Albrecht Bengel. Es gab also sehr viel Berührung mit dem Evangelium. Kritisch würde ich im Rückblick sagen, dass die Korntaler damals die Politik nicht begriffen haben. Viele Pietisten standen Adolf Hitler zunächst positiv gegenüber. Meine Mutter war darüber sehr besorgt, sagte den Verwandten in Korntal immer wieder: “Ihr verkennt den Hitler.”

Was bedeutet Ihnen das pietistische Erbe?

Leibinger: Ich bin der festen Überzeugung, dass das Aufkommen des Pietismus für dieses Land ein Segen gewesen ist. Die Einstellung der Menschen zur Arbeit, zum Wirtschaften ist positiv geprägt worden. Durch die persönliche Verantwortung des Christen – jeder sucht den Weg zu Gott – ist die Eigenständigkeit des Menschen gefördert worden. Der Pietismus hat meiner Meinung nach viel mehr Positives bewirkt, als ihm in der Öffentlichkeit zugeschrieben wird. Man verkürzt diese geistliche Bewegung auf enges Sektierertum, Frömmelei und Heuchelei. So was gibt es darin natürlich auch, aber damit hat man die grossen Verdienste des Pietismus nicht gewürdigt.

Bräuchten wir in einer geschwächten Wirtschaft, wie sie Deutschland momentan hat, wieder mehr Pietisten und andere profilierte Christen in den Chefetagen?

Leibinger: Eindeutig ja. Wir brauchen mehr Menschen, die begriffen haben, dass es Fundamente gibt, die das Leben und das Handeln in der Wirtschaft bestimmen müssen. Wir können zwar ein Unternehmen nicht allein mit Bibelsprüchen leiten. Aber es täte unserer Wirtschaft gut, wenn es mehr Menschen gäbe, die eine selbstverständliche christliche Orientierung haben. Menschen, die in ihrem Handeln verlässlich sind. Wir haben heute leider eine Ethik der Beliebigkeit.

Wie meinen Sie das?

Leibinger: Viele Führungskräfte sind fachliche Experten, setzen aber in ihrem ethischen Handeln zu selten Grenzen. Das Fundament fehlt. Früher hätte man wohl formulieren können: Das Christentum muss so selbstverständlich sein wie die Vaterlandsliebe. Beides scheint heute auf dem Rückzug zu sein.

Wo kommt das Christsein denn im Alltag einer Führungskraft zum Tragen?

Leibinger: Führungskräfte müssen immer auch über Menschen entscheiden. Wie wir das tun, prägt das ganze Unternehmen. Wir sprechen in unserem Unternehmen beispielsweise darüber, dass wir auch Mitarbeiter mittragen wollen, die aus Gesundheits- oder Altersgründen in der Leistung nachlassen. Unsere Maxime: Auch Schwächeren einen Platz geben, sofern sie etwas leisten wollen, es aber aus welchen Gründen auch immer nicht in vollem Umfang können. Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit Lieferanten: Man kann dort zwar den härtesten Preisdruck ausüben oder eisenhart auf einen Liefertermin bestehen. Ich meine aber, wir sollten solche Geschäftsbeziehungen nicht ohne ein Gefühl für den Mitmenschen pflegen. Ob wir das immer schaffen als Unternehmen, ist eine andere Frage. Jedenfalls arbeiten wir daran.

Rechnet es sich für ein Unternehmen, nach christlichen Prinzipien zu arbeiten?

Leibinger: Wenn 60 Prozent der Deutschen wie jüngst in einer Umfrage angeben, sie machten am Arbeitsplatz nur Dienst nach Vorschrift, dann kann ich mit Gewissheit sagen: Dieser Anteil ist in unserem Unternehmen deutlich geringer. Stattdessen haben wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil sehr motivierter Mitarbeiter – das ist ein Unternehmensvorteil. Ich glaube, dass auch die meisten Kunden wissen, dass wir an ihrem Wohl ein echtes Interesse haben. Handeln aus religiöser Überzeugung ist in hohem Mass vernünftiges Handeln. Es besteht kein Widerspruch zwischen ökonomischer Effizienz und Glaube.

Viele Menschen meinen aber immer noch, der Glaube sei etwas für schwache Menschen, die ihr Leben ohne Gott nicht in den Griff kriegen.

Leibinger: Der Grundgedanke des Protestantismus – jeder hat Verantwortung vor Gott und wird selig allein durch den Glauben – stärkt die Eigenverantwortlichkeit des Menschen. In Predigten wird es so erklärt: Gottes Hand ist ausgestreckt, aber in meiner Verantwortung liegt es, sie zu ergreifen. Das prägt Menschen und bringt sie zu eigenverantwortlichem Handeln.

Warum messen Sie dem so viel Bedeutung zu?

Leibinger: Weil wir in Deutschland eine fortschreitende Entmündigung der Bürger haben. Es wird behauptet, für mehr Gerechtigkeit brauche es mehr Staat. Die Eigenverantwortung wird ständig reduziert. Wenn zum Beispiel jemand ohne Leistungsbereitschaft einen Arbeitsplatz ausfüllt, hat ein Unternehmen kaum Möglichkeiten, ihn deshalb zu entlassen. Das ist aber nur ein scheinbarer Schutz, weil es diesen unwilligen Mitarbeiter nicht zu mehr Eigenverantwortlichkeit führt und ihn andere mittragen müssen, worunter das ganze Unternehmen leidet. Unser Zwangsversicherungssystem bei Krankenkasse, Arbeitslosigkeit und Rente hat ebenfalls die Folge, dass die Menschen das Gefühl für die Verantwortung verlieren, für sich selbst zu sorgen. Ich betrachte es auch als eine Art der Entmündigung bei der Ausbildung in unserem Land, dass die Leistungsschwelle für schulische Abschlüsse und akademische Grade immer weiter gesenkt worden ist.


Ein Teil ihres christlichen Erbes ist ihr bedingungsloses Ja zur Familie. Trotz des imposanten Wachstums von Trumpf sind sie nicht an die Börse gegangen, haben an der Struktur des Familienunternehmens festgehalten. Warum?

Leibinger: Meine Frau und ich haben drei Kinder, drei Schwiegerkinder und sieben Enkel. Wir haben das Glück, dass aus unseren Kindern etwas geworden ist und dass sie unsere Überzeugungen teilen. Die Fortführung des Unternehmens im Sinne unserer Familie ist damit bestens gewährleistet.

Kommen die Familienmitglieder angesichts übervoller Terminkalender überhaupt zusammen?

Leibinger: Wir haben seit 26 Jahren ein Haus in der Schweiz. Dort sind wir an Weihnachten immer mit allen Kindern zusammen. Das ist zwar mit wachsender Familie etwas eng geworden, aber es sind im Jahreskalender die wichtigsten Tage für uns. Am Essenstisch diskutieren wir über Gott und die Welt, über Politik, Literatur und Glaube. Wir sprechen über alles, natürlich auch über die Zukunft des Unternehmens. Wir haben auch einen Familienkodex geschrieben, der sich vor allem der Frage widmet, wie wir als Familienmitglieder miteinander umgehen. Dort erinnern wir uns aber auch daran, dass wir Mitverantwortung für unsere Umgebung, für die Gesellschaft tragen. Es ist ein “Hausgesetz”, das jeder von uns Mitte der 90er Jahre unterschrieben hat.

Demnächst ist Weihnachten. Ist von diesem christlichen Fest auch bei Trumpf etwas zu spüren?

Leibinger: Am letzten Tag vor Weihnachten haben wir jedes Jahr ein Choralblasen in der Fabrikhalle. Einige unserer Mitarbeiter spielen Choräle, ich halte eine kleine Ansprache, ein Lehrling liest ein Gedicht vor. Auch so etwas prägt uns positiv: Wir gehen anders in die Weihnachtsfeiertage als die Angehörigen vieler anderer Firmen.

Datum: 16.12.2002
Autor: Marcus Mockler
Quelle: idea Deutschland

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